Zwischen 1994 und 1998 wurde im Braunkohletagebau Schöningen im Landkreis Helmstedt in einer als altsteinzeitliches Wildpferdjagdlager erkannten Fundstelle mit anderen Artefakten ein beidseitig sorgfältig zugespitztes Holzgerät gefunden, welches von den Archäologen als frühes Wurfholz interpretiert und auf ein Alter von mindestens 270 000 Jahren datiert wird.
Im Gegensatz zum Stein oder Metall ist Holz ein sehr vergängliches Material und so liegt aus frühester ägyptischer Zeit bislang kein einziges Exemplar vor. Das Fundstück aus Schöningen konnte nur überdauern, weil es in der Uferzone eines urzeitlichen Sees abgelegt und über Jahrtausende luftdicht von Seeschlamm abgedeckt worden war.
Die ägyptischen Wurfhölzer, soweit sie bekannt sind, haben ein flachovales Profil, in etwa die Länge eines Armes und sind in der Längsrichtung etwa am Übergang zum äußeren Drittel der Länge leicht gebogen.
Sie bestehen sowohl aus einfachem als auch aus mehrschichtig verleimtem Holz und sind zum Teil mit Einlegearbeiten aus Elfenbein und Ebenholz verziert, einige wenige sogar vergoldet.
Nachgewiesen sind sie vor allem aus der 18. Dynastie, in welcher sie allem Anschein nach die beliebteste Waffe für die Jagd auf Flugwild waren.
Eine Wandmalerei aus der etwa 1350 v. Chr. in Theben-West erbauten Grabkapelle des Nebamun und seiner Frau Iphone, heute im Britischen Museum, London, ausgestellt, zeigt den Beamten mit seiner Gattin in einem Nachen auf der Vogeljagd (Abb. 33). Anscheinend steht hier mehr der Nachweis des erreichten Wohlstands als die Jagd im Vordergrund, denn Iphone trägt, höchst unpraktisch bei der Jagd, einen Weihrauchkegel auf ihrer Perücke, ein Luxusgut der damaligen Zeit.
Abb. 33: Darstellung einer Vogeljagd mit Wurfholz.
Abb. 34: Ein Soldat der Hatschepsut mit Wurfholz.
Auch wenn im Totentempel der Hatschepsut im westthebanischen Deir el-Bahari, gegenüber des auf der anderen Seite des Nils gelegenen Karnak-Tempels, von der Expedition ins „sagenhafte Goldland“ Punt zurückkehrende Soldaten mit Wurfholz dargestellt sind (Abb. 34), dürfte eine Verwendung dieser Waffe im Kampf ausgeschlossen sein. Es ist anzunehmen, daß diese Soldaten die Aufgabe hatten, die Truppe mit frischem Geflügel zu versorgen.
Daß die Jagd mit dem Wurfholz ein wahrhaftig königliches Vergnügen gewesen sein muß, zeigte sich im Grab Tutanchamuns, dem jung verstorbenen Pharao wurden 14 seiner Wurfhölzer für sein unbeschwertes Weiterleben im Jenseits mitgegeben.
Im Anfang wohl keine königliche Waffe, durch ihre Effektivität aber zu einer solchen erhoben, war die ägyptische Kriegskeule, eine der ältesten in Ägypten gefundenen Nahkampfwaffen und eine der einfachsten überhaupt. – Ein Stock, an dessen einen Ende ein schwerer Stein befestigt ist.
Doch schon in weit vordynastischer Zeit war es mit dem „schweren Stein“ allein nicht mehr getan, die Steine für die Keulenköpfe wurden mit Bedacht sowohl nach Farbe und Maserung als auch nach ihrer Härte ausgesucht und nach der Zurichtung in vielen Fällen auf Hochglanz poliert.
Genommen wurde, was vorhanden war, vornehmlich Kalkstein; auch Porphyr, Syenit, Diorit, Breccia, Alabaster, Marmor, Basalt, und unterschiedliche Chloritgesteine wurden zu Keulenköpfen verarbeitet, gelegentlich ergänzt um Köpfe aus gebranntem Ton.
Der „Stein“ erhielt zur Aufnahme eines etwa 30 bis 40 cm herausragenden Schaftes eine durchgehende, zentrale Bohrung; der Schaft wurde mit Holzkeilen und mitunter auch zusätzlichen Lederriemen fixiert.
Funde aus dynastischer Zeit lassen den Rückschluß zu, daß die frühen Keulen im Griffbereich ebenfalls mit einer wie auch immer gearteten Struktur versehen waren, was die Griffigkeit der Keule deutlich steigerte. Am verbreitetsten war die Tellerkeule mit flachem, diskusförmigem Kopf, gefolgt von der Birnenkeule, der konischen und der runden Keule; daneben gab es „Sondermodelle“ wie die Hammerkeule mit ihren abgerundeten Spitzen an den beiden Enden des schmallangen Hammerkopfes (Abb. 20).
Manche dieser Köpfe sind erstaunlich klein, fast zierlich, insbesondere die birnenförmigen, die meist nur eine Höhe von weniger als 10 cm und eine Breite von weniger als 8 cm haben.
Das Verhältnis zwischen Schaftlänge und Gewicht des Keulenkopfes ermöglichte in Verbindung mit der Schnelligkeit des geführten Schlages eine ungeheure Energieabgabe am Aufschlagpunkt, ausreichend um Schädel und Knochen zu zertrümmern. Waren, wie beispielsweise bei vielen Tellerkeulen, die äußeren Partien nicht gerundet sondern eckig, wurden zumindest tiefe Fleischwunden gerissen14. Letztere dürften der Anlaß gewesen sein, daß auch die gerundeten Formen mitunter kantige Vorsprünge und Einschnitte erhielten.
Die hohe Zeit der Kriegskeulen war zwischen 3500 und 3000 v. Chr., bereits zum Ende der vordynastischen Zeit wurden sie vom leichteren Beil in zunehmendem Maß abgelöst und waren zu Beginn der dynastischen schließlich ganz verschwunden. Eine der letzten tatsächlichen Kriegskeulen aus der 1. Dynastie (Abb. 35) wurde in einem Grab in Saqqara gefunden und ist im dortigen Imhotep-Museum ausgestellt.
Abb. 35: Eine späte Kriegskeule aus der 1. Dynastie.
Doch überlebt hat die Keule (t#-Tbt n qnqn), wenn auch nicht als Kriegswaffe, sondern als Zeichen der Macht, als Kult- und Königswaffe (HD).
Die Schminckpalette des wohl letzten Königs der vordynastischen Zeit, Horus-Narmer (Nor-(mr)), bzw. Narmer, zeigt den Pharao, wie er den besiegten Feind mit der Linken am Schopf gepackt niederhält, in der Rechten die zum Schlag erhobene Birnenkeule (Abb. 36).
Diese Darstellung des „Erschlagens der Feinde“ ist verbindlich in den Kanon der ägyptischen Königsdarstellungen eingegangen und begegnet an den Tempelwänden bis zum Ende des Ägyptischen Reiches.
Abb. 36: König Narmer erschlägt den Feind.
Abb. 37: Nubische Bogenschützen nach einem Modell aus dem Grab des Gaufürsten Meseheti.
Die schwarzen Bogenschützen
Die Infanterie gilt allgemeinhin als das Rückgrat der Armee. Bei den Alten Ägyptern war sie die Armee.
Doch in den Anfängen des Reiches scheint es keine Armee gegeben zu haben, zumindest liegen keine entsprechenden Zeugnisse vor, was auf eine fast tausendjährige Periode relativen Friedens deutet, die mit dem Niedergang des Alten Reiches ihr Ende findet.
Vermutlich waren die ersten Truppen bewaffnete Expeditionen unter Führung eines Mitglieds des Königshauses, weit entfernt von dem, was wir heute unter dem umgangssprachlichen Begriff „Armee“ verstehen. Von ersten größeren Kriegszügen und damit indirekt von einer Armee, berichtet der sogenannte Palermostein, der seit 1877 im sizilianischen Regionalmuseum von Palermo aufbewahrt wird, ein Bruchstück des aus der 5. Dynastie stammenden Annalensteins.
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