»Passt bitte gut auf eure Tochter auf!«
Der Arsch verstand das genau. Irgendwie war der nicht koscher, den sollte ich mir auch mal vornehmen. Kann man mit dem Verkauf von Klamotten so viel Geld machen?
Aber er liebte seine Tochter über alles und würde sofort eine Horde von Totschlägern engagieren, die rund um die Uhr ihr prächtiges Anwesen überwachten. Es war gut so, wie es ist. Anna war hier sicher. Nur das zählte im Moment.
Ich hielt auf dem Parkplatz vor dem Autohaus auf der Münchner Straße, das auch nur Edelschlitten verkauft. Öffnete den Kofferraum, entnahm ihm mein kleines, aber feines elektronisches Suchgerät und checkte meinen Boliden. Das wollte ich bei Fischer nicht machen. Hätte noch mehr Unruhe gebracht.
Hatte auch ich schon eine Wanze am Wagen? Nach drei Minuten war die Sache erledigt. Der F-Type war sauber. Keine Wanze, keine GPS-Verbindung, nichts.
19:30. Wir fuhren nun beruhigter zu meiner Bude im Lehel. Unter dem Dach fünfundachtzig Quadratmeter auf zwei Zimmer. Edel und für mich seit ein paar Monaten zu teuer. Thierschstraße. Schön, aber viel Verkehr und ‘ne quietschende Straßenbahn. Haltestelle unter meinen Fenstern. Wenn nur das Gebimmel der Kirche nebenan mir nicht dauernd auf den Sack gehen würde!
Ich schmiss Fanny noch ein Steak in die Pfanne – das mochte er am liebsten –, setzte mich an den Mac und begann meine Recherchen fortzuführen. Schnell wurde es Nacht. Um zehn nach Zwei fragte Fanny an, ob wir denn nicht noch mal Gassi gehen könnten.
Klar.
Sonst scheißt der mir noch auf den nicht vorhandenen Perserteppich!
»Komm, Nervensäge! Ist ja gut. Ich habe dich vernachlässigt. Kommt nicht wieder vor!«
02:15. Fanny strahlte und wir liefen die fünf Treppen, achtundsiebzig Stufen, zu Fuß runter. Wie auch sonst. Es gibt keinen Fahrstuhl im Haus.
Jetzt wusste ich zwar, wo und mit wem der tote Staatssekretär zur Schule gegangen war, mit wem er studiert hatte usw. Ich checkte auch das ganze mir nun bekannte Personenregister durch, um irgendwie einen Ansatz zu finden, checkte Hannelore, die Untrainierte, checkte ihren zweiten Mann, den Trainierenden, versuchte, etwas über die Tochter der Willes herauszufinden.
Nada.
Nichts, was mich auf irgendeine Fährte gebracht hätte. Das war schon ermüdend.
Fanny und ich liefen die Isar zwischen Alpenmuseum, Friedensengel und Müllersches Volksbad entlang. Es war nichts los. Plötzlich schoss Fanny wie eine giftige Natter, sich blitzschnell um seine eigene Achse drehend, mit einer noch blitzartigeren Bewegung hinter mich und schon krachte es brutal: Fanny hatte kurzerhand mit einem einzigen harten Biss einem vermummten Mann die rechte Hand abgetrennt. Fannys Nacken war halt extrem trainiert und er wusste, welchen Biss er wie ansetzen musste, damit so eine Hand vom Körper fällt. Das hatten wir nicht nur einmal trainiert. Er hielt mir die Hand für Sekundenbruchteile als Trophäe entgegen. Dann ließ er sie fallen. An der Hand hing noch ein riesiges Messer. Der gellende Schrei des Handlosen ging im Lärm unter, den Fanny veranstaltete.
Alles ging so schnell, dass ich jetzt wohl auch einen Blechsarg gebraucht hätte, wenn mein geliebter Mastiff nicht wahnsinnig aufmerksam gewesen wäre und rigoros eingegriffen hätte. Der besitzt halt eine feinere Nase und bessere Ohren. Fanny riecht Gefahr. Er hatte wohl auch im schwachen Mondschein den Stahl des Messers aufblitzen sehen.
Logische Konsequenz für Fanny: Das Messer muss weg.
Und wenn da noch eine Hand dran ist – Pech gehabt.
Alles ging dermaßen schnell, dass ich noch gar nicht richtig geschnallt hatte, was passiert war. Ich kann das nur im Nachhinein berichten. Die schwarze Gestalt lief, vor Schmerzen laut winselnd wie hundert hungrige Kojoten in der Prärie von New Mexico, über die Maximiliansbrücke Richtung Parlament davon. Ihn zu verfolgen, machte wenig Sinn. Den würden die morgen identifizieren. Der musste ja irgendwann in ein Krankenhaus. Und zwar so schnell wie möglich, sonst …
02:27. Es war an der Zeit, dass wir uns verdrückten, bevor die Sache Staub aufwirbelte. Ich hatte keine Lust, meinen Kollegen erklären zu müssen, woher die einzelne Hand mit dem Messer kam. Sie würden Fanny einschläfern. Dabei hatte er ‚nur‘ mein Leben gerettet.
Schon zum dritten Mal in den letzten zwei Jahren.
Da kann man doch verstehen, dass Fanny mein Ein und Alles ist, oder?
Also verzogen wir uns auch blitzschnell. Es war unser Glück: kein Auto, kein Nachbar mit Schlafstörungen.
Nichts.
In meinem Luxusapartment angekommen, merkte ich, dass die Aktion auch Fanny an die Nieren gegangen war. Er legte seinen Riesenschädel auf mein Knie, so dass ich dort morgen einen blauen Fleck haben würde, schaute mich fragend an. Es war beschlossene Sache, dass das liebenswerte Viech die Nacht heute mit mir im Bett verbringen durfte.
Ich verstand die sensible Seele meines Hundes.
Immer!
Es stand außerdem fest wie das Amen in der Kirche, dass der Anschlag nicht rein zufällig mir galt, sondern ausschließlich und gezielt mir. Sonst wären das der Zufälle zu viel. Und, ich sagte es schon, die gibt es in meiner Branche nicht. Das Wespennest hatte sich ausgeweitet. Der Staatssekretär musste jemandem gehörig auf die Nerven gegangen sein. Ich war mir schon jetzt ziemlich sicher, dass eine der unzähligen Mafia-Organisationen in unserer Stadt verantwortlich für die Morde sein würde. Fragte sich nur, ob es eine der italienischen Gruppen ist oder eine russische, kroatische, georgische, türkische, rumänische …
Verdammt.
Ich konnte die Gefahr jetzt ebenfalls riechen. Saurer Killergeruch, böse, brutal und gefährlich.
Als ich noch in meiner Behörde war, hatten wir über 20 verschiedene Gangstervereine identifiziert, die ihr Business ziemlich professionell und mit bester technischer Ausrüstung von München aus betrieben. Fast jeder Mafiosi-Club ist auf ein Gebiet spezialisiert, aber untereinander miteinander konkurrierend, weil die Geschäftsfelder immer die gleichen waren: Prostitution, Drogenhandel, Geldwäsche, Menschenhandel, Wirtschaftskriminalität, Waffenhandel und Auftragsmorde.
Schöne Scheiße.
Nur menschlicher Dreck war unterwegs. Der stinkt. Und fast immer involviert: die ‚feine‘ Gesellschaft.
Nein, die Finger machen die sich nie schmutzig, aber sie arrangieren, kontrollieren, finanzieren und partizipieren von den menschlichen Abgründen. Rechtlich geführt durch ihre Ärsche von Anwälten. Große Kanzleien mit viel Schnickschnack und Pseudokunst im Büro und besten Adressen. Briennerstraße, Maximilianstraße, Weinstraße, Theatiner. Protzen ist angesagt. München halt. Man zeigt, was man hat. Das hat sich in den Jahren nicht verändert. Im Gegenteil. Die Geschäftsfelder haben sich in den letzten zehn Jahren enorm ausgeweitet und wurden in jeder Hinsicht perfektioniert. Dank einer Technologie, die wir alle nutzen.
IT.
Wenn Sie verstehen, was ich meine …
Dass der Wille im Drogenhandel tätig war oder da jemandem auf die Füße getreten hatte, war unwahrscheinlich. Logisch wäre es, dass er irgendwelche wirtschaftlichen ‚Unregelmäßigkeiten‘ im Bauministerium entdeckt hatte oder dass Geldwäsche im Spiel war. Schließlich gehen jährlich riesige Summen über den Tisch des Ministeriums. Es ist das größte in Bayern und hat über 900 Mitarbeiter. Die Geschäftsfelder sind weit gestreut: Hochbau, Straßen- und Brückenbau, Wohnungsbau, Städtebauförderung, aber auch, und das ist noch viel interessanter, öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Verfassungsschutz und Cybersicherheit, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen. Da geht die Post ab! Milliarden fließen durch die Kassen des Ministeriums. Wen wundert es da, wenn es in den Behörden und Ministerien Personen gibt, die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen.
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