Amrei Laforet
Die Macht der Doshas
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Titel Amrei Laforet Die Macht der Doshas Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Macht der Doshas Die Macht der Doshas Ein Roman. Vielleicht gibt es Menschen, die ihn eher als Groteske bezeichnen würden. Dazu sage ich nur: Das Leben ist oft viel unglaublicher, als man es sich ausdenken kann.
Gedankenwehen Gedankenwehen Vergiss mein nicht Sagt die Stimme aus dem Nichts Wir werden Von Neandertalern zu Schmetterlingen Die alles verstehen Wenn wir im Nichts wehen
Frühjahr
NICHTS
Sommer
PITTA
Herbst
VATA
Ende
KAPHA
Impressum neobooks
Ein Roman. Vielleicht gibt es Menschen, die ihn eher als Groteske bezeichnen würden. Dazu sage ich nur: Das Leben ist oft viel unglaublicher, als man es sich ausdenken kann.
Vergiss mein nicht
Sagt die Stimme aus dem Nichts
Wir werden
Von Neandertalern zu Schmetterlingen
Die alles verstehen
Wenn wir im Nichts wehen
Ich ging auf dem Bürgersteig. Hell und windig, dachte ich, so kann man das Wetter heute am besten beschreiben. Ich stand an der Haltestelle. Eine Gruppe Schüler neben mir. Der Bus war überpünktlich und blieb noch eine Weile stehen, nachdem alle eingestiegen sind. Ich sah Körper, die ansammeln und stabilisieren, Körper die umsetzen und verarbeiten, Körper die beweglich sind, mehr als andere und die bewegten. Ich selbst war durchlässig und ließ meine Wahrnehmung ziehen. Ich saß sehr gerade. Ich sah aus dem Fenster und ließ die Bilder ziehen, stieg aus dem Bus in das helle windige Wetter und ging auf den weißen weichen Sohlen meiner Turnschuhe vorbei an Bäckereien, wo sich Menschen schnell noch einen Kaffee oder ein Brötchen oder Croissant oder ein anderes Teil kauften. Meine Zähne waren glatt und weiß, meine Zunge ohne Belag. Ich hatte mir wie jeden Morgen in meiner Wohnung einen Getreidebrei mit Trockenfrüchten zubereitet, ihn langsam gegessen und anschließend einen Kaffee mit Gewürzen und Kokosmilch getrunken. Dann hatte ich das Glas Wasser getrunken und meine Zähne geputzt. Ich duschte immer abends, denn ich habe das Gefühl hatte, dass dann alles Schmutzige oder Schlechte von mir gewaschen wird. Nur wenn ich stark geschwitzt hatte in der Nacht, was selten vorkam, duschte ich zusätzlich morgens vor dem Frühstück. Und so war ich ganz leicht und hell und windig, als ich meine Räumlichkeiten betrat. Vorne füllte der Empfangstresen die vordere Hälfte des Raumes, dahinter standen die schönen hellgelben Stühle und eine Garderobe an der Wand. Eigentlich war dieses Empfangszimmer fast überflüssig, da ich ganz allein arbeitete und die Menschen nur nach Termin erschienen. Ich setzte mich hinter den Empfangstresen und schlug den Terminkalender auf der Seite auf, auf der der rote Faden lag. Jede Seite, jeder Tag begann um neun Uhr und endete um Siebzehn Uhr. Die Samstage und Sonntage sind unbeschrieben, weiß und leer, vielleicht wie ich... Neun Uhr. Phillip Küster. Ich zog die K- Schublade aus den Bodenschränken. Ich nahm die Akte Philip Küster und schlug sie auf. Der Bogen, den seine Mutter ausgefüllt hatte, gab mir Informationen über die Konstitution des Jungen, zum Essverhalten und zum allgemeinen Gesundheitszustand. Ich hatte Vermutungen. Die Tür ging auf und Mutter und Sohn betraten den Raum. Die Mutter war geschmackvoll gekleidet, hatte eine athletische Figur, hellblaue Augen, eine eher trockene Gesichtshaut und als sie mir die Hand gab, spürte ich den bestimmten, trockenen Druck sehr langer Finger. Ihre Fingernägel waren professionell gestylt. Der Junge war sehr dünn und blass. Nervös stellte er sich von einem Bein auf das andere, seine hellen Augen mustern mich neugierig. Hell und windig, denke ich und streckte ihm meine Hand entgegen. Schlaff lag die kleine Hand in meiner. Ich lächelte: „Hallo Philip, schön das Du da bist.“ Ich wies den Weg in das Behandlungszimmer. Dort gab es viele bequeme Sitzmöglichkeiten. Sonst nichts. Durch das große Fenster war der Raum sehr hell. Philip setzte sich gegenüber dem Fenster auf einen Stuhl und betrachtete den Ast der Ulme, die draußen vor dem Gebäude stand. Der Wind spielte mit dem dünnen Ast und die frischen grünen Blätter schienen in den Sonnenstrahlen zu glitzern. Philips Mutter hatte sich ebenfalls gesetzt und ich nahm gegenüber der beiden Platz. Ich sagte, dass ich Philips Hyperaktivität seiner Konstitution zuschreiben würde, die eine große Beweglichkeit aber auch Stressempfindlichkeit begünstigte. Ich sagte, dass man Ausgleich und Stabilität durch Entspannung schaffen könne. Dass kein Druck von außen notwendig sei, da Philip genug eigenen Antrieb habe. Ich empfahl, Industriezucker komplett zu streichen und durch Rohrohrzucker zu ersetzen. Ich empfahl Süßkartoffeln, Kürbis, Reis, Vollkornnudeln, gekochte Karotten als Bestandteile von Mahlzeiten und das Vermeiden von Softgetränken. Ich empfahl selbstgebackene Haferkekse als Süßigkeiten und fünf Mahlzeiten pro Tag mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen. „Regelmäßig“, sagte ich, „regelmäßig essen und abends nicht zu viel oder zu spät. Nicht zu spät ins Bett, wäre meine Empfehlung“, sagte ich. Um abends zur Ruhe zu kommen, empfahl ich warme Sojamilch mit Muskat oder Zimt. Ich frage Philip, was er über die Schule denken würde. Er lächelte: „Manchmal ist es spannend und manchmal langweilig.“ Ich schaute die Mutter an und sie lächelt. „Ich darf mir nicht so viel Sorgen machen“, sagt sie.
Vielleicht, wenn man es so sehen möchte, ist das der Tag gewesen, an dem alles anfing. Oder der Tag an dem alles aufhörte, je nachdem wie man es sehen möchte. Vielleicht war es aber auch der Tag, an dem ich darauf vertraute, dass alles, was passiert letztendlich einen Sinn ergibt.
Ich sah das Haus mit der Nummer 27. Ich stand direkt davor, vor der hellgelben Front mit den weißen Fensterrahmen, Doppelverglasung. Vom Bürgersteig konnte man direkt auf die erste Treppenstufe steigen. Eine massiv gemauerte Treppe, an deren oberen Ende sich eine quadratische Fläche aus altmodisch schwarzen-weißen und hellblauen Fließen anschloss. Vor der alten Holztür mit den eingelassenen Fenstern baumelte ein großer Kranz aus Moos. Der Wind spielte mit den verblichenen blauen und gelben Bändern, die als Verlängerung der Aufhängung an dem Kranz herab hingen. Der Wind variierte ihre Verteilung über die Haustür. Mir war kalt. Mein rosa Mantel und die helle Hose wärmten mich nicht genug. Schließlich war es bereits November. Aber ich liebte leichte und leicht wirkende Kleidung nun einmal. Ich wollte mich mit nichts schwerer machen und wollte durch nichts schwerer wirken. Ich hatte meine großen Augen, die trotz ihrer dunklen Farbe stechend wirkten. Das reichte vollkommen. Sie schauten auf die beiden Klingelknöpfe. In dem oberen war das Namensschild leer, was mich nicht verwunderte. Schließlich war die Wohnung als frisch renoviert angeboten worden. In dem Namensschild neben dem unteren Klingelknopf stand in krakeliger Schrift, vermutlich mit einem hellblauen Kugelschreiber geschrieben: M. Senfrott. Die Dame, mit der ich gesprochen hatte, lebte also auch allein. Ich drückte den Knopf und ein helles „Krrrrrrrrr“ bestätigte meine Ankunft. Ich hörte ein Poltern, ein kurzes Fluchen und dann das Öffnen einer Innentür. Ich sah den Schatten, der sich ruckartig nach rechts und dann nach links warf. Jetzt wurde die Haustür geöffnet und da stand Frau Senfrott schon vor mir: in der rechten Hand die Klinke, die linke Hand in die Hüfte gestützt.
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