Abb. 7: Das propagierte Modell der Nachhaltigkeit
Dieses Prinzip bildet seit Jahrzehnten die herrschende Meinung unter den Entscheidungsträgerinnen und -trägern und ist als Ausdruck der schwachen Nachhaltigkeit zu sehen. Es basiert vor allem auf dem Glauben, dass die jeweils gegenwärtigen und zukünftigen ökologischen und sozialen Probleme durch neue technologische und ökonomische Lösungen überwindbar sind. Zu konstatieren ist jedoch, dass dieser Ansatz bisher dem Prinzip der Nachhaltigkeit unter ökologischen Gesichtspunkten nur unzureichend zu einer durchdringenden Wirkung verholfen hat. Vielmehr wird das gegenwärtige Modell durch die Abbildung 8 wiedergegeben.
Demgegenüber rüttelt die starke Nachhaltigkeit am Kern des heutigen kapitalistischen Systems mit seinen effizienzgetriebenen und technikorientierten Paradigmen. Das Konzept der starken Nachhaltigkeit akzeptiert die planetaren Grenzen und möglichen Kipppunkte der Ökosysteme und legt damit auch den Grundstein für Regeln und Bedingungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Handelns (
Abb. 9 Abb. 9: Das anzustrebende Modell der Nachhaltigkeit gemeinsam mit Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen nach neuen Lösungen suchen, das natürliche Kapital nur in den erneuerbaren Mengen zu nutzen. Neuere ökonomische Ansätze wie z. B. die Gemeinwohlökonomie von Christian Felber oder die Doughnut Economics von Kate Raworth streben bereits danach, in den planetaren Grenzen und unter Beachtung des sozialen Ausgleichs, ökonomisches Handeln radikal zu transformieren.
).
Meine zentrale These lautet daher: Wenn der Handlungsdruck so groß ist, wie es die wissenschaftlichen Erkenntnisse nahelegen, dann muss es ein klares Primat für die Ökologie geben, das durch die Politik verbindlich umgesetzt wird und dem sich Gesellschaft und Wirtschaft unterzuordnen haben.
Gleichwohl sind Gesellschaft und Wirtschaft aufgefordert, gemeinsam mit der Politik in demokratisch transparenten Prozessen, diese Vorgaben zu definieren. Die Umsetzung einer starken Nachhaltigkeit bedarf mithin eines transdisziplinären Ansatzes, in dem Natur- sowie Sozial-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaften
Abb. 8: Das gegenwärtige Modell der Nachhaltigkeit
Abb. 9: Das anzustrebende Modell der Nachhaltigkeit
gemeinsam mit Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen nach neuen Lösungen suchen, das natürliche Kapital nur in den erneuerbaren Mengen zu nutzen. Neuere ökonomische Ansätze wie z. B. die Gemeinwohlökonomie von Christian Felber oder die Doughnut Economics von Kate Raworth streben bereits danach, in den planetaren Grenzen und unter Beachtung des sozialen Ausgleichs, ökonomisches Handeln radikal zu transformieren.
In vielen Industrien stehen die Unternehmen vor großen Umbrüchen. Diese selbst mitzugestalten, kann helfen, der Menschheit ihr Überleben zu sichern. Und damit auch den Unternehmen selbst. Oder man setzt auf Abwarten, auf Verzögern und Taktieren, um die bewährten Geschäftsmodelle zu retten. Dann werden andere Spieler auf das Parkett treten und die immer noch zahlreich vorhandenen Wertschöpfungsoptionen abgreifen, die angesichts der anstehenden Transformation möglich werden. In Summe zeichnet sich schon länger deutlich ab, dass ein »Business as usual« keine Option mehr ist, unter Betrachtung der vielfältigen Risiken, die dieser Pfad beinhalten würde.
Ein Umsteuern betrifft die Art, wie wir produzieren und konsumieren, wie wir unsere Städte und ländlichen Regionen gestalten, welchen Wert wir der Natur und ihrem Schutz beimessen und nicht zuletzt, welche soziokulturellen Narrative wir dieser umfänglichen Transformation zuordnen. Positive Visionen, die auf bereits heute sichtbaren Geschichten des Gelingens beruhen, sind wichtig, um den Menschen die Angst zu nehmen und Freude zur Veränderung zu vermitteln (vgl. u. a. Welzer 2020). Innovationen sind in vielen Branchen erforderlich, dies betrifft insbesondere eine technisch hochentwickelte Ökonomie wie die in Deutschland. Hier sind Staat wie Wirtschaft gleichermaßen in der Pflicht, entsprechende Basisinnovationen zu stimulieren. Innovation bedingt aber immer auch Exnovation, sprich sich von Gewohnheiten und etablierten Prozessen, Produkten und Systemen zu trennen, um Raum für das Neue zu schaffen. Dieser Gedanke führt in vielen Kernbereichen der europäischen Volkswirtschaften zu einer Wende in der strukturellen Art des Wirtschaftens.
Die Energiewende ist die prominenteste unter den industriellen Wandlungs- bzw. Wendeprozessen. In Deutschland immerhin schon in den 1990er Jahren gestartet mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, sind mittlerweile deutliche Fortschritte zu verbuchen. Laut Bundesregierung betrug der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung 2019 bereits 42 Prozent, bei der Wärmeversorgung hingegen erst knapp 14 Prozent.
Weltweit gilt es, gültige Mechanismen zu etablieren, die die Wirtschaftlichkeit der Gewinnung und Umwandlung fossiler Energieträger reduzieren und die Investitionssicherheit für alternative Technologien schaffen (z. B. durch einen globalen CO 2-Preis). Allerdings gibt es manifeste geopolitische Interessen vieler Länder, diesen Prozess zu verhindern, um ihre derzeitige Stellung zu festigen. Der forcierte Umstieg auf von fossilen auf erneuerbare Energien bleibt der zentrale Hebel, um die CO 2-Emissionen zu reduzieren und den Klimawandel abzuschwächen. Verschiedene Maßnahmen können dies unterstützen. Eine dezentrale Erzeugung kann z. B. helfen, um den Verbrauchern mehr Wissen zu vermitteln und global mehr Einfluss im Markt zu übertragen und somit auch erfahrbar zu machen, selbst einen Beitrag leisten zu können.
Bezogen auf Deutschland sind die zentralen Stichpunkte der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien (z. B. durch gebäudeintegrierte Photovoltaik und Einleitung einer echten ›Wärmewende‹), die Steigerung der Energieeffizienz (z. B. Gebäudesanierung insbesondere im Altbestand und Ausbau des Internets der Energie), der Ausbau der Stromnetze (z. B. Steuerung dezentraler Verteilnetze), Innovationen bei der Energiespeicherung (z. B. Umwandlung von Strom zu grünem Wasserstoff) und Anreize zur Substituierung fossiler Energieträger bei energieintensiven Industrien (z. B. Chemie oder Stahl). Auch die Förderung der Elektromobilität für Privathaushalte, Kommunen und Kleingewerbe sind ein wichtiges Element der Energiewende und tangiert damit bereits die Schnittstelle zur Mobilitätswende.
Auch im Mobilitätssektor steht ein tiefgreifender Umbruch bevor. Einerseits wird die Digitalisierung zu neuen Geschäftsmodellen, neuen Mobilitätsmustern und neuen Anbieterstrukturen führen. Andererseits werden die Anforderungen in Richtung einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Mobilitätsweise tiefgreifende systemische Veränderungen bedingen. Die einzelnen Punkte sind vernetzt und können nicht singulär betrachtet werden.
Die volkswirtschaftliche Relevanz der Automobilindustrie in Deutschland ist außergewöhnlich, umso dringlicher aber auch die aktive Steuerung und Gestaltung des anstehenden Wandels. Ein energetisches Thema steht dabei in der öffentlichen Debatte noch über allen: der Wechsel vom Verbrenner hin zur batterie- oder wasserstoffbasierten Elektromobilität. Für die deutsche Industrie ist dies neben der Digitalisierung sicher die zentrale Herausforderung des kommenden Jahrzehnts angesichts der massiven Verschiebung in der Wertschöpfung und der infrastrukturellen Anforderungen (z. B. Ausbau Ladeinfrastruktur und Sektorkopplung). Blickt man auf die Mobilität als System werden schnell andere Fragen relevant.
Читать дальше