„Also, wenn sie Ihnen etwas von ihren Dosensuppen abgegeben hat, dann muss sie Sie wirklich ins Herz geschlossen haben“, bemerkte er in scherzhaftem Ton.
Das war schon möglich, aber Eden hatte nicht vor, diese Gastfreundschaft auszunutzen. „Also …“, sagte sie und machte einen Schritt Richtung Flur. „Dann werde ich jetzt mal Jack wecken, und in ein paar Minuten sind wir dann auch schon verschwunden. Sie können Paige ausrichten …“
„Also eigentlich …“, sagte er und machte wieder einen Schritt auf sie zu, „… bin ich gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich zusammen mit Paige und meinen Brüdern zu dem Schluss gekommen bin, dass wir doch einen Job für Sie haben.“
Wollte er ihr etwa weismachen, dass sich zwischen gestern Abend und heute Morgen ein neuer Job aufgetan hatte? Sie mochte zwar völlig mittellos und ohne Dach über dem Kopf sein, aber sie war nicht dumm. Sie merkte, wie ihr die Röte vom Hals aufwärtsstieg, und fand es ganz furchtbar, dass sie es sich nicht leisten konnte, ein Angebot, wie auch immer es aussehen mochte, auszuschlagen.
Deshalb hob sie fast ein wenig trotzig das Kinn, versuchte zu lächeln und sagte: „Ach ja?“
„Unsere Tante Trudy, die mit mir und meinem Bruder Riley auf der Farm lebt, hat sich das Bein gebrochen und liegt im Krankenhaus, wird aber demnächst entlassen. Sie wird allerdings noch eine ganze Weile Hilfe brauchen und muss außerdem ein paarmal in der Woche zur Physiotherapie in die Stadt begleitet werden. Ich habe im Moment sehr viel mit der Weihnachtsbaumplantage zu tun, denn wir öffnen am Tag nach Thanksgiving. Riley arbeitet mit mir zusammen auf der Farm, und Zac – das ist unser anderer Bruder – leitet das Roadhouse. Das ist ein Lokal etwas außerhalb der Stadt direkt am Meer“, erklärte Beau.
„Da habe ich gestern auch nach einem Job gefragt“, erinnerte sie sich. „Ich glaube, ich habe dort mit einem Kellner gesprochen.“
„Das kann sein“, sagte Beau daraufhin. „Zac stellt im Moment nicht ein.“
„Ja, das hat man mir auch gesagt“, bestätigte sie.
„Also, noch einmal zurück zu dem Job bei uns auf der Farm … unsere Tante muss also zu ihren Therapieterminen begleitet werden, aber noch wichtiger ist, dafür zu sorgen, dass sie sich möglichst ruhig verhält. Wir brauchen für fünf bis sechs Wochen – also etwa bis Weihnachten – jemanden, der den Haushalt führt. Sie müssten kochen, putzen und sich um die Wäsche kümmern – und Tante Trudy zur Therapie fahren.“
Das klang eigentlich nach einem ganz guten Angebot, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass er noch irgendetwas zurückhielt. Und außerdem war sie für diese Tätigkeit eigentlich überhaupt nicht qualifiziert. Doch im Moment hätte sie sogar eine Stelle als Buchhalterin angenommen und auch falsche Aussagen über ihre Qualifikation gemacht, um an einen Job zu kommen.
„Also wir bräuchten möglichst schnell jemanden – genau genommen in ein paar Stunden. Um die Referenzen können wir uns ja auch nachträglich noch kümmern. Könnten Sie sich vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen?“
In Gedanken ging sie noch einmal durch, was dagegensprach, und zwar erstens, dass sie keine Referenzen vorzuweisen hatte, und zweitens, dass sie keine Papiere hatte, weder Ausweis noch Führerschein, noch sonst etwas. Vielleicht würden sie sie ja auch schwarz arbeiten lassen, aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.
„Ja, klar“, antwortete sie deshalb. „Vielen Dank.“
Er nannte ihr das Gehalt und fügte dann noch hinzu: „Paige hat gesagt, sie würde Ihnen gern als Teil der Vergütung das Zimmer vermieten – wenn es Ihnen recht ist. Sie müssten es allerdings mit Ihrem Sohn teilen.“
Eden atmete einmal ganz lange und langsam aus. Dass es ihr recht war, drückte nicht annähernd aus, wie erleichtert und dankbar sie über diese Regelung war. So dankbar, dass sie einen Kloß im Hals hatte und heftig schlucken musste.
„Das … also das ist wirklich großartig. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen allen bin.“
„Ach was …“, sagte er achselzuckend. „Wir brauchen eine Haushälterin, und Sie brauchen einen Job – das passt doch perfekt.“
Wo er recht hatte, hatte er recht.
Als ihr jetzt die Tränen kamen, blinzelte sie sie weg und saugte den warmen Blick seiner schokoladenbraunen Augen auf. Dabei merkte sie, dass dieser Blick nicht mehr mitleidig war, sondern einfach mitfühlend.

Die Frau um die sechzig, die in dem provisorischen Schlafzimmer in einem Doppelbett lag, schaute Eden finster an. Sie hatte silbergraues Haar, ein schmales Gesicht und auffällig blaue Augen. Um die Augen herum hatte sie ein Gespinst aus feinen Fältchen, aber die beherrschenden Linien in ihrem Gesicht waren die beiden senkrechten Falten zwischen ihren spärlichen Augenbrauen. Ihr eines Bein war eingegipst und lag steif und klobig auf dem hellblauen Bettlaken.
„Wer ist denn das?“, fragte Miss Trudy missmutig.
Beau lächelte Eden entschuldigend an und sagte dann zu seiner Tante: „Also wirklich, Tante Trudy, so kannst du doch nicht mit einem Gast umgehen! Kate wird uns den Haushalt führen, und es wäre vielleicht klüger, ein bisschen netter zu ihr zu sein.“
Daraufhin wurde Miss Trudys Blick noch finsterer, und sie fragte: „Ihr habt einen Babysitter für mich engagiert?“
„Jetzt sei doch nicht albern“, sagte Beau. „Wieso sollten wir denn für dich einen Babysitter engagieren? Das ist Kate – und jetzt stelle ich gerade fest, dass ich Ihren Nachnamen noch gar nicht kenne.“
„Du hast also eine völlig unbekannte Person als Babysitter für mich eingestellt?“, fragte Miss Trudy empört.
Bei dem barschen Tonfall der Frau drückte sich Micah immer fester an Eden.
„Bennet“, sagte Eden auf Beaus Bemerkung und spürte, wie sie unter dem prüfenden Blick der älteren Dame rot wurde.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Trudy. Das hier ist mein Sohn Jack“, stellte sie sich und den Kleinen vor.
„Er bringt sicher ein bisschen Leben ins Haus, wenn ich bei der Arbeit bin“, sagte Beau.
„Ja, großartig! Bettruhe, Schmerzen und einen lärmenden Jungen im Haus. Genau, wie es der Doktor verordnet hat“, bemerkte die Frau mit Zynismus in der Stimme.
Beau warf Eden einen entschuldigenden Blick zu und sagte: „Tut mir leid. Normalerweise ist sie nicht so unleidlich. Na ja, eigentlich doch, aber sie hat einen weichen Kern. Man muss nur ein wenig graben, um ihn zu finden.“
Die Farbe, die ihr zu der direkten Art von Beaus Tante sofort in den Sinn kam, war Indigo. „Wir werden bestimmt gut miteinander auskommen“, sagte sie.
Beau überreichte ihr die Entlassungspapiere der Klinik mit den Anweisungen für zu Hause und sagte: „Miss Trudy soll nichts Schweres heben, aber daran wird sie sich nicht halten, und deshalb sollen Sie sie daran hindern, sich zu überanstrengen. Sie hat in der Klinik zwar Krücken bekommen, aber ich weiß nicht, wie sie damit zurechtkommt.“
„Ach, das bekommen wir schon hin. Mi … also mein Sohn hat sich auch einmal das Bein gebrochen, als er drei war. Wenn ich einen drei Jahre alten Jungen dazu bringen kann, sich ruhig zu verhalten, dann schaffe ich das bei Ihrer Tante bestimmt auch“, versicherte sie.
„Das habe ich gehört!“, war Tante Trudys empörte Stimme durch die Wand zu hören. „Ich bin kein Kind mehr, merkt euch das.“
Ups. Eden biss sich auf die Unterlippe.
Beau senkte die Stimme und sagte: „Ich hätte Sie warnen sollen. Sie hat ein geradezu bionisches Gehör.“
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