Mein Landgang hat sich in Antwerpen erledigt. Das Wetter zeigt sich von seiner schlechtesten Seite. Mit dem Taxi müsste ich 30 km fahren und wäre eine knappe Stunde unterwegs. Das Taxi kostet angeblich für eine Fahrt 40 Euro. Ich weiß nicht, ob ich mir das antun muss. Da schnattere ich mir einen ab, nur um in der Stadt einen Kaffee zu trinken? Wären wir jetzt in Brasilien bei angenehmen 25 °C und mehr, herrlichem Sonnenschein und Ingo in kurzer Hose, dann wäre es etwas anderes.
Am Pier herrscht emsiges Treiben. Um 14 Uhr beginnen die Verladearbeiten. Riesige Kräne schnappen sich die Container und befördern sie an den Pier. Die „Straddle-Carrier“ bringen die Container zu ihrem vorgesehenen Zwischenlager. „Straddle-Carrier“ sind hochbeinige Fahrgeräte. In etwa 11 Meter Höhe lenkt ein Fahrer dieses wendige Fahrzeug. Die Container werden von diesen Fahrzeugen aufgenommen und dann zwischen ihren „Beinen“ transportiert, um sie an ihrem Bestimmungsort abzustellen. Es muss eine wahnsinnige Logistik dahinterstecken.
Die Verantwortung, dass die Container richtig entladen oder beladen werden, liegt in den Händen der Terminalmitarbeiter im Hafen. Der Kranführer hat einen Plan, wie die Container verstaut sind. Er kann von seinem Platz aus die Containernummer (z.B. SUDU 582771 0) über einen Monitor ablesen. Es ist eine Kamera so angebracht, dass diese direkt auf die Nummern ausgerichtet ist. Diese befinden sich an den Stirnseiten des Daches und den Längsseiten. Unter der SUDU Nummer befindet sich eine weitere, wie etwa 45G1. Es handelt sich hier beispielsweise um einen 2-TEU-Container. 1 TEU Container oder andere Größen haben entsprechend andere ID-Nummern. Verantwortliche Mitarbeiter am Kai überprüfen die Richtigkeit der Ladung. Eine Falschverladung soll deshalb nahezu ausgeschlossen werden. Die Schiffsführung ist weitgehend aus der Verantwortung.
Die Containernummern, die etwa lauten 45R1,sind Kühlcontainer. Die Bordelektriker überwachen ständig die Temperaturen in den Containern. Fällt irgendwo mal die Kühlung aus, dann heißt es schnell handeln. Da ist es dann egal, ob Nacht, Wochenende oder Feiertag ist! Die Ladung hat in jedem Fall Vorrang.
Jede Reederei hat ihre eigene Abkürzung an den Containern angebracht. Die Hamburg-Süd hat die Abkürzung SUDU, die Hapag-Lloyd die Abkürzung HLXU, die Cronos Reederei CRTUusw..
Es sind 26 Leute auf der „Santa Rosa“: Kapitän Remigiusz Wilk, der 1 st, 2 ndund der 3 rdMate. Der 1 st, 2 ndund 3 rdEngineer, zwei Electricians (Elektriker) und der Bosun (Bootsmann). Es sind mit dem Bootsmann sieben Leute an Deck. Im Maschinenraum sind es mit den Elektrikern neun Leute. Dann ist da noch der Smutje (Koch) und der Chief Steward. Um auf die 26 Leute zukommen, gibt es noch Ingo Schulze. Ich bin der einzige Passagier an Bord. Es sind 4 Nationen vertreten: 4 Deutsche, 8 Polen, 1 Kroate und 13 Kiribatier.
Einige technische Daten zur „MV Santa Rosa“
85.676 |
BRT (1 BRT= 100 Kubikfuß= 2,8316 m 3) |
42.501 |
Netto Tonnage |
Light Ship |
29.427 t |
93.405 |
TDW (tons dead weight) 1 Deadweight Tonne entspricht 1.016 kg. Diese Maßeinheit gibt die Tragfähigkeit eines Schiffes an. Man stelle sich vor, dass man das gesamte Schiff inkl. Ladung, Treibstoff und Personen aus dem Wasser hebt und auf eine Waage stellt. Das dort festgestellte Gewicht ist das „Totgewicht“ und die Tragfähigkeit des Schiffes. |
299,95 |
Meter lang |
42,80 |
Meter breit |
13,50 |
Meter Tiefgang |
6.600 Voltgetrennt) |
Stromspannung (E-Werk im Maschinenraum ist streng |
Gesamthöhe |
62,94 m (vom Kiel bis zur Brücke) |
Entfernungen |
Ab Brücke nach Achtern: 73,0 m, zur Back: 227,0 m |
1 Ft |
entspricht 3,281 m |
7.114 |
TEU (bzw. 3.557 Container à 2 TEUs) TEU ( Twenty-foot Equivalent Unit). Container mit den Abmessungen: lg. 6,058 m (20 Fuß), ho. 2,60 m und br. 2,44 m werden TEUs genannt. FEUs sind 40 Fuß Container (fourty-foot equivalent unit). Ein FEU oder 2 TEU. Diese sind 12,192m lg., ho. und br. Wie 20 Fuß. Man kann weiter spinnen, denn ein 20-40 Fußcontainer hat 1,5 TEU und Container über 40 Fuß sind 2,25 TEU. |
1.600 |
incl. Kühlcontaineranschlüsse |
22,5km/h) |
Knoten Höchstgeschwindigkeit (22,5x1.853 m/h= 41,7 |
45.760 |
kW Leistung (62.234 PS) |
65-70 Millionen € |
Kosten der „Santa Rosa“? |
Das Schiff fährt unter der Flagge von LIBERIA mit Heimathafen MONROVIA. Benannt wurde die „MV Santa Rosa“ nach der gleichnamigen argentinischen Stadt in der Provinz La Pampa. Taufpatin war am 10. Oktober 2011 Frau Sabine Vespermann, Ehefrau von Dr. Arnt Vespermann, Mitglied der Geschäftsführung der Hamburg-Süd. Die „Santa Rosa“ war das sechste Schiff von insgesamt zehn dieser Bauart. Seit Auslieferung bei der Daewoo Ship Building & Marine Engineering Co. Ltd. (DSME) in Korea im Juni 2011 fährt die „Santa Rosa“ im Dienst der Hamburg-Süd zwischen Asien und Südafrika/Südamerika Ostküste (New Good Hope Express).
Ich komme gerade vom Abendessen. Es gab „Chilli con Carne“. Dazu hätte ich ein Bier trinken müssen. Es war gut, aber recht scharf. Vom Essen des kiribatischen Kochs ist nicht jeder erbaut, aber für mich ist es in Ordnung. Kritik übers Essen kenne ich zuhauf. Als ehemaliger Schiffsbäcker und Koch musste ich sie über mich ergehen lassen. Hatte ich bei der Bundeswehr, als Dienstgrad, Aufsicht in der Kantine, dann wurde ständig genörgelt. Und auch als Veranstalter von über 14 internationalen Mehrtagesläufen kenne ich dieses Verhalten zur Genüge. Essen ist ein schier unerschöpfliches Thema, sodass man sich immer wieder fragt, was die Leute eigentlich daheim essen.
11. April (03.Tag) Antwerpen nach Le Havre – F
Um 4.24 Uhr haben wir in Antwerpen abgelegt. Nun geht es nach Le Havre. Das Wetter ist weiterhin regnerisch und ungemütlich, sodass ich mit meinem Morgenspaziergang an Deck noch etwas warte. Es geht mit mäßiger Geschwindigkeit die Schelde abwärts. Der Lotse muss aufpassen, denn die Schelde hat viele Krümmungen und Untiefen. Es ist daher ein ständiger Kurswechsel nötig. Es kommt noch hinzu, dass die Schelde stark befahren ist. Die Fahrt ins offene Meer dauert gute sechs Stunden.
Beim Frühstück sitze ich mit dem Chief Mate, Jonas Moegel, allein in der Messe. Er ist ein sehr sympathischer Mensch und hat für meine Fragen stets ein offenes Ohr. Er war es auch, dem ich als Erstes an Bord begegnete und der uns das Schiff zeigte. Es hat ihn, durch seine Freundin, nach Ostfriesland verschlagen.
Wenn ich zu den Mahlzeiten gehe, dann schaue ich immer mal in die Kombüse rein oder der Koch ruft mir einen Gruß hinterher. Heute ist Donnerstag, also „Seemannsonntag“. Zu meiner Zeit gab es am „Seemannsonntag“ Kuchen zum Kaffee. Mal sehen, ob es diese Tradition noch gibt? Ja, es gibt sie noch! Nur nicht mehr ganz so, wie ich es kenne. Der Kuchen oder das Gebäck ist nicht frisch, sondern in Hamburg eingekauft und wird bei Bedarf aufgetaut.
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