Wir haben den Verfasser ersucht, manche übertriebene Stelle zu mildern, und manches, was blos ihn und seine Umstände betrifft, entweder wegzulassen, oder zu verkürzen. Aber das war seine Antwort:
‚Ich werde an dem Gedicht nichts ändern. Wollte ichs so einrichten, wie ich itzt denke, so muste ichs ganz umschmelzen. Vor zehn Jahren floß es ganz aus meinem Herzen; nun würde es mehr aus meinem Kopfe fließen. Nimmt das Publikum keinen Antheil daran, so wie es ist; so werde es vergessen mit andern: an dem, was ich itzt daraus machen würde, könnte es gewis keinen nehmen. Was Sie Uebertreibungen nennen, weis ich nicht. Ich glaube, wenn man alles auf alle zieht, so wird allerdings manches übertrieben scheinen und seyn; aber jedes einzelne Bild wird in der Natur sein Original finden: und jeder kann fürchten dieses Original zu werden‘.
Wir wusten hierauf nichts zu antworten!
Im Anti-Pope haben wir diejenige Stellen, die dem Uebersetzer im Deutschen nicht genug ausgedrückt schienen, aus dem englischen Original, welches noch nie gedruckt worden, beygesetzt. Im Popischen Versuch war das nicht nöthig, weil der in aller Händen ist.
Wir hoffen auch Verzeihung zu erhalten, oder vielleicht von Manchen Dank, daß wir von diesem Popischen Versuch eine neue Uebersetzung bekannt machen. Die schon bekannten poetischen sind alle unerträglich, und die prosaische in den sämmtlichen Popischen Werken ist nicht überall richtig; aber sie schien überall frostig. Ob der neue Uebersetzer dem Engländer weniger Unrecht gethan hat, lassen wir den Leser entscheiden! – Warburtons Commentar hat der Uebersetzer nicht im Deutschen anfügen wollen; es schien ihm ungeschickt, dem denkenden Leser vorzugreifen, und die so rund, so stark, so gedrungen ausgedrückte Gedanken des Dichters, in der Ueberschwemmung der Worte des immer kalten, oft schiefen Commentators zu ersäufen.
** im März 1776.
Der Herausgeber.“20
Ist SchlossersSchlosser, Johann Georg Anti-PopeAnti-Pope tatsächlich „eine der merkwürdigsten Schriften in der deutschen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts“21, wie im Vorwort zum Reprint von Schlossers Kleinen SchriftenKleine Schriften (Schlosser) 1972 geurteilt wurde? Wilhelm Kühlmann untersuchte Schlossers Protesthaltung gegenüber der orthodoxen AufklärungAufklärung und seine Sympathien für die jungen Sturm-und-Drang-LiteratenSturm und Drang. Er kommt zu dem Schluss, der Anti-Pope könne als ein Dokument der Dialektik der Aufklärung verstanden werden und sei das bedeutendste Zeugnis des Bruchs mit der Vätergeneration der Aufklärer.22 Zwischen diesen Labels merkwürdig und bedeutend wird der tatsächliche Wert dieser Schrift zu finden sein, und es bleibt zu hoffen, dass die Beteiligung von Jakob Michael Reinhold LenzLenz, Jakob Michael Reinhold an diesem Text oder der Herausgabe des Anti-Pope mit belastbaren Argumenten in den Horizont des Möglichen rückt.
Heinrich Leopold WagnerWagner, Heinrich Leopold KinderpastoraleKinderpastorale (1777)
Die Kinderpastorale von Heinrich Leopold Wagner erschien 1777 in der Straßburger Zeitschrift Der BürgerfreundDer Bürgerfreund .1 Sie wurde nur ein einziges Mal wieder gedruckt, das war im Jahr 1875 und ohne weiteren, erläuternden Kommentar.2 Die Germanistik konnte offensichtlich mit diesem Text nur wenig anfangen, auch hier stand das Votum von Erich SchmidtSchmidt, Erich der Rezeptionsgeschichte sperrig im Weg. Denn über die Kinderpastorale urteilt er: „herzlich unbedeutend und durchaus unselbständig“, das spätere „kecke Originalgenie“ Wagner sei in seiner Saarbrücker Zeit „noch sehr zahm und bescheiden“ gewesen.3 „Den Papa zu erfreuen verfasst er für die kleinen Günderrodes im Spätsommer 1773 ein mehr als harmloses ‚Kinderpastorale […]‘“4. Wagners Bekannter, der aus Straßburg stammende baden-durlacher Hofrat Friedrich Dominikus RingRing, Friedrich Dominikus, besaß ausweislich seines Bücherverzeichnisses die Kinderpastorale und außerdem eine verloren gegangene Romanze Wagners mit dem Titel Beweis dass die Kinder von je her klüger sind als die Eltern .5
Im Februar 1773 kam Wagner aus Straßburg nach Saarbrücken und nahm die Stellung eines Hofmeisters bei der Familie von GünderrodeGünderrode, Familie von an, ein Bruder der Sesenheimer Pfarrfrau BrionBrion, Friederike hatte ihm diese Stellung vermittelt. Schon in den 1770er-Jahren wurde von einem Gymnasialrektor Kiefer zwar eine erste Lesegesellschaft in Saarbrücken gegründet, doch entsprach diese offensichtlich nicht Wagners Vorstellungen, da sie sich vermutlich vorwiegend der Lektüre von Sachbüchern widmete.6 Im Juni 1772 war sogar Friederike BrionBrion, Friederike zu Besuch bei ihrem Onkel in Saarbrücken gewesen, ob Wagner ihr begegnete ist nicht überliefert. Am 9. Oktober 1773 zog Wagner über die kulturelle Diaspora vor Ort ernüchtert Bilanz. Die Gegend, in der er jetzt lebe, sei „fast eben so barbarisch“7, wie sein liebes Vaterland, schrieb er an Heinrich Christian BoieBoie, Heinrich Christian. WagnerWagner, Heinrich Leopold verbrachte die Jahre 1773 und 1774 in Saarbrücken und avancierte zu einer Art Privatsekretär des Präsidenten von GünderrodeGünderrode, Friedrich Maximilian von. Als sein Arbeitgeber infolge einer Intrige beim Fürsten in Ungnade fiel und auch Wagner selbst der Veruntreuung von Geld bezichtigt wurde, musste er gehen. Ende Mai 1774 wurde Wagner aus dem Territorium des Fürsten von Nassau-Saarbrücken vertrieben, er schreibt: „[…] mußte ich Freytag morgens mit Sack und Pack […] fort und nach Zweybrücken“8. In Saarbrücken lässt er 1774 noch den Phaeton, eine RomanzePhaeton, eine Romanze drucken, die dem Fürsten zu Neujahr 1774 gewidmet war und an deren Ende sich durchaus schon fürstenkritische Töne lesen lassen.9 Doch seine Erfahrungen und Beobachtungen aus der ‚barbarischen Zeit‘ schlagen sich vor allem unmittelbar in den danach veröffentlichten Texten nieder, wie etwa in seinem Roman Leben und Tod Sebastian SilligsLeben und Tod Sebastian Silligs (1776) und in dem Drama Die KindermörderinDie Kindermörderin (1776). Wagners Stellung als Hofmeister bei einer Familie der politischen Elite dieses Duodezfürstentums hat seine Sicht auf die sozialen und politischen Missstände eher noch geschärft. Familienmitglieder von Günderrode sind bereits im 17. Jahrhundert auf der nahen Burg Lichtenberg bei Kusel (Rheinland-Pfalz) nachgewiesen, doch es ist ein Zweig der Familie aus Hessen, der im 18. Jahrhundert in den Dienst der Fürsten von Saarbrücken tritt und dort ansässig wird.
„Johann Maximilian v. Günderode war isenburgisch-birsteinischer Hofmeister. Er ist der Verfasser einer ausführlichen rechtsgeschichtlichen Darstellung über die deutsche Reichsverfassung im Mittelalter und über die Einteilung Deutschlands in Kreise unter den Kaisern Maximilian I. und Karl V. Sein Sohn Hieronymus Maximilian v. Günderode war zunächst hohenlohe-bartensteinischer Hofkavalier. Bereits vor 1762 trat er in die Dienste des Fürsten Wilhelm Heinrich und wurde bald Geheimrat und Kammerpräsident. Im Jahre 1762 wurde ihm der Nassauer Hof in Dudweiler, ein kleines Jagdschlößchen, verliehen. 1769 kaufte es Fürst Ludwig zurück und schenkte es seiner Geliebten, der Frau v. Dorsberg. Daneben hatte Günderode 1762 auch das heute abgerissene Haus an der Schloßmauer in Saarbrücken erworben, in dem Goethe als sein Gast 1770 wohnte. Bei der Beerdigung Wilhelm Heinrichs hielt er die Leichenrede. Er blieb auch unter dem Fürsten Ludwig zunächst im Amt, fiel aber 1773 in Ungnade. Der Fürst ließ ihn in so kränkender Weise davon in Kenntnis setzen, daß er in eine schwere Krankheit verfiel. Doch hat Ludwig ihn dann großzügig behandelt und ihm eine Pension von 1500 fl und 24 Klafter Brennholz jährlich ausgesetzt. Am 17. Dezember 1777 starb er, nachdem ihm seine Frau Susanne Maria Elisabeth geb. v. Stalburg ein Jahr früher im Tode vorausgegangen war. Beide wurden in der Stiftskirche in St. Arnual begraben. Seine Schwester Christine hatte 1761 den nassau-saarbrückischen Regierungsrat Karl v. Stalburg geheiratet, war jedoch schon 1762 im Alter von 23 Jahren gestorben.
Читать дальше