Abb. 49: Ärmchenbeilklingen
Foto: Walther Wolf (1926)
Ein Sonderfall sind die Prunkbeile, Waffen, die keine Waffen waren und deren ältesten Vertreter uns aus der Ersten Zwischenzeit vorliegen.
Orientiert sind diese Beile (Abb. 51) überwiegend an den Gebrauchstypen des mittleren Alten Reiches.
Die Klingenblätter sind in der Mehrzahl durchbrochen aus Bronze gegossen, die schmuckvollen Schäfte bestehen meist aus Holz, selten auch aus Bronze oder Silber. Daß es keine Kampfbeile waren, beweist sich allein schon durch die Aussparungen in der Klinge, welche diese für den Kampf viel zu instabil machte.
Die Klingen wurden üblicherweise in eine entsprechend gearbeitete Längsrille des Schaftes eingelassen und mit einer aufwändigen Verschnürung aus Lederriemen gehalten.
Prunkbeile waren keine Dekoration oder dienten der Zurschaustellung eines gehobenen Lebensstils, sondern wurden, gleich einem Orden, für herausragende militärische Leistungen verliehen. Doch anders als ein Orden konnte ein Prunkbeil auch den militärischen Rang ausweisen und in dieser Verbindung die Funktion eines Kommandostabes erfüllen.
Nicht auszuschließen ist, daß diesen Beilen in Abhängigkeit vom in der Klinge dargestellten Motiv ein apotropäischen Charakter zugesprochen und sie im Krieg als Amulett mitgeführt wurden.
Abb. 50: Beilkeulen
Ihren Anfang als Amulett könnten auch die seit vordynastischer Zeit nachgewiesenen „Fliegenanhänger“ genommen haben, die seit dem Beginn des Neuen Reiches als Tapferkeitsauszeichnung verliehen wurden.
Diese Anhänger sind stilisierte Nachbildungen von Fliegen aus mit Blattgold belegter Bronze, aus Gold oder aus Elfenbein, die am „Kopf“ als kleine Öse enden, was das Auffädeln und Tragen um den Hals an einer Schnur oder einer dünnen Kette nahelegt; die Flügelspanne bewegt sich zwischen etwa 1 cm und 3 cm, die Länge zwischen rund 1,5 cm und 5 cm (Abb. 52).
Wahrscheinlich ging man in den Anfängen davon aus, Gleiches mit Gleichem vergelten und sich damit die Fliegen vom Leibe halten zu können.
Abb. 51: Prunkbeile
Foto: Walther Wolf (1926)
Spätestens im Neuen Reich dürfte dieser Sinn jedoch längst vergessenen und neu interpretiert worden sein, eventuell in der Bedeutung, daß tapfere Soldaten wie die Fliegen über die Feinde herfallen.
Es wundert ein wenig, daß „nur“ die Fliege als „Orden“ gewählt wurde, denn eine Plage, der die Ägypter nicht Herr werden konnten, waren die Mücken. Die alljährlichen Nilüberschwemmungen sowie die zahlreichen Sümpfe, verbunden mit dem warmen Klima, boten diesen Insekten hervorragende Lebensbedingungen.
Abb. 52: Die Orden des alten Ägyptens: Fliegen.
Das Pathologische Institut der Universität Turin besitzt eine Sammlung ägyptischer Schädel aus pharaonischer Zeit. Bei Messungen an diesen Schädeln wurde festgestellt, daß bei der Mehrzahl die Dicke der Kalotte stärker ausgeprägt ist, als bei vergleichbaren Schädeln anderer Kulturen. Eine Verdickung des Knochenmaterials an dieser Stelle ist ein untrüglicher Nachweis für eine chronische Erkrankung an Malaria, die von den weiblichen Anophelesmücken auf den Menschen übertragen wird.
Das läßt eine Aussage Herodots in seinem Bericht über die Schlacht der siegreichen Perser 525 v. Chr. unter Kambyses gegen die Ägypter in einem neuen Licht erscheinen, war man doch bislang davon ausgegangen, daß hier die Phantasie dem Schriftsteller die Hand geführt hat20:
Von den Bewohnern jener Gegend habe ich etwas höchst Wunderbares erfahren. Denn die Gebeine der in dieser Schlacht Gefallenen sind gesondert aufgeschichtet; auf der einen Seite liegen die Gebeine der Perser, wie sie begraben worden sind, und auf der anderen Seite die der Ägypter. Nun sind aber die Perserschädel so zart, daß man mit einem einzigen Steinchen ein Loch in sie werfen kann, während die der Ägypter so fest sind, daß man sie kaum mit einem großen Stein zerschmettern kann. Als Grund dafür gaben sie an – was mir auch sehr einleuchtet - daß die Ägypter gleich von Kindheit an ihren Kopf scheren, so daß der Kopf in der Sonne hart wird. Das ist auch der Grund, weshalb sie nicht kahlköpfig werden. Nirgends findet man so wenig Kahlköpfe wie in Ägypten. So also erklärt sich die Festigkeit der ägyptischen Schädel und dementsprechend auch die Zerbrechlichkeit der persischen …
Mag seine Begründung für den „harten Schädel“ nicht zutreffen und seine Bezeichnung der „Perserschädel“ als „zart“ übertrieben sein, dokumentiert er doch erstmalig diese häufige Anomalie der ägyptischen Schädel21.
Auch dem Mückenproblem selbst widmet Herodot seine Aufmerksamkeit22:
Gegen die Mücken, die es in ungeheuren Mengen gibt, hat man folgende Schutzvorrichtungen. Im Oberland schützt man sich durch turmartige Schlafräume, zu denen man hinaufsteigt. Der Wind hindert nämlich die Mücken, hoch zu fliegen. Die Bewohner des Sumpflandes haben statt dieser Türme eine andere Einrichtung. Jeder ist da dort im Besitz eines Fischernetzes, das er bei Tage zum Fischen braucht. Das befestigt er bei Nacht rings an dem Lager, auf dem er ruht. Zum Schlafen kriecht er darunter. Schliefe er im Mantel oder unter einem Bettuch, so würden die Mücken hindurchstechen. Durch die Maschen zu dringen, versuchen sie aber gar nicht.
Die „turmartigen Schlafräumen“, von denen Herodot schreibt, sind das Ergebnis einer Fehlinterpretation; gemeint ist vielmehr der auch heute noch in warmen Ländern geübte Brauch, auf den flachen Dächern zu schlafen. Dies schützt zwar nicht vor Mücken, welche durchaus hoch fliegen können, sondern in erster Linie vor Schlangen und Skorpionen. Auch die beschriebenen Fischernetze dürften kaum zum Fischen, sondern ausschließlich als Moskitonetze verwendet worden sein.
Unter Sahure, dem zweiten Herrscher der 5. Dynastie, wird die Tradition der Expeditionen fortgesetzt.
Auf dem Palermostein gibt es die Beschreibung einer Strafexpedition gegen die schasut , die Beduinen der Wüste, sowie Hinweise, die auf eine Expedition nach Punt schließen lassen.
Eine Felsstele im Wadi Gudami im Süden der Ostwüste, bezeugt eine Expedition zu den Dioritbrüchen von Abu Simbel, eine weitere wird durch ein Graffito bestätigt.
In seinem Pyramidentempel23 in der Nekropole von Abusir zwischen Gizeh und Saqqara berichten Wandreliefs nicht nur von Siegen über Asiaten und Libyer, sondern erstmalig auch von ägyptischen Hochseeschiffen, die allerdings mit asiatischer Besatzung, vermutlich Syrern, Phöniziern, bemannt sind.
Unter Unas, dem letzten König der 5. Dynastie, gehören die guten Handelsbeziehungen mit Syrien und die syrischen Schiffsbesatzungen bereits zur Tradition.
Zur Tradition gehört auch der als Waffe geführte Stock (Sbd). Er kommt dann zum Einsatz, wenn nicht die Vernichtung des Gegners im Vordergrund steht, sondern schlicht und einfach die Vereinnahmung seiner Arbeitskraft. Und die ist nur gewährleistet, wenn Knochen, Muskeln und Sehnen unversehrt bleiben, Striemen und blaue Flecken sind im Sinne der zukünftigen Verwendung dem Unterfangen sogar zuträglich.
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