Sylvia Englert - Der Delfinmensch

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Einmal ein Delfin sein … Christians Wunsch wird schneller wahr, als er gedacht hatte. Doch der Handel, den er dafür mit der Seehexe eingegangen ist, erweist sich als richtig schlechtes Geschäft. Und er hat nicht damit gerechnet, dass er sich unter Wasser verlieben könnte. Ohne Kiri will er nicht leben, doch kann er wirklich auf das Menschsein verzichten? Als Kiri in höchster Gefahr schwebt, muss auch sie sich entscheiden – zwischen Christian und dem Meer …

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Sylvia Englert

Der Delfinmensch

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Inhaltsverzeichnis

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Verwandlung

Die Vielen-vom-Küstenschelf

In den Tiefen des Meeres

Verhängnis

Wie entführt man einen Delfin?

Fester Boden

Abschied

Duell

Epilog

Impressum neobooks

Verwandlung

Was hat der Deckel einer Margarinedose mit einer Kreuzfahrt zu tun? Bis vor kurzem wusste das Christian auch noch nicht. Er hatte längst vergessen, dass er eines Morgens das Preisausschreiben auf einem Margarinedeckel mitgemacht, den Deckel in einen Umschlag gezwängt und die ganze Bescherung (Fettflecken inklusive) in den Briefkasten geworfen hatte. Aber offensichtlich hatte ihm irgendein Engel die Daumen gedrückt, denn wenige Wochen später stand er auf dem Deck der Poseidon , er hatte eine Kreuzfahrt zu den Bahamas gewonnen. Er ahnte nicht, dass diese Reise ihn für immer verändern würde.

Christian war Student, er wollte Tiere heilen lernen und kam seinem Ziel mit jedem Semester näher. In seinem Pass standen nur langweilige Dinge wie "Keine besonderen Kennzeichen", und kein Zollbeamter hätte einen zweiten Blick auf ihn geworfen. Aber in seinem Kopf gaben sich abenteuerliche Ideen die Klinke in die Hand. In den letzten Ferien war er mit einem Jeep durch die Sahara gefahren. In den nächsten Ferien wollte er mit einem Schlauchboot den Amazonas hinunter schippern. Nur schade, dass er ein Mensch ohne jeden Sinn fürs Praktische war und unweigerlich jedes Mal vergaß, das Wichtigste einzupacken.

Auf der Poseidon langweilte er sich schrecklich. Obwohl der Luxusliner über mehrere Boutiquen, eine Auswahl an Bars und sogar einen Friseur verfügte, kam Christian nicht auf seine Kosten. Er fühlte sich in Boutiquen fehl am Platz, mochte keinen Alkohol und ließ sich außerdem die Haare wachsen. Daher planschte er in dem winzigen runden Swimmingpool auf dem Oberdeck herum, las in Standardwerken der Veterinärmedizin oder faulenzte in einem Liegestuhl.

Eines Morgens – er brütete gerade über dem Kapitel über Innere Parasiten – begannen sich die Menschen an Deck zu regen, sich gegenseitig zuzurufen und zur Reling zu gehen. Als die Liegestühle um ihn herum längst verwaist waren, fiel diese Tatsache schließlich auch Christian auf. Er legte sein Buch weg, schlenderte zum Bug, ergatterte sich einen Platz an der Reling und blickte ins Meer.

Drei Schatten glitten durch die Bugwelle, die wie Kristall über ihre Körper floss. Übermütig tauchten sie durch das eisblaue Wasser und hielten mühelos Schritt mit dem schnellen Schiff, ihrem riesigen weißen Spielzeug. Einer von ihnen sprang so hoch er konnte, als wolle er sich über die Schwerkraft lustig machen. Er zeichnete einen weiten Bogen in die Luft und tauchte wieder ein in die Gischt. Hingerissen beobachtete Christian hoch über ihnen, wie die Delfine in der Bugwelle spielten.

"Auf meiner letzten Kreuzfahrt sind sie fast jeden Tag gekommen", sagte eine Frau neben ihm.

"Man bekommt richtig Lust mitzumachen", sagte Christian.

"Nicht wahr?" meinte die Frau.

Über eine Stunde vergnügten sich die Delfine mit der Poseidon , dann drehten sie ab und verschwanden.

"Ich wäre gerne mal ein Delfin", sagte Christian laut. Doch es kam keine Antwort. Die Frau neben ihm war längst weggegangen.

***

In der nächsten Nacht schlief Christian schlecht. Vielleicht lag das daran, dass nach den ersten, schönen Tagen nun der Wind stärker und die Wellen höher geworden waren. Hunderte von Landratten kullerten in dieser Nacht jämmerlich in ihren Kojen von einer Seite auf die andere. Schließlich hatte Christian die Nase voll und ging an Deck. So bekam er, wenn schon keinen Schlaf, dann doch wenigstens eine Lunge voll frischer Seeluft.

Er wanderte über das menschenleere Oberdeck, lehnte sich an die Reling und blickte die hohe Bordwand hinunter. Das Meer war sehr weit weg, aber es machte sich dennoch bemerkbar. Im Sekundentakt klatschten vom Mondlicht versilberte Wellen dröhnend an den Rumpf des großen Schiffs.

Plötzlich hörte Christian eine Stimme rufen. Er lauschte ungläubig. Die Rufe kamen ja vom Meer dort unten! War etwa jemand über Bord gegangen?

"He, du!"

Das klang nicht gerade, als sei ein Mensch in Not. Christian kniff die Augen zusammen und spähte nach unten. Im Mondlicht war die Wasseroberfläche gut zu erkennen – und da unten war etwas. Ein Mensch? Nein, nicht ganz! Christian kratzte sich am Kopf. Was konnte das da sein? Eine Seekuh? Aber die waren angeblich scheu und nicht gerade dafür bekannt, dass sie Touristen auf Kreuzfahrtschiffen anquatschten.

"Nee, du bist auf einer ganz falschen Spur, Mensch. Ich bin eine See hexe “, keckerte das Wesen. Es musste ziemlich laut sprechen, damit Christian an Deck es verstehen konnte. "Ich habe dir einen Vorschlag zu machen."

Der Mond kam hinter einer Wolke hervor, und Christian konnte Einzelheiten des seltsamen Besuchs erkennen.

"Wenn ich gewusst hätte, dass es im Meer so hässliche Wesen gibt, wäre ich neulich nicht so weit hinausgeschwommen", grauste sich Christian.

"Das habe ich nicht nötig, mir so etwas sagen zu lassen." Beleidigt verschränkte die Seehexe die Arme und blickte hochmütig weg. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Christian, ob ihre vernichtende Ablehnung schon Wirkung zeigte.

Aber Christian lachte nur. Als moderner Mensch und angehender Mediziner hatte er keine besondere Angst vor Hexen. Wenn man nicht an sie glaubt, tun sie einem nichts, so einfach ist das, dachte Christian. "Also, was hast du mir anzubieten?"

"Äh, du könntest deine Wünsche ... blubb.." Eine besonders hohe Welle vom Schiffsbug überspülte die Seehexe. Prustend kam sie wieder an die Oberfläche und krächzte: " ...wahr machen. Einmal ein Delfin sein, nicht wahr, das willst du doch? Es ist ganz einfach. Für mich eine Kleinigkeit. So etwas mache ich jeden Tag."

"Gib nicht so an", sagte Christian. "Was würde ich dafür tun müssen?"

"Für dich mach ich's umsonst", sagte die Seehexe mit einem boshaften Glitzern in den Augen. "Ich gebe dir einen meiner Zauberringe. Aber wenn du das Ding verlierst, musst du mir sieben Jahre dienen. Und wenn du dich in einen Menschen zurückverwandelt hast, brauche ich ihn zurück."

"Dann verliere ich ihn lieber nicht", sagte Christian und musterte die Seehexe mit einem Anflug von Ekel. "Kann ich mich damit jederzeit zurückverwandeln?"

"Natürlich! Das heißt, immer bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang", keckerte die Hexe. "Schau, hier ist er."

Ein kleiner, glitzernder Gegenstand flog über die Reling und kollerte über das Deck. "He!" rief Christian und rannte hinterher. Kurz bevor der Ring sich unauffindbar in irgendeine Ritze verkriechen konnte, klatschte ihn Christian mit der flachen Hand aufs Deck.

"Puh, das war knapp!", keuchte er und steckte ihn sich sofort an den Finger. Dann ging er wieder zur Reling und blickte ins dunkle Wasser, wo die Hexe enttäuscht im Meer plätscherte.

"So, und was jetzt?"

"Zum richtigen Zeitpunkt musst du ihn mit Meerwasser befeuchten und sagen: `Einst ein Mensch, nun ein Delfin.' Willst du wieder zurück, dann brauchst du nur wieder auf einen Sonnenaufgang oder -untergang zu warten. Halt den Ring an die Luft und sag: `Einst ein Delfin, nun ein Mensch'. Ganz simpel."

"Werd ich schon schaffen", sagte Christian fröhlich. "Die Sonne geht gleich auf, da kann ich es ausprobieren."

"Na dann viel Spaß!", schrie die Meerhexe und verschwand schadenfroh glucksend im dunklen Wasser.

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