Emil Horowitz - Gespräche auf einem absurden Planeten

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Sechzehn Episoden, zum Teil melancholisch, zum Teil skurril, zum Teil romantisch, zum Teil komisch, führen uns durch die seltsamen Paradiesgärten der menschlichen Seele. Kleine Theaterstücke entlarven auf unterhaltsame Weise die Irrwege, auf die uns die Errungenschaften der modernen Zivilisation führen können, die Abartigkeiten unserer Konsumgesellschaft, die Untiefen von Intoleranz und Hass, die Labyrinthe menschlicher Emotionen.

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Emil Horowitz Gespräche auf einem absurden Planeten Kurzgeschichten in - фото 1

Emil Horowitz

Gespräche auf einem absurden Planeten

Kurzgeschichten in verteilten Rollen

Im Eigenverlag

Deutsche Erstveröffentlichung

© Copyright 2018 by Emil Horowitz

Titelbild: Emil Horowitz

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Erschienen als eBook im Eigenverlag

Am Anfang das Wort

Erstaunlich, was aus dieser Welt geworden ist, seit wir Menschen der Illusion verfallen sind, die Krone der Schöpfung darzustellen. Seither reden und reden wir. Wir reden über uns. Wir reden über andere. Wir reden über Pläne. Wir reden über Wünsche. Wir reden über Eroberungen. Wir reden über Verluste. Wir reden über Liebe. Wir reden über Hass. Wir reden über die Zukunft. Wir reden über die Vergangenheit. Wir hören nicht auf zu reden, unablässig, endlos.

Vielleicht reden wir so viel, weil wir uns vor der Stille fürchten, wenn die Stimmen versiegen. Vielleicht reden wir so viel, weil wir uns nicht unseren Denkfehlern stellen müssen, so lange wir mit dem Sprechen beschäftigt sind. Vielleicht reden wir so viel, weil wir ein unbestimmtes Grauen vor dem empfinden, was andere zu sagen hätten, würden wir ihnen durch unser Schweigen Gelegenheit dazu geben. Vielleicht reden wir so viel, weil wir Angst vor unseren eigenen Gedanken haben, Gedanken, die an die Oberfläche steigen, wenn unser Schweigen ihnen dazu Raum lässt.

Wir reden und reden. Gut möglich, dass wir zu viel reden. Vielleicht ist das der Grund, wieso wir so wenig zu sagen haben.

Emil Horowitz

Alles im Griff

oder: Lisa!

"La Clique" - unbestritten einer der anerkannten Szenetreffs. Eine Mischung aus Bar und Restaurant, aus Kneipe und Filmkulisse. Den Raum beherrschend: Die riesige Bar in der Form eines großen L. Bescheiden davor zurücktretend, fast etwas verlegen, eine Reihe kleiner Tischchen, an die gegenüberliegende Wand geschmiegt. Die Wände weiß, zum Teil mit hellrosa lackierten Paneelen verkleidet. Daran großformatige Fotographien, künstlerisch mit Neonfarben nachbearbeitet. In jedem Bilderrahmen, ganz unaufdringlich rechts unten, ein winziges Kärtchen mit Titel und Preis des Kunstwerks. Üppig verteilte Grünpflanzen, von LED-Strahlern am Leben erhalten. Aus der Stereoanlage Anspruchsvolles: Jazz, Pop, moderne Chansons, kühler Elektrosound, etwas lauter als Hintergrundmusik, aber sehr dezent. Hoch über den Köpfen der Gäste, direkt gegenüber der Bar, ein Fernsehgerät, pausenlos den farbintensiven Inhalt einer gemischten Auswahl verschiedenartigster DVDs verstreuend - Filme, Shows, Comics - ohne Unterbrechung und ohne Ton.

Am Knickpunkt der Bar, dem strategisch günstigsten Platz, sitzen Mike und Rüdiger. Mike am Ende des langen Schenkels, Rüdiger am Ende des kurzen. So hocken sie über Eck beieinander und haben alles im Griff. Niemand, der das jetzt übervolle Lokal betreten oder verlassen will, kann sich unbeobachtet an ihnen vorbeistehlen. Keine Frau bleibt ungeprüft, kein Mann unklassifiziert. Während sie sich unterhalten, treffen sich ihre Blicke nur selten, und auch dann nur für eine flüchtige Sekunde. Viel zu viel gibt es zu beobachten, zu beurteilen, einzuschätzen, zu belächeln, zu vergleichen.

MIKEEs ist unglaublich, sag ich dir, un-glaub-lich, wie die Amis ans Filmemachen rangehen. Wie die das sehen, das ist reines Business, nichts als Business. Ich sag dir eins, Filme und Hamburger machen die auf die selbe Art, echt! Wie ich dieses Jahr in Hollywood bei GMG gearbeitet habe, also, was ich da über die Finanzierung ...

RÜDIGERFinanzierungsmäßig haben wir da jetzt ein ganz heißes Ding auf der Pfanne, ganz heiß, sag ich dir! Erst letzte Woche rausgekommen, wir haben noch nicht einmal die Prospekte, nur ein paar Andruckmuster. Das ist'n Package aus dynamischem Sparplan, ‘ner Anlagestrategie für Termindollars und 'ner Lebensversicherung mit erweiterter Selbstmordklausel. Ein Wahnsinnsding, sag ich dir! Kein Risiko, Null. Das Termingeschäft voll abgesichert über die Lebensversicherung! Wir sind die Einzigen, die das komplette System orginal von den Amis rüberbringen.

MIKEJa, das können sie, Finanzierungen auf die Beine stellen. Genau, wie ich dir vorher gesagt habe, bei GMG. Also, plötzlich gibt's da einen Plan, so ein original Sophoklesthema zu machen. Im Urtext natürlich unbrauchbar, aber eben progressiv, ein neuer Weg raus aus der alten Hollywoodscheiße. Also, das Writerteam legt los, und - die bringen tatsächlich ein Superding auf die Beine, total neue Ästhetik und ein Spitzenbudget. Der ganze Film für nicht mehr als sechsundvierzig Millionen Dollar, verstehst du, lumpige sechsundvierzig Millionen! Na ja, die alles vorbereitet für die Produktionskonferenz, ich weiß noch genau, am Dienstag sollte die sein, nee, am Montag, vormittags um zehn, und was passiert? Prompt eine Stunde vorher ...

RÜDIGER über Mike's Schulter Ja grüß dich, Annette! Gibt's dich auch noch! Was macht denn der Karl, immer noch die große Liebe?

ANNETTEHallo Rüdiger.

RÜDIGERJetzt komm doch mal rüber zu uns und lass dich anschauen, wie geht's denn deinen Goldfischen?

ANNETTEDu, tut mir leid, aber ich warte auf jemanden, der müsste eigentlich schon da sein ...

RÜDIGERAch geh, wozu brauchst du denn andere Männer, wenn du mich haben kannst, ha, ha, ha! Jetzt komm schon her, ich lade dich auch zu was ein, was magst du denn gern, vielleicht ein Gläschen Champagner?

ANNETTE kommt her Viel Zeit habe ich aber nicht, wenn mein Date da ist, müssen wir gleich gehen.

RÜDIGERAlles klar, null Problemo. Das ist übrigens Mike.

ANNETTEHallo Mike.

MIKEHallo Annette!!

RÜDIGERAlso, ich lade euch ein, was wollt ihr haben?

ANNETTEIch bleib bei einem Glas Champagner.

RÜDIGERSpitze, und du?

MIKEIch nehme noch einen Cappu.

RÜDIGEROkay. Über die Bar Lisa!

LISAKomme gleich!

RÜDIGERNa, jetzt erzähl doch mal, was hast du denn so getrieben in der letzten Zeit, wir haben uns ja schon mindestens zwei Monate nicht mehr gesehen!

ANNETTESo.

RÜDIGERBestimmt! Das letzte Mal war's beim Fest vom Guido. Mann, war ich da besoffen!

ANNETTEEcht.

RÜDIGERUnd wie! Ich war voll wie ein alter Dudelsack! Mann, so was von besoffen, weißt du noch, Mike?

MIKEZu der Zeit war ich noch in Hollywood.

ANNETTEIn Hollywood?

MIKEJa, ein Jahr lang.

ANNETTEÄh - hast du da gearbeitet oder was?

MIKEGenau, bei GMG.

ANNETTEDie Filmfirma?

MIKEJa, ich wollte einfach mal das amerikanische Business ein bisschen kennenlernen, Anregungen sammeln und so. Die sind da halt doch schon viel weiter als wir hier, und für die eigene Regiearbeit ...

ANNETTEBist du Regisseur?

MIKEIch arbeite drauf hin. Zur Zeit mache ich Regieassistenz.

ANNETTEDann hast du drüben Regieassistenz gemacht?

MIKEÄh, nicht direkt. ... ziemliche Probleme mit der Arbeitserlaubnis und so. Hätte ich auch gar nicht gewollt, weil, ich war ja hauptsächlich zum Beobachten und Lernen drüben, und da bringt es so ein lockerer Job auf freiberuflicher Basis im Produktionsteam viel mehr.

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