Erika schluchzt. Mieke Janßen beruhigt sie. »Wir werden uns zunächst mit Ihrem Mann unterhalten, aber später auch noch mit Ihnen.«
Er hört es und sieht Mieke scharf an. »Ich darf vorangehen?«, sagt er.
Auf dem Weg ins Arbeitszimmer wirft Mieke dem Veilchen einen kurzen Blick zu. Das ist keine normale Vernehmung. Hier geht was. Sie sieht das Veilchen knapp nicken. Banafsheh hat es auch so wahrgenommen.
Das Arbeitszimmer ist sehr geräumig. An der Wand hinter dem Schreibtisch hängt ein präparierter Hecht; Jan Christoffers hält sich einiges darauf zugute, ein erfolgreicher Sportangler zu sein, den Hecht hat er selbst gefangen. Er bemerkt den Blick der Oberkommissarin. »Im Kanal«, sagt der Kaufmann stolz und fügt an: »73 Zentimeter, fast acht Kilo schwer. Fängt man auch nicht alle Tage.«
»Sie angeln regelmäßig?«, fragt ihn das Veilchen.
Christoffers schüttelt den Kopf. Dazu habe er nicht die Zeit. »Vor allem dann, wenn ich Ruhe und Entspannung brauche, um mich abzulenken«, sagt er.
»Abzulenken? Wovon?«
»Von Ärger und Stress. Von irgendwelchen Lasten halt.«
»Kann es sein, dass Sie deshalb zurzeit besonders häufig angeln?«, setzt das Veilchen spontan nach.
Jan Christoffers versteht die Frage nicht. Er versucht es mit Humor. »Wie kommen Sie denn auf dieses schmale Brett?«, fragt er grinsend, aber der Scherz wirkt aufgesetzt.
Sie stehen da und betrachten den präparierten Hecht. Mieke glaubt, das Tier zu riechen. Sie fühlt sich nicht besonders wohl dabei. Alle drei stehen noch, als sie ihren ersten Pfeil abschießt. »Sie haben Ihrer Frau gesagt, das hier sei Ihre Sache? Was ist hier Ihre Sache, Herr Christoffers?«, fragt die Oberkommissarin. Ihre Stimme ist ruhig, fast bedächtig, aber da schwingt ein Vorbehalt mit, das hört man deutlich.
Der Kaufmann lässt sich mit einem Stöhnen in den Drehstuhl fallen, er deutet auf die beiden Stühle vor dem Schreibtisch. »Ach, Sie wissen doch, wie Frauen sind!«, nörgelt Christoffers, dann ruckt er hoch. Er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat. »Nein, entschuldigen Sie, nicht die Frauen. Meine Frau. Erika ist null belastbar. Sie kippt sofort aus den Pantinen, bei der kleinsten Schwierigkeit.«
»Schwierigkeit? Das müssen Sie uns erklären«, sagt Mieke, mit einem Mal fast eisig.
Der Hausherr rudert mit den Armen. »Nun ja, dieser Mord. Der Tod von Albert. Auf diese grausame Art. Das alles nimmt Erika unheimlich mit. Sie wäre kein nützlicher Gesprächspartner in dieser Lage, glauben Sie mir.« Dazu schweigt Mieke Janßen.
Das Veilchen beugt sich vor. »Ihre Frau hat gesagt, dass Sie nichts zu verbergen haben. Wie kommt sie auf den Gedanken, wir könnten glauben, Sie hätten etwas zu verbergen?«
Jan Christoffers wirft sich so heftig in seinem Drehstuhl zurück, dass die Lehne quietscht. »Na, bitte! Da haben Sie es. Erika ist völlig mit den Nerven fertig. Brutal am Boden. Und dann redet sie Unsinn. Selbstverständlich haben wir nichts zu verbergen, aber ebenso selbstverständlich ist diese Feststellung überflüssig.«
Die Tür öffnet sich und Erika Christoffers erscheint mit einem Tablett. Sie hat Kaffee und Tee gekocht. Stumm setzt sie alles auf dem Schreibtisch ab und verschwindet wieder, nicht ohne ihrem Mann einen bohrenden Blick zuzuwerfen. Er starrt ihr nach, bis sie das Arbeitszimmer verlassen hat. Dann bedient er die beiden Frauen mit Tee, er selbst trinkt einen Kaffee. Seine Hand zittert, als er den Becher anhebt. Er sieht, dass sie es bemerken. »Es tut mir leid. Mich selbst fasst die Sache natürlich auch an, aber ganz gewaltig. Schließlich war Albert Ukena mein Freund.«
Sie nicken. Die nächsten Fragen stellt wieder das Veilchen. Sie spricht sachlich und routiniert. Joostens Verhältnis zu Ukena, der Freundeskreis. Hatte Albert Ukena in diesem Kreis Männer, die er besonders mochte? Waren Leute darunter, die er eher nicht mochte? Zu allen Fragen gibt Christoffers plausible Antworten. Aber er wirkt oft hektisch und ausschweifend. Das unterscheidet ihn von den bisher Befragten; der Kaufmann redet mehr, als er muss. Deutlich mehr. In diesem Männerkreis seien alle gleich, jeder möge jeden, jeder könne mit jedem, es gebe keinen Missklang zwischen ihnen, nicht den geringsten. »Wir sind Freunde, das möchte ich betonen. Gute und alte Freunde.« Fragen zur Familie des Ermordeten beantwortet Jan Christoffers wie einer, der eine Ware anbietet. So feine Leute. Honorig. Gediegener, alteingesessener Stadtadel, das sagt er tatsächlich. Er redet noch, als Mieke ihm schon längst eine weitere Frage stellt. Sie muss ihre Frage sogar wiederholen, weil er sie in seinem Wortschwall nicht erfasst hat. »Hatte Albert Ukena Feinde?«
Seine Antwort kommt wie ein Reflex, sie scheint unüberlegt. »Natürlich!«
Die beiden Frauen sehen sich an. Dann ihn. »Natürlich?«
Jan Christoffers setzt den Becher hart ab und richtet sich in seinem Stuhl auf. »Natürlich. Mindestens einen Feind muss er ja wohl gehabt haben. Sonst wäre er nicht tot.«
Mieke hakt sofort nach. »Sie glauben also nicht an einen Zufall?«
Jetzt wird Christoffers doch unsicher. Es dämmert ihm, dass er sich in Schwierigkeiten redet. Er senkt einen Augenblick den Kopf. »Na, wissen Sie, Albert ist beim Joggen. Der Kerl lauert im Gebüsch und sticht ihn ab. Kann das Zufall sein?«
»Und das Motiv?«, fragt Banafsheh.
Tja, das Motiv. Jan Christoffers streift die rassige Frau mit einem verwirrten Blick. Er begreift, dass es nun eng für ihn wird. Er beginnt zu faseln. Reiche Leute haben immer Neider. Das viele Geld. Man hält damit ja nicht zurück, es ist für jedermann sichtbar. Das ruft Gesindel auf den Plan.
»Sie wollen also sagen, der Mörder hat Albert Ukena nur umgebracht, weil der reich war? Ohne selbst einen Nutzen davon zu haben? Hatte Ukena Geld bei sich? Ist er beraubt worden? Das ist doch alles Unsinn, Herr Christoffers«, befindet Mieke scharf. Dann beugt sie sich vor. »Ich wiederhole meine Frage: Hatte Albert Ukena Feinde?«
Jan Christoffers starrt sie an. Dann schüttelt er den Kopf. Er war ungeschickt, hat vielleicht sogar eine Dummheit gemacht, und er weiß es.
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