Quinn legte seine Hand auf meine. Sie war warm, aber gerade nicht weich genug, um sich angenehm männlich anzufühlen. Trotz seiner feingeistigen Art war er in der Lage gewesen, die meisten praktischen Dinge in seinem Umfeld selbst zu erledigen, von der Reparatur des tropfenden Wasserhahns oder der defekten Deckenbeleuchtung bis hin zum Ein- und Aufbau seiner Küche. Ich erinnerte mich für einen kurzen Moment lang daran, wie ich seine Hände auf meiner Haut genossen hatte. Nur ein kräftiger Schluck von meinem alten Freund Jacques verhinderte, dass ich diesem Gedankenpfad folgte. Ein wenig rot wurde ich dennoch.
»Das ist lieb von dir«, sagte Quinn mit seinem strahlenden Lächeln, das ein wenig traurig wirkte. »Aber erzähl doch mal! Was ist bei dir los? Warum brauchst du Stefans Hilfe? Lässt du dich etwa scheiden?«
Täuschte ich mich, oder leuchteten seine Augen bei dieser Frage? Den Eindruck vermittelte vermutlich nur das Flackern der Kerze auf unserem Tisch, aber der Gedanke gefiel mir.
Ich hatte eine schöne Rede vorbereitet, mit der die Ereignisse der letzten Monate souverän und objektiv beschrieben werden sollten. Was ich dann aber rausblökte, war: »Ja, Hanno hat mich gegen ein neueres Modell eingetauscht. Eine langbeinige, rassige Polin. Er hat uns das Haus unter dem Hintern wegverkauft, und jetzt will er die Scheidung. So schnell wie möglich.«
Quinn pfiff leise durch die Zähne. »Das ist hart. Ihr habt doch sicher Kinder?«
Ich nickte. »Ja, drei. Helene ist dreizehn, Vincent zehn und Daniel sieben. Wir waren die verdammte Toffifee-Familie. Es hat nur der Hund gefehlt.«
»Aber das wolltest du doch. Du wolltest doch eine Familie …«
»Natürlich wollte ich eine Familie! Aber keinen Ehemann dazu, der meint, mich mit vierzig mit den Kindern sitzenlassen zu müssen, um sich eine viel jüngere Frau zu angeln und mir dann auch noch die Kinder wegzunehmen. Was ich wollte, war eine glückliche Familie. Mit einem Vater, der sich um seine Kinder kümmert und der mit mir alt wird, der mich auch mit Falten noch schön findet.« Ich schnaubte verächtlich. »Als er ging, sagte er mir, ich hätte mich gehenlassen und er brauche eine junge, dynamische Frau an seiner Seite. Nett, was?«
»Autsch!«, kommentierte Quinn und verzog das Gesicht. »Das ist bitter.« Dann schaute er mich an, sein Blick schien mein Gesicht zu streicheln. »Catia, der Mann ist ein Esel. Und ein blinder obendrein. Ich finde dich genauso schön wie damals. Schöner sogar, deine Ausstrahlung ist noch viel stärker als früher …«
Flirtete er etwa mit mir? Es war verwirrend, mit ihm an einem Tisch zu sitzen und meine Nöte vor ihm auszubreiten. Gleichzeitig spürte ich die alte Nähe, die gewohnte Vertrautheit wiederaufkommen, die vor all den Jahren zwischen uns existiert hatte. Und die in einem einzigen Moment durch meine Bemerkung wie eine Seifenblase zerplatzt war. Das durfte ich nicht vergessen! Vermutlich war mir der Calvados bereits mehr zu Kopf gestiegen, als ich mir eingestehen wollte.
Im weiteren Gespräch versuchten wir, die letzten fünfzehn Jahre möglichst unbefangen Revue passieren zu lassen. Dabei blickten wir uns mehr als einmal tiefer in die Augen. Irgendwann sah ich auf die Uhr und stellte mit Entsetzen fest, dass es bereits elf war. Ich wollte doch um halb zwölf zu Hause sein! Mit dem Bus würde das nichts mehr werden, und für ein Taxi hatte ich eigentlich kein Geld, verdammt! »Quinn, ich muss ganz dringend los, es tut mir leid! Ich muss den Babysitter ablösen. Das schaffe ich gar nicht mehr mit dem Bus. Ich werde mir ein Taxi rufen.«
Quinn winkte der Bedienung und bat sie, ihm die Rechnung zu bringen. »Lass mal! Ich fahre dich nach Hause. Ein Jacques, das geht schon, das Bier war alkoholfrei. Wo wohnst du denn jetzt?«
»In Zehlendorf-Mitte, gleich hinter der Dorfkirche. Das wäre echt riesig von dir, dann bin ich noch pünktlich.«
Wir verließen die Phoenix Lounge und liefen ein kleines Stück die Straße hinunter. Dann standen wir vor seinem alten silbergrauen Citroën DS – der Göttin. Ich stieß einen verhaltenen Freudenschrei aus. »Du hast sie immer noch? La Déesse – wie großartig!«
Ich hatte dieses Auto geliebt, genau wie die Touren ins Brandenburger Umland, die wir mit dem Wagen so oft gemacht hatten. Ich ließ mich in den Beifahrersitz hinabgleiten und genoss die Fahrt nach Hause.
Eine Viertelstunde später hielt Quinn in der Einfahrt neben dem kleinen leerstehenden Ladengeschäft im Erdgeschoss unseres Hauses. Er schaute die Straße hinunter in Richtung Zehlendorf Eiche und dann mich an. Wieder schien eine Frage in seinem Blick zu liegen, die er nicht stellte.
»Ich würde dich noch hereinbitten, Quinn«, druckste ich herum, »aber es ist schon sehr spät … Ich muss morgen wieder früh raus … Und die Kinder …«
»Das ist schon in Ordnung.« Er schaute kurz auf seine Schuhe, dann auf die Straße und dann direkt in meine Augen. »Ich würde dich aber gerne wiedersehen. Vielleicht gehen wir am Freitag noch einmal essen? Nach einem Kinobesuch? Oder am Sonnabend?«
Ich war überrascht. Eine zweite Verabredung mit Quinn wäre ein richtiges Date. Oder hatten sich die Spielregeln geändert, seit ich das Feld verlassen hatte? Andererseits, was sollte es? Jetzt war die Zeitrechnung n. H., nach Hanno, und ich war niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Es war höchste Zeit, mich daran zu gewöhnen und das Beste daraus zu machen. Außerdem tat Ablenkung not, wie Astrid mir immer wieder ans Herz legte – ich solle mich mehr »draußen tummeln«, wie sie es nannte. Mich »tummeln« kam nicht in Frage. Ich war schließlich gar nicht auf der Suche nach einem neuen Mann. Aber wenn aus dieser alten Liebe eine Freundschaft werden könnte, wäre das doch gerade jetzt sehr angenehm. Was versuchst du dir denn gerade schönzureden?, hörte ich Astrid leise kichern. Bevor sich weitere Stimmen dazugesellten, traf ich eine Entscheidung.
»Gerne«, antwortete ich. »Ich gehe gerne wieder mal mit dir aus, Quinn. Freitagabend passt mir gut.«
Quinn Hartmann strahlte mich an. Und beim Teutates – was sah dieses Strahlen immer noch »übelst krass sexy« aus!
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