Während ich mich noch hin und her wälzte, schlief mein Retter Fanny den Schlaf des Gerechten.
Er furzte, grunzte und jaulte.
Vermutlich ging ihm der Angriff, der nur Sekunden gedauert hatte, durch seinen dicken Schädel.
Danke, mein Freund!
Das Problem lag bei mir. Wer auch immer die Willes erpresst und getötet hatte: Jetzt stand ich auf deren Liste. Und spätestens wenn der Armlose seinen Chefs berichtet, sollte ich mein Testament machen.
Obwohl – wofür eigentlich? Bei mir gab es nichts zu holen. Bis auf den F-Type und Fanny …
08:52. Ziemlich down wachte ich auf. Fanny hatte sich schon verkrümelt. Er lag nun unter dem Schreibtisch und beobachtete mich. Wie immer in letzter Zeit: die eine Vorderpfote über die andere geschlagen, so wie es die Dichter und Denker gerne tun, um vornehm und gebildet daherzukommen. Das machte Fanny seit wir beide mal kurz in Salzburg waren – das war mein erster Auftrag nach meiner LKA-Karriere – und für schlappe fünf Mille einen Autohändler für einen anderen Autohändler beobachten sollten, da hatte Fanny das in einem Café gesehen.
Im ›Heart of Joy‹ in der Franz-Josef-Straße lag neben einer attraktiven Blondine ein süßer Mischling genauso vor dem Eingang. Elegant die Vorderpfoten übereinander geschlagen.
Clevere Intelligenzbestie, dachte sich mein Mastiff, der den Kleinen mit zwei Happen hätte verschlingen können, was er aber nicht tat. Die beiden begrüßten sich wie alte Kumpels und schon hatte Fanny das Pfotenübereinanderschlagen übernommen und lag seitdem auch immer so elegant in der Gegend rum wie jetzt unter meinem Schreibtisch.
Als ich mich aus dem Bett quälte, kam er sofort freudig grinsend auf mich zu und leckte mir quer über mein verquollenes Gesicht.
Eine Dusche konnte ich mir heute sparen …
»Na, Dicker? Alles wieder gut? Jetzt hast du Hunger, habe ich recht? Na komm schon, heute gibt es die doppelte Ration!«, versprach ich Fanny und suchte im Kühlschrank nach Fressbarem für uns beide.
An meinem Entschluss, den Vorfall von letzter Nacht nirgends und niemandem gegenüber zu erwähnen, hatte sich nichts geändert. Ändern musste ich meine Taktik, meinen Aufmerksamkeitsgrad. Einfach durch Münchens Straßen bummeln und scharfen Hintern hinterherschauen, wäre jetzt kontraproduktiv gewesen. Fanny würde ab sofort immer und überall hin mitkommen. Er war meine Überlebensgarantie. Und nie mehr würde ich ohne meine Derringer Double Tap aus dem Haus gehen. Leicht, unauffällig, schlank, aus Titan und dennoch 9mm Kaliber. Durchschlagskraft enorm, nur zwei Schüsse im übereinanderliegenden Doppellauf. Absolut tödlich.
Das musste jetzt sein.
Als nächster Trip stand der Besuch bei der Untrainierten an. Werde sehen, was ich machen kann, damit sie wieder ins Training kommt. Fanny wird Fun haben, schätze ich mal.
11:23. »Guten Morgen, Hanni!«, flötete ich mit sanfter Stimme, in meiner Stimmung eigentlich null Bock auf ‘ne Nummer habend.
Hannelore hatte sich aufgemotzt. Ich hatte sie richtig eingeschätzt. Die war scharf wie ein japanisches Kai Shun Kaji Messer aus Damastener Stahl. Aber als sie Fanny sah, bekam sie wohl doch einen leichten Panikschub. Vielleicht dachte sie auch, dass ich ein Perverser sei.
Egal.
Wir drangen in ihr Wohnzimmer. Ich wieder auf die karierte Couch, Fanny legte sich sofort unter den Esstisch mit der karierten Plastikdecke, ein paar Meter abseits. Pfoten übereinandergeschlagen. Guter Hund! Weiß, was sich gehört. Abstand halten und beobachten. Aufmerksam sein. Das hatte ich ihm auf der Fahrt zu Hanni, der Trainergattin, noch einmal eingeschärft. Und Fanny verstand das. Hannelore hatte wieder von dem grässlichen Gebäck etwas stehen, dazu roch es nach Kaffee. Vermutlich Tchibo oder so‘n Zeug. Aber sie hatte auch einen Kräuterlikör angeschleppt.
Wer steht denn am frühen Vormittag auf sowas!
Sie setzte sich sofort neben mich. Enger ging‘s nicht. Der Abstand zu mir und ihrem Minirock. Der rutschte bis hoch an die Hüfte und wenn ich nicht irre, wurde Fanny rot vor Scham.
Doch vor ihrem Vergnügen musste ich noch einiges von ihr wissen.
»Sag mal, Hanni, was genau hat denn dein Dahingeschiedener in seinem Amt gemacht? Weißt du da was Genaueres?«
Als ob sie nur darauf gewartet hätte, legte Hannelore, die zu Trainierende, los. Ein offenes Buch. Ich musste nur noch blättern, registrieren und mir alles merken. Wie ein Wasserfall betete sie die unglaubliche Karriere ihres Ex-Mannes runter und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Dame hatte ein verdammt gutes Gedächtnis und bei vielen Details, die sie wie nebenbei erzählte, ratterte es in meinem grauen Kasten und mir wurden schlagartig viele Zusammenhänge klar.
Während sie mir mit ihren Details aus dem Leben ihres Ex-Mannes, ohne es zu ahnen, sehr half, rutschte nicht nur der Rock noch höher, so dass ich Einblick in ihr unbedecktes Innerstes bekam, sie rutschte auch immer näher, um nicht zu sagen, auf meinen Schoß, was Fanny mit einem Grunzen begleitete und er mir einen gemäßigt bösen Blick zuwarf. Als wolle er sagen:
Alter, pass auf!
Es half nichts, ich ergab mich freiwillig und über den Rest des Vormittags schweigt des Genießers Höflichkeit.
13:39. Als wir uns endlich vom Acker machten – Hannelore hatte es plötzlich sehr eilig, vermutlich kam der Trainer vom Training und wollte seinen Fressnapf gefüllt sehen –, hatte ich rund ein Dutzend interessanter Informationen aus ihren Sprachergüssen herausgefiltert.
»Fanny, das wird jetzt spannend. Gleich bekommst du was Gutes zum Essen und einen riesigen Napf Wasser. Wir fahren wieder ins Brenner. Pass bitte auf uns auf, du weißt schon: Die Menschen sind böse!«
Fanny nickte.
Wir hatten unsere Augen überall und kamen problemlos ohne Stau zur Maximilianstraße. Einen Parkplatz bekommt man dort nie. Und in die Operngarage? Nee – bei den Preisen. Nach der zweiten Runde hatten wir Glück. Fanny bellte einmal kurz und kräftig. Er bestätigte, dass er mit dem endlich gefundenen Platz direkt neben Hermés, gegenüber vom Vier Jahreszeiten, einverstanden war. Eine Politesse war nicht zu sehen. Ich wagte es, mich dem staatlichen Wegelagererzoll zu entziehen. Kein Geld erreichte den hungrigen Automaten. Fanny bekräftigte meine Entscheidung und nickte erneut.
Der Gute hatte ebenfalls Hunger und Durst. Aufpassen strengt an.
Mein Kumpel Mario, der Kommissar mit dem Blick für das Wichtige, saß schon. Am gleichen Tisch wie gestern. Es stand bereits ein Trog Wasser neben ihm. Auf dem Boden. Für Fanny. Der Mann überraschte mich immer mehr. Da der Kellner gerade vorbeikam, orderte ich als Erstes ein riesiges Steak für Fanny. Medium, versteht sich. Fanny quittierte das mit kräftigem Schlabbern. Ihm lief jetzt schon das Wasser im Maul zusammen. Aber das hatte er sich verdient, oder?
»Heute Morgen haben wir eine Hand gefunden. Mit einem zwanzig Zentimeter langen Messer daran. Russischer Stahl. Gleich in deiner Nähe …«
Das saß! Wollte er damit etwas andeuten? Ich stellte mich dumm. Ob er es glaubte? Ich wage es noch heute zu bezweifeln.
»Ist ja schön für euch, Mario. Eine Hand. Das ist doch mal ein Anfang. Habt ihr denn den Rest auch schon?!«
Ich schaute Fanny an, er blickte vielsagend zurück. Wir hatten ein gemeinsames Geheimnis. Bei Fanny war es auf jeden Fall besser aufbewahrt als bei mir. Selbst wenn sie ihn foltern würden, was der da oben verhindern möge: Der sagt nichts …
»Nein. Haben wir nicht. Von keiner Klinik kam eine Meldung. Bis jetzt jedenfalls. Aber du weißt es selber, die Suche kann lange dauern. Monate. Wir haben die Hand gecheckt … Abgebissen … Vermutlich … Wenn das stimmt, muss das beißende Wesen ein riesiges Ungeheuer gewesen sein. Mindestens wie das hier.«
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