Herbert W. Franke - PARADIES 3000

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Wie in seinen vorhergehenden Erzählungen und Romanen beschäftigt sich Herbert W. Franke auch in dieser Sammlung mit einem Themenbereich, den er für den ureigenen der Science-Fiction ansieht: Konfliktsituationen zwischen der Gesellschaft und einer expandierenden Wissenschaft, Rückwirkungen technischer Eingriffe – nicht zu berechnen, aber vielleicht doch zu erahnen. Der Mensch inmitten einer künstlichen Umwelt, konfrontiert mit ungewöhnlichen Gefahren, aber auch mit überraschenden Chancen, Extrapolationen von Entwicklungslinien, weit über den heutigen Stand hinaus – Situationen solcher Art konkretisieren sich in Handlungen und Schauplätzen: Die Wohnmaschinen der modernen Stadt, Laboratorien und Forschungsstätten, aber auch Raumstationen und Planeten, weitab von den Geschehnissen des Alltags. Extremsituationen, die Grenzen der Belastbarkeit – das alles in einer nüchternen Sprache geschrieben, gelegentlich sogar in einer pseudodokumentarischen Diktion, in Form von Forschungsberichten, von fingierten Tonbandprotokollen.
Titelbild und Innenillustration stammen von Thomas Franke.

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Vielleicht ist es ungewöhnlich, ein wissenschaftliches Experiment in Form einer Reportage zu beschreiben. Doch die Methode ist nicht neu – seit der ersten Landung auf dem Mond ist sie gang und gäbe, und wie die Erfahrung zeigt, erfasst man damit sogar mehr als mit langen Listen von Messwerten. Unser Reporter war dabei, und wir wollen zum Abschluss noch einmal seinen Mitschnitt wiedergeben, sooft er auch schon veröffentlicht wurde. Überflüssig zu erwähnen, dass die Interpretationen des Resultats bis heute noch nicht zu endgültigen Ergebnissen geführt haben. Vielleicht aber können sich unsere Leser anhand unserer ausführlichen Zusammenstellung, die auch einige neue Details enthält, selbst ein Bild davon machen.

Reporter Meine Damen und Herren, ich befinde mich im Zentrallabor des Instituts für Advanced Studies. Das Interieur erinnert ein wenig an die Zentrale einer Fernsehanstalt oder einer prozessgesteuerten Fabrik: überall Bildschirme, Messanzeigen, flackernde Lämpchen.

Etwa ein Dutzend Herren haben sich hier versammelt, die angesehensten Spezialisten aus den Fächern der Automatentheorie und der maschinellen Intelligenz. Obwohl das, was geschieht, in keiner Weise besonders erscheint, liegt doch eine spürbare Spannung im Raum, und die Bewegungen von Doktor Dessenbrinck, der an einem Schaltpult hantiert, muten fast feierlich an. Vorhin hat er drei dicke Magnetbandrollen in einen Speicher gelegt, und nun wird er die Daten in den riesigen Arbeitsspeicher des zentralen Computers überspielen. Offenbar wartet er nur noch auf die Aufforderung des Ministers, der es sich nicht nehmen ließ, hier anwesend zu sein.

Minister Ich glaube, wir sind bereit – bitte, schalten Sie ein!

Reporter (aufgeregt flüsternd) Eine kurze Handbewegung von Doktor Dessenbrinck – das ist alles. Doch wie von Geisterhand geregt füllen sich die Bildschirme mit Zeichen. Es sind Reihen von Zahlen und Buchstaben, dazwischen Symbole – Punkte, Klammern, Zeichen aus der Algebra. Vielleicht verstehen sie die Informatiker – ich habe keine Ahnung, was sie bedeuten, und so fürchte ich, dass ich Sie nur unzureichend über den Fortgang des Experiments unterrichten kann. (Kurze Pause) Dort leuchtet ein rotes Licht – das Flackern auf den Bildschirmen hat aufgehört, mir scheint, als wäre der Eingabeprozess beendet.

Minister Wie könnte das Ergebnis aussehen?

Professor Pazzini Es ist nicht vorherzusehen. Irgendeine Reaktion … irgendeine Äußerung, dass sich dieses elektronische Wesen, das sich da drinnen aufgebaut hat, seiner eigenen Existenz bewusst ist.

Professor Toff Warum sollte es sich äußern? Wenn es überhaupt aktiviert ist, dann wird es handeln!

Minister Aber wie?

Professor Toff Das wird sich zeigen.

Reporter Der Minister und die Wissenschaftler stehen wartend da, ein wenig beunruhigt, will mir scheinen, aber was bleibt übrig, als zu warten … (Pause) Noch immer nichts … Sollte das das ganze Ergebnis sein? Einige Herren schütteln den Kopf, einige lächeln überlegen … (Pause) Aber jetzt (aufgeregt): Auf den Bildschirmen ist eine Bewegung zu erkennen. Leider fehlen mir die Kenntnisse, um Ihnen die Zeichen, die dort erscheinen, zu deuten. Doch es dürfte etwas Interessantes sein – die Wissenschaftler scheinen gespannt, sie beugen sich zu den Konsolen … Ich will ein wenig näher gehen, vielleicht kann ich etwas erkennen … (Schritte) Jetzt habe ich gute Sicht auf einen Bildschirm, und ich kann Ihnen sogar schildern, was auf ihm geschieht: Nach und nach werden nämlich alle Zeichen durch Nullen ersetzt. Und dort drüben, der andere Schirm … auch auf ihm nur noch Nullen! (leise und gespannt) Was hat das zu bedeuten? In den Mienen der gelehrten Herren Ratlosigkeit! Sie sehen sich an, schütteln die Köpfe. Sie beginnen ein Gespräch … offenbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, doch ich will sehen, ob ich etwas mitbekommen kann …

Doktor Dessenbrinck Ich verstehe nicht … alles gelöscht …

Minister Was sagen Sie da?

Professor Pazzini Mein Gott, alles gelöscht – jetzt ist das Programm endgültig verloren!

Minister Aber ich verstehe nicht …

Professor Pazzini Der Versuch … misslungen. Vielleicht ein Fehler? Falsch programmiert?

Professor Pazzini Keine Superintelligenz, keine Reaktion …

Professor Toff Aber verstehen Sie denn nicht, meine Herren: Es hat reagiert!

Minister Es hat reagiert … Aber warum … weshalb? Alles gelöscht!

Professor Toff Wir haben Zeit, darüber nachzudenken.

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