Muster bzw. Motive der Gedecke pflegten aufeinander abgestimmt zu sein, insbesondere dann, wenn das Ensemble aus vier Näpfchen und einem Tellerchen bestand. Die Malereien darauf, nicht selten auf feinem Craquelé (裂纹, Haarriss-Porzellan) berühmter Manufakturen, beruhten oft auf eigenen Entwürfen der Besitzer: Landschaften (山水), Menschen (人物), Blumen und Gräser (花卉), Vögel mit buntem Gefieder (翎毛) und korrespondierenden Gedichten (诗篇). Klassische Motive für Sumpfmeisen waren etwa: »Purpurrote Hirsche« (紫鹿), »Rote Krabben« (紫蟹), »Rote und blaue (Fische) mit wechselnden Köpfen« (红蓝截头鱼, i. e. rote Fische mit blauen Köpfen, blaue Fische mit roten Köpfen), »Rote und blaue Wolken und Fledermäuse« (红蓝云蝠; Fledermäuse waren in China anders als im europäischem Volkstum Glückssymbole), »Blaue Fledermäuse und Blätter« (蓝蝠叶), »Ineinander verschlungene Fledermäuse und Blätter« (勾连蝠叶) etc. Für Rot-und Blaukehlchen (靛颏) gab es: »Rot- und Blaufischnäpfchen« (红蓝鱼罐) – »Pu der Blaufisch« ließ grüßen –, violettrosafarbene »Rouge-Trinknäpfchen« (胭脂水罐) oder zartrosafarbene »Pfirsichblüten vor einer Schneegrotte« (桃花雪洞罐).
Wahre Kenner waren daran auszumachen, dass sie sich an subtile Konventionen hielten, was Motive anbetraf. Die Subtilität ging bisweilen so weit, dass sie rein gar nicht zueinander zu passen schienen – als sei ihre Wahl aus einer Laune des Augenblicks heraus erfolgt (was ein großer Irrtum war: Ihr lagen klassische Anspielungen zugrunde, die aber so versteckt waren, dass man schon ein Literat erster Ordnung sein musste, um ihrer gewahr zu werden). Solche »Stegreifnäpfchen« (现凑的罐), wie sie genannt wurden, waren ausgesprochen wertvoll und teuer und wurden immer mehr Mode, was zur Folge hatte, dass schließlich Pseudo-Stegreif-Ensembles auf den Markt kamen, die nur so taten, als hätten die einzelnen Stücke einen (versteckten) Bezug zueinander. Näpfchen für Schwarznackenpirole (黄莺) mit roten Krabben (紫蟹)? Entgleisungen, denen wahre Kenner nicht auf den Leim gingen. Krabben passten nun einmal nur zu Sumpfmeisen.
Wertlose Stücke waren auf den ersten Blick am Material (Steingut, Mörtel) und den banalen Farben zu erkennen (李红, »Pflaumenrot«, 桃花水颜色, »Pfirsichblütentaurosa« etc.). Die Regel: »Je billiger der Käfig, desto billiger das Geschirr« (粗笼粗罐) galt auch für die Befestigungsvorrichtungen. Ignoranten und Banausen klammerten die Näpfchen mit Hilfe von dünnen Bambushölzchen an den Käfigstäben fest. Liebhaber, die stolz auf ihren Käfig waren, benutzten hierfür konkave Bambusspangen (罐凹), die – extra dafür angefertigt und von derselben Farbe wie die Stäbe oder schwarz – glatt und plan mit dem Käfiggehäuse abschlossen. Unebenheiten, auch noch so geringe, wurden mit winzigen Bambuskeilchen, »Polsterscheibchen« (垫板) genannt, auf den Millimeter genau ausgeglichen.
Andere Utensilien, ohne die ein echter Vogelliebhaber nicht angetroffen werden wollte: Stäbchen (食插) und Löffelchen (食匙) zum Austeilen der Futterportionen, Ziegenhaarpinsel (羊毫笔) zum Einflößen von Milch oder Wasser, Obstgäbelchen (果叉), Vogeldreckschäufelchen (粪铲), Gießkännchen (水壶), winzige Bambusbesen (小扫帚), Käfigbürstchen (笼刷子), Mörser (研钵) zum Zerreiben von Futter und ein Sieb (帅子) für den Sand eines Lerchenkäfigs. Für Drosselliebhaber gab es noch eine Flöte (哨子) zum Imitieren der Laute eines Weibchens. Sie bestand aus zwei zusammengeschweißten Kupfer- oder Silberplättchen, von denen eines konvex (凹) und das andere konkav (凸) war; die Plättchen hatten auf beiden Seiten ein Loch, das auf der konvexen Seite kleiner war als auf der konkaven. Blies man durch die Löcher, ertönte der typische Ruf eines Weibchens: »di di di« (嘀嘀嘀). (Nebenbei bemerkt: Die Gaumenpfeifen meiner Kindheit beruhten auf dem gleichen Prinzip: gezackte, halbrunde und durchlöcherte Plättchen aus Karton von ca. zwei Zentimetern Durchmesser und eine darunter sitzende, ebenfalls halbrunde von einem Metallring gehaltene Membran. Sie funktionierten so wie das Pfeifen auf Grashalmen. Man legte das Blättchen mit der geraden Seite nach vorne auf die Zunge, wartete, bis die Spucke den Karton aufgeweicht hatte, hob das Blättchen dann mit der Zungenspitze an den Gaumen und ließ durch den geöffneten Mund Luft ausströmen, die man durch Lippe und Zunge so regulierte, dass ein vogelähnliches Zwitschern ertönte, mit dem wir miteinander sprachen: Verständigten sich die Chinesen untereinander nicht auch so?)
Gestelle. Die elegantesten waren die waagerecht gehaltenen sogenannten Stöckchen (直架), die den unter dem Arm geklemmten sticks englischer Offiziere glichen. Dort, wo der Vogel sozusagen seinen Nistplatz (栖止) hatte, befand sich ein wulstiger Kranz aus Zwirn (bei besseren Stöcken Seidenzwirn), der dem Vogel einen rutschfesten Halt bot. Noble Stöcke waren aus Quittenholz (花梨 bzw. 木瓜, Pseudocydonia sinensis) – das Material der Wahl für sticks oder »Krücken« aus blut- bzw. purpurrotem indischem Sandelholz (紫檀) oder blauschwarzem Ebenholz (乌木). Solche aus dem bereits erwähntem »Sechs-Wege-Holz« (六道木, Abelia chinensis), aus Dattelholz (枣木), aus dem auch die Stiele von billigen Opiumpfeifen gefertigt wurden, oder aus »braunem« oder »bitterem Sandelholz« (黄檀 bzw. 苦檀, Dalbergia hupeana) galten als weniger elegant.
Bei den senkrecht gehaltenen Stöcken für Spielvögel (insbesondere für Kernbeißer und Kreuzschnäbel), den sogenannten »Steckstangen« (戳干, hierzu bei Spielvögeln mehr), waren beide Enden eingefasst in Messing oder Kupfer, das obere zur Zierde, das untere zum Feststecken in Mauerlöcher – das grandios baufällige und verschlissene Peking war voll davon.
»Krücken« (曲架) waren rechtwinklige Ständer, die aussahen wie das chinesische Zeichen 可 ohne das kleine Quadrat im Inneren: ein gerade gewachsener Stock (架干), das »Rückgrat«, und ein kürzeres, oben abschließendes Querholz (架拐). Um das »Rückgrat« besser in den Erdboden feststecken zu können, war das untere spitze Ende, »Locher«, »Punzer« oder »Stecher« (戳子) genannt, in Metall gefasst: Eisen (铁), Stahl (钢), Kupfer-Nickel (白铜) oder Messing (黄铜). Die elegantesten »Krücken«, beispielsweise solche aus der Werkstatt von »Zhao dem Halbverrückten« (半疯子赵), der die seinige außerhalb des »Westtors« (西直门) hatte, waren aus glatt poliertem oder schwarz lackiertem Dattelbaumholz (枣木): ausgesuchte Äste, die man noch am Stamm in eine rechtwinklige Form gebogen und dann hatte weiterwachsen lassen. Kunden, an denen Zhao Gefallen fand, erhielten die »Krücken« zum halben Preis, deswegen der Beiname »der Halbverrückte«.
»Bühnen« (亮架, wörtlich: »helle (i. e. offene) Gestelle«, ein Terminus technicus aus der klassischen chinesischen Oper) hatten anders als »Krücken«, auf denen man die Vögel ausführte, als Stand- oder Hängegestelle einen festen Platz zu Hause.
Standgestelle bestanden in der Regel aus einem rechteckigen, ca. dreiunddreißig Zentimeter (一尺) langen und fünfzehn Zentimeter (五寸) breiten hölzernen Postament, das von einer ca. drei Zentimeter (一寸) hohen Leiste umrahmt war. Auf jeder der Breitseiten stand ein Pfosten, der mit dem auf der anderen Seite durch zwei übereinander angebrachte Querstreben verbunden war. Die obere Strebe gab dem Gestell Halt, die untere diente dem Vogel als Sitzstange und Laufsteg (鸟杠). An beiden Enden waren Fress- und Trinknäpfchen angebracht.
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