„[…] beantworten Sie mich, widerlegen Sie mich, rezensieren, kritisieren, reformieren und satirisieren Sie mich, wo und wieweit ich’s verdiene, so kann doch dieses Geschwätz uns allen noch wozu nützlich werden, denn es war kein Buch so schlecht, das Pope nicht mit Nutzen zu lesen vorgab, und ich wollte auf die Rechnung gern mich zu schlechten Schmierern gesellen, wenn ich alle meine Leser zu Popen machen könnte“10.
3.) In seinem Gedicht Über die deutsche DichtkunstÜber die deutsche Dichtkunst , das zwischen 1774 und 1775 in Straßburg entstanden ist, wird Pope neben HomerHomer, OssianOssian, ShakespeareShakespeare, William, PetrarcaPetrarca, Francesco und anderen von Lenz als eine literarische Leitfigur genannt.11
4.) In seiner dramatischen Satire Pandämonium GermanikumPandämonium Germanikum spielt Lenz in der jüngeren Handschrift vom Frühsommer 1775 im Titelgedicht auf Popes Satire The DunciadThe Dunciad (1728) mit der Formulierung „Ein Dunsiadisch Spottgedicht“12 an.
5.) In der Selbstrezension zum Neuen MenozaDer neue Menoza schreibt Lenz in den Frankfurter gelehrten AnzeigenFrankfurter gelehrte Anzeigen vom 11. Juli 1775, „Popens Geißel“ hänge „noch ungebraucht an der Wand: Wer weiß, wer sie einmal über Deutschland schwingt“13.
6.) Den Text Nur ein Wort über Herders Philosophie der GeschichteNur ein Wort über Herders Philosophie der Geschichte , am 18. Juli 1775 in den Frankfurter gelehrten Anzeigen veröffentlicht, schließt Lenz mit der Bemerkung ab: „Wenigstens, sagt Pope in einer seiner Satiren, mag dieses Blatt zeugen (wenn es anders soweit hinausdauert) daß einer da war, der dies mißbilligte und verabscheute“14.
7.) In dem Essay Hochburger SchloßHochburger Schloß kommt LenzLenz, Jakob Michael Reinhold in einem Textabschnitt auf PopesPope, Alexander ShakespeareShakespeare, William-Beschäftigung zu sprechen:
„Eine ganz andere Verteidigung von Shakespearn nehme ich über mich, gegen seine Verteidiger, gegen seine Schutzredner, gegen Alexander Popen der seine Werke herausgegeben hat. […] Wie aber, wenn ich bei näherer Untersuchung gefunden, daß Pope all diese Stücke […] wahrscheinlich nicht gelesen, geschweige auf kritischer Waage abgewogen?“15
Diese Schrift entstand, nachdem Lenz Weimar verlassen hatte, im Januar oder Februar 1777 und erschien in demselben Jahr im Teutschen MerkurDer Teutsche Merkur .
8.) In dem Text Etwas über Philotas CharakterEtwas über Philotas Charakter nimmt Lenz auf PopesPope, Alexander Essay on ManEssay on Man (1733/34) Bezug. „Mich dünkt, Pope sagt mit zwei Worten mehr: To enjoy is to obey / Genießen ist gehorchen“16. Entstanden ist diese Schrift mutmaßlich in der zweiten Jahreshälfte 1779. The Essay on Man von Pope ist ein Lehrgedicht in vier Briefen, das die Grundfrage der Theodizee erörtert, wie die Erfahrung des Bösen in der Welt mit der Vorstellung eines guten, gnädigen Gottes zu verbinden sei, den Widerstreit von Vernunft und LeidenschaftenLeidenschaften thematisiert und nach den Bedingungen menschlichen Glücks fragt.
In den Jahren 1765 und 1766 übersetzte SchlosserSchlosser, Johann Georg die ersten vier Briefe des popeschen Buchs.17 Er wählte fünfhebige Jamben, die paarweise gereimt sind (heroic couplets). GoetheGoethe, Johann Wolfgang berichtet in Dichtung und WahrheitDichtung und Wahrheit , Schlosser habe seine Pope-Übersetzung schon beim Besuch in Leipzig dabei gehabt:
„Er studierte die Engländer fleißig, Pope war, wo nicht sein Muster, doch sein Augenmerk, und er hatte, im Widerstreit mit dem Versuch über den Menschen jenes Schriftstellers, ein Gedicht in gleicher Form und Silbenmaß geschrieben, welches der christlichen Religion über jenen Deismus den Triumph verschaffen sollte. Aus dem großen Vorrat von Papieren, die er bei sich führte, ließ er mir sodann poetische und prosaische Aufsätze in allen Sprachen sehen, die, indem sie mich zur Nachahmung aufriefen, mich abermals unendlich beunruhigten“18.
Allerdings taucht 1776 mit dem Druck statt der Verse eine Prosaversion auf. Zehn Jahre also, nachdem SchlosserSchlosser, Johann Georg eine eigene englische Version in Versen des Essay on ManEssay on Man geschrieben hatte, wird die Prosafassung veröffentlicht, die nur noch wenige englische Verse, mutmaßlich aus der älteren Fassung Schlossers, enthält.
Der Anti-PopeAnti-Pope ist in zwei Teile untergliedert. Die Briefe eins bis vier umfassen den eigentlichen Anti-Pope , Brief Nummer fünf ist eine Prosaübersetzung von Popes Essay on Man .19 Neben dem Vorleser LenzLenz, Jakob Michael Reinhold und dem Verfasser Schlosser gibt es noch einen Herausgeber, der ein sechsseitiges Vorwort schreibt. Versucht man die Filiationen exakt zu differenzieren, stellt sich die Frage, ob der Verfasser mit dem Herausgeber und der Herausgeber mit dem Vorleser identisch ist, oder ob der Anti-Pope womöglich zwei Verfasser hat. Die oben zitierte Protokollnotiz der Deutschen Gesellschaft ist doppeldeutig, sie sagt einmal aus: Das ursprünglich englisch geschriebene Gedicht Schlossers wurde von Lenz ins Deutsche übersetzt und seine Übersetzung las er selbst vor. Oder sie sagt zum anderen aus, das ursprünglich geschriebene Gedicht Schlossers wurde von diesem selbst auch ins Deutsche übersetzt, und Lenz las die schlossersche Übersetzung vor. Und schließlich bleibt unklar, ob demnach die Formulierung „bis auf den 1ten Brief“ bedeutet: mit Ausnahme des ersten Briefs, oder: bis zum Ende des ersten Briefs. Natürlich kann man nicht vollständig ausschließen, dass sich Schlosser auf ein Spiel mit dem Publikum einlässt, wonach er gleichermaßen die Rollen des Autors, des Übersetzers und des Herausgebers besetzen würde. Doch ausgeschlossen ist auch nicht, dass Lenz selbst die Vorrede in der Rolle des Herausgebers geschrieben oder sogar an der Übersetzung mitgewirkt hat. Die beiden Asterisken, welche die Anonymisierung des Wohnortes des Herausgebers am Ende der Vorrede symbolisieren, könnten – dies ist freilich spekulativ und hat keinerlei Indiziencharakter – eher auf einen zweisilbigen Ort hinweisen. Dies würde den Gepflogenheiten anonymisierter Ortsangaben im 18. Jahrhundert durchaus entsprechen, wonach die Anzahl der Asterisken auch die Anzahl der Silben des Ortsnamens repräsentieren kann. In Frage käme demnach nicht Emmendingen, sondern Straßburg. Da der Text des Anti-PopeAnti-Pope als insgesamt kaum bekannt vorausgesetzt werden muss, soll an dieser Stelle der Wortlaut der Vorrede vollständig wiedergegeben werden:
„Das Gedicht, welches hier unter dem Titel Anti-Pope erscheint, ist von einem Deutschen unter Umständen, die das Publikum wenig bekümmern werden, bis auf den fünften Brief englisch verfaßt, und vom Verfasser selbst übersetzt worden. Der fünfte Brief ward über zehn Jahre nachher von dem nehmlichen Verfasser, aber, weil er vielleicht weder Lust noch Zeit hatte, mehr englische Verse zu machen, deutsch nur entworfen, und nicht völlig ausgearbeitet.
Man thut dem Verfasser einen üblen Dienst, daß man eine, auch von ihm aufgesetzte Uebersetzung des Popischen Versuchs über den Menschen an die Seite setzt. Allein, der verschiedne Gesichtspunct, in welchem beyde die Lehre von der besten Welt ansehen, erforderte eine so verschiedene Ausführung, daß keine Vergleichung zwischen beyden angestellt werden darf. Der Verfasser des Anti-Pope wird auch selbst auf Pope’s Genie keinen Anspruch machen, sondern zufrieden seyn, wenn er nur einen der ächten Dichter unsrer Nation etwa reizen sollte, diesen Gegenstand, den PopePope, Alexander blos für die Metaphysiker bearbeitet hat, für das Herz zu bearbeiten. – Wir glauben, daß, wenn dieses einmal geschieht, der Glückliche den Pope, der Unglückliche einen solchen Anti-Pope immer lesen wird, so lang’ es Menschen giebt, die über ihr Schicksal zu räsonniren der Mühe werth achten. Für die übrigen hat Voltäre gesorgt.
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