Kinder reagieren zunehmend depressiv, weil sie hin- und hergerissen werden;
Kinder sind verwirrt, was Werte wie Liebe, Ehe, Treue und Zuverlässigkeit angeht. Die Eltern haben viele Werte infrage gestellt.
Kanadische Psychologen haben untersucht, wie und durch wen Werte in der Familie weitergegeben werden. Sie befragten 32 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 20 Jahren. Fast alle Jugendlichen konnten berichten, dass Eltern und Großeltern ihnen Geschichten über Werte erzählt hatten. Häufig seien es Themen gewesen, die sich mit Hilfe, Mitleid und Unterstützung für andere beschäftigt hätten. Als diese Jugendlichen später im Alter von 24 Jahren noch einmal befragt wurden, gaben sie an, dass besonders Eltern und Großeltern ihnen Vorbild gewesen seien. Sie hätten ihnen in erster Linie Werte vermittelt.
Die Familie ist eine Solidargemeinschaft
Das Wort Solidarität meint Zusammengehörigkeitsgefühl, Gemeinsinn, Übereinstimmung. Für das Zusammenleben von Menschen auf dieser Erde sind diese Einstellungsmuster lebensnotwendig. In der Bibel sprechen wir von Nächstenliebe. Und in der Familie realisieren verantwortliche Eltern und Erzieher diese Umgangsmuster.
Hier lernen junge Menschen, dass wir
füreinander einstehen,
füreinander sorgen,
füreinander Hilfen bereitstellen.
Eltern und Kinder sind sich nicht gleichgültig. Entscheidend ist ein vertrauensvolles Verhältnis. Jeder achtet jeden. Jeder kümmert sich um jeden. Jeder fühlt sich für den anderen verantwortlich. Wenn das von klein auf nicht gelebt und vorgelebt wird, werden Egoismus und Selbstsucht uns ruinieren.
Kinder brauchen die Orientierung im Elternhaus
Leider ist es heute so, dass die Orientierung des jungen Menschen immer mehr von Umwelt und Außenwelt gesteuert wird. Die gesellschaftlichen Einflüsse spielen eine immer größere Rolle. Es fällt ihnen zunehmend schwerer, in den pluralistischen Angeboten den richtigen Weg zu finden. Alle Werte werden zerpflückt und infrage gestellt. Betont werden:
Selbstverwirklichung,
Auflehnung und Prostest gegen die Eltern,
Wendung nach innen,
Infragestellen von Idealen und Ordnungen,
Isolationsbestrebungen und
Suche nach eigenen Werten und Standpunkten.
Die Geborgenheit geht verloren. Das Elternhaus kann den Zwiespalt der Kinder und Jugendlichen oft nicht verhindern. Sie werden von Fragen erdrückt: Wer bin ich? Was bin ich? Warum bin ich? Was soll ich hier in dieser Welt?
Viele fühlen sich hin- und her gerissen und empfinden das Leben als fragwürdig. Etliche werden völlig verunsichert und geraten in eine Identitätskrise.
Die Folgen sind: Nicht wenige fallen in kindliche Verhaltensweisen und Abhängigkeiten zurück. Sie geben sich schwach und hilflos und wollen weiterhin betreut und bemuttert werden. Heute spielt das sprichwörtliche „Hotel Mama“ eine große Rolle. Jugendliche und junge Erwachsene passen sich an und warten auf die Entscheidungen der Eltern.
Andere brechen aus. Sie geben die Geborgenheit im Elternhaus auf und wagen den Sprung ins kalte Wasser. Sie gehen Risiken ein, verschätzen sich gewaltig und landen bei Drogen oder in der Kriminalität. Wieder andere geraten an Sektierer und treten extremen Gruppen oder Sekten bei.
In diesem Selbstfindungsprozess benötigen Kinder und Jugendliche Eltern, die Vertrauen schenken, die Orientierung geben, die Vorbilder sind, die ermutigen können und die -ohne Gewalt und ohne Druck und Manipulation - den Kindern beistehen.
Kapitel 2
Was verantwortliche Elternschaft bedeutet
Neben den Einflüssen, die durch Vererbung und Konstitution, durch Familie, Erziehung, Sozialisation und Umwelt charakterisiert sind, hängt es vom Kind ab, wie es diese Einflüsse interpretiert und bewertet. Das Kind reagiert nicht nur, sondern nimmt an seinen Erlebnissen aktiv Anteil. Es ist darum nicht wichtig, was ein Kind mit auf die Welt bringt, sondern was es damit anfängt.
Verantwortliches Erziehen beinhaltet Glaubwürdigkeit
Viele Eltern leiden unter Glaubwürdigkeitsproblemen. Darum können Werte und Normen, Beziehungs- und Liebesfähigkeit im Familienleben nicht verwirklicht und gefördert werden. Wenn Eltern nicht verantwortlich denken und handeln, machen Kinder, was sie wollen. Die Eltern-Kind-Beziehung ist von fehlendem Vertrauen gekennzeichnet.
Glaubwürdigkeit heißt:
Leben und Reden müssen identisch sein,
Eltern und Erzieher müssen vertrauenswürdig sein,
Eltern und Erzieher müssen verlässlich sein,
Eltern und Erzieher dürfen Kinder nicht hintergehen.
Wehe, wenn Eltern anders leben als sie reden! Sie verunsichern und schenken keine Geborgenheit.
Glaubwürdige Eltern sind verlässlich.
Glaubwürdige Eltern machen den Kindern und anderen Menschen nichts vor.
Glaubwürdige Eltern können ihre Fehler eingestehen. Sie können sich entschuldigen, wenn sie gelogen, unnötig geschimpft und sich ungerecht verhalten haben. Wer unglaubwürdig handelt, untergräbt die Werte, die er vermitteln will.
Verantwortliches Erziehen beinhaltet Gerechtigkeit
Menschen, die verantwortlich denken, handeln gerecht. Wer verantwortlich denkt, verhält sich gerecht gegenüber gegensätzlichen Parteien. Er handelt unparteiisch und vermittelt zwischen rivalisierenden Gruppen. Die Justitia, die Gerechtigkeit, wird seit dem Mittelalter mit dem Symbol der Waage dargestellt.
Das heißt:
sie wägt ab,
sie verkündet gerechte Urteile,
sie hat eine Binde vor den Augen, um zu zeigen, dass sie alle Menschen gleich behandelt,
sie sieht die Sache an, nicht die Person.
Im christlichen Verständnis ist Gerechtigkeit der Maßstab für ein Verhältnis, und zwar für ein Verhältnis
zwischen Mensch und Gott,
zwischen Mensch und Mensch,
zwischen Mensch und Tier.
Wir kennen in unserem Sprachgebrauch die Wendung „jemandem gerecht werden.“ Sie kommt dem biblischen Begriff der Gerechtigkeit nahe. Gerechtigkeit ist hier eine Frage der Beziehung. Gerecht sein heißt in der Bibel: den Ansprüchen des jeweiligen Gemeinschaftsverhältnisses gerecht werden.
Verantwortliche Eltern erziehen zur Verantwortung
In der 68er Bewegung wurde die Verantwortung stiefmütterlich behandelt. Der Begriff passte weitgehend nicht in die pädagogische Landschaft. Damals wurden Begriffe favorisiert wie Selbstbefreiung, Selbstverwirklichung, Erziehung zum Ungehorsam und Erziehung zur Selbstregulierung.
Das eigene Glück,
die eigene Lust,
die eigene Befriedigung und
der eigene Genuss standen im Vordergrund.
Ganz zweifellos haben diese Erziehungsstile viele Eltern bis heute beeinflusst.
Aber das Sein des Lebens ist Verantwortlich-sein, und zwar für mich und für andere. Viele Menschen handeln nicht verantwortungslos, weil sie krank sind, sondern sie sind krank, weil sie verantwortungslos handeln.
Kinder und Heranwachsende müssen lernen, - konsequent ihren Anteil bei allen Problemen zu tragen, - ständig die Realität im Auge zu haben und nicht eine Illusion,
keine Ausrede und die Flucht in die Verantwortungslosigkeit zu suchen,
glücklich, zufrieden und voller Freude zu sein, wenn sie verantwortlich denken und handeln.
Eltern und Erzieher müssen dem Kind unaufhörlich verdeutlichen, dass es nicht in erster Linie ein Opfer der Umstände ist, sondern ein Entscheidungen treffendes Wesen. Wer sich nicht verantwortlich fühlt,
schiebt die Schuld auf andere,
schiebt die Schuld auf die Eltern,
schiebt die Schuld auf die Umstände,
schiebt die Schuld auf Gott selbst.
Das Neue Testament legt Wert darauf, dass wir Menschen geradestehen für das, was wir gedacht und getan haben. „Jeder von uns wird Gott für sein eigenes Tun Rechenschaft ablegen müssen. Wir wollen daher aufhören, uns gegenseitig zu verurteilen“ (Römer 14,12 - 13).
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