AL: »Kann einer nicht versuchen Kelly aus dem Klo rauszukriegen in mir rumorts. Und ich versuch’ immer noch zu verdauen.«
(Kelly kommt die Treppe herunter.)
KELLY: »Nächste.«
AL: »Ach, endlich. […] Als junger Mann hatte ich zwei Träume. Einer war Astronaut zu werden und auf dem Planeten Jane Mansfield zu landen. Der andere war ein Klo zu haben für mich ganz allein. Naja, Janey ist von der Bahn abgekommen und musste auf einem dunkleren Planet notlanden. Aber Familie, ich verwirkliche jetzt meinen zweiten Traum. Ich habe beschlossen, ein Klo zu bauen. Das tollste Klo auf der ganzen Welt und ich möchte, dass ihr euch gleich etwas merkt. Niemand wird dieses Klo benutzen außer mir.« […]
(Al entfernt die Holzverkleidung der Kiste und zum Vorschein kommt eine weiße Toilette mit Spülkasten.)
KELLY: »Ist das ’ne Fata Morgana oder ’ne Toilette?«
AL: »Nicht nur eine Toilette. Eine Ferguson. Die Königin der Schüsseln. Bud, setz dich. Ich will dir die Geschichte der Ferguson erzählen. Also … diese Babys werden in Maine fabriziert, in der kleinen Ferguson Fabrik. Sie ist die Stradivari der Toiletten und mein Dad konnte darauf spielen wie auf ’ner Geige. Ja, ich werde nie vergessen, wie mein Dad mich mitgenommen hat nach Maine, um die Fabrik zu besichtigen. Ich musste dringend pinkeln. Ich habe ihn gebeten, mal rechts ran zu fahren. Aber er hat gesagt: Nein, warte bis wir dort sind, es lohnt sich. Und er hatte recht.«
BUD: »Entschuldige bitte, Dad. Aber eine Toilette ist eine Toilette.«
AL: »Toiletten von heute verdienen nicht mal den Namen. Sie kommen in Designerfarben daher und sind zu niedrig. Und wenn du spülst machen sie einen kleinen, schwachen, fast um Verzeihung bittenden Ton. Nicht die Ferguson. Die gibt es nur in Weiß. Und wenn du spülst … bah … wuusch … Das ist ’ne männliche Spülung. Eine Ferguson sagt: Ich bin ’ne Toilette. Setz dich und gib mir deinen besten Schuss.«13
In der Serie South Park gibt es in der dritten Episode der siebten Staffel sozusagen die Ergänzung – sprich: »Das Schweigen des Klopapiers«. Kinder die im Kunstunterricht zum Nachsitzen verdonnert wurden, kaufen sich anschließend Unmengen von Klopapier und bewerfen damit das Haus ihrer Lehrerin. Das WC samt sämtlicher Utensilien und damit verbundener Gänge dient in Fernsehserien spätestens seit den 1990er Jahren ganz selbstverständlich dazu, möglichst alle Tiefen der menschlichen Existenz auszuloten. Und im Film? Georgi Gospodinovs Ich-Erzähler spielt in dem das 00 in jeder Hinsicht auslotenden Werk Natürlicher Roman (2007) in einem Gespräch auf die noch häufig vertretene Auffassung an, auf der Leinwand wäre das stille Örtchen nicht nur still, sondern einfach weg gewesen:
»– Und als ich klein war, konnte ich mir, wenn ich ins Dorfkino ging, überhaupt nicht erklären, warum in den Filmen niemand aufs Klo ging. Du siehst Indianer, Cowboys, ganze römische Legionen, und keinen zeigen sie dabei, wie er scheißt oder pinkelt. Ich rannte nach den zwei Stunden im Kino wie verrückt aufs Klo, und jene Typen aus den Filmen nicht ein einziges Mal in einem ganzen Leben. Bitteschön, sagte ich mir, echte Männer hocken sich nicht mit warmen Hintern hin, und ich nahm mir vor auszuprobieren, wie lange ich es aushalten würde, ohne zumindest das große Geschäft zu verrichten. Ich verkniff es mir drei Tage lang. Ich krümmte mich vor Bauchschmerzen, ging leicht vornübergebeugt, meine Eltern erschraken und wollten mich schon zum Arzt bringen. Am Abend des dritten Tages hielt ich es nicht mehr aus. Ich schloss mich im Klo ein und lief aus. Ich fühlte mich wie ein losgebundener Ballon, der zusammenschrumpelt, es zischt, und am Ende bleibt nichts von ihm übrig. Damals zweifelte ich zum ersten Mal am Kino. Es lag etwas Falsches in ihm, etwas … wie soll ich sagen … etwas Unehrliches.
– Nur, weil du dir die falschen Filme angeschaut hast. Eines werde ich dir sagen, du kannst nur dadurch herausfinden, ob ein Film etwas taugt, wenn seine Kamera auch ins Klo geht. Nehmen wir zum Beispiel ›Pulp Fiction‹, als Bruce Willis zurückkommt, um seine Uhr zu holen, und beschließt, sich zwei Scheiben Brot in den Toaster zu hauen, während Travolta auf dem Klo hockt. Die Toastbrote springen heraus. Bruce erschrickt und erschießt den anderen. Der Toaster drückt also den Abzug, und die Küche reißt dem Klo den Arsch auf. Siehst du, wie das zusammenhängt?
– Und der Bulle in ›Reservoir Dogs‹, hieß er nicht Mister Orange, der die Geschichte mit den Drogen im Klo mit allen Details erzählt, um sie glaubhafter zu machen. Während er die Geschichte auswendig lernt, ruft sein Chef: Du musst dich nur an die Details erinnern. Das wird sie dazu bringen, dir zu glauben. Die Handlung, sagt er, spielt sich im Männerklo ab. Du musst alles über dieses Klo wissen. Ob es Papiertücher gibt oder einen Föhn für die Hände, was für eine Art von Seife es ist. Ob es stinkt. Ob nicht irgendein Bastard eine der Kabinen mit dünnflüssiger Scheiße vollgeschissen hat … Alles.
– Oh, ich glaube, ich muss mich übergeben … […]
– Das Größte in den 90er Jahren bleibt die Tauchszene in der schmutzigsten Toilette Schottlands in ›Trainspotting‹.
– Oder nimm die Filme von Fassbinder und Antonioni, überall wirst du mindestens eine Szene in einem Klo sehen. Und Kusturica mit diesem komischen Selbstmordversuch im Klo.«14
Im Kinofilm gehört der wie auch immer von der Kamera eingefangene menschliche Akt der Erleichterung seit den 1960er Jahren fest zur fiktiven Realität. Philipp Alexander Tschirbs verzeichnet in seiner wissenschaftlich fundierten Studie Das Klo im Kino »eine anschwellende Flut« einschlägiger Szenen.15 Seine Untersuchung legt die Vermutung nahe, dass es im Bereich der schambesetzten menschlichen Bedürfnisbefriedigungen heute schon deshalb keinen überraschenden Tabubruch mehr geben kann, weil sämtliche vorstellbaren Tabus schon viel zu häufig gebrochen worden sind. In Filmen aller Genres, so viel steht fest, dienen Toiletten neben ihrem eigentlichen Zweck vor allem als Orte des Drogenkonsums, der Gewaltausübung und sexueller Abenteuer gleich- und andersgeschlechtlicher Heldinnen und Helden. Sie dienen natürlich auch als Versteck oder – wenn sie ein Fenster haben – als willkommener Fluchtweg. Titelgebend sind sie auch, sonst hieße eine 1981 in die Kinos gekommene Komödie ja nicht Taxi zum Klo .
Tschirbs’ akribischer Recherche verdanke ich vor allem die Erkenntnis, dass das Klosett in namhaften Filmen eine zentrale Funktion in der Handlung einnimmt. Alfred Hitchcock war einer der ersten Regisseure, der 1960 in Psycho das WC für eine Schlüsselszene nutzte, und das noch gegen erhebliche Widerstände. In dem berühmten Streifen landet die ums Leben gebrachte Marion Crane (Janet Leigh) direkt neben der Kloschüssel, in deren Wasser die papierenen Beweise für ihre illegalen Machenschaften und den Mord an ihr schwimmen. Altmeister Hitchcock rühmte sich in einem Interview übrigens dafür, »er verlasse die Toilette stets so sauber, daß niemand, der den Raum genauer inspiziere, auf die Idee käme, daß er dort gewesen sei«.16
Spätestens ab 1928, als der Stummfilm The Crowd (Ein Mensch der Masse ) in den USA gedreht wurde, rücken Aborte auf der Leinwand zunehmend vor. Einer der ersten Tonfilme, in denen das WC eine Rolle spielt, erschien 1930: Das goldene Zeitalter von Luis Buñuel. Allerdings in verfremdeter Form. Eine sitzende Frau wird von Meereswogen bedrängt, deren Rauschen sich beim näheren Hinhören als das einer Klospülung entpuppt. Als der berühmte Regisseur und Filmemacher 1974 das aus einer lose zusammengehaltenen Folge surrealer Szenen bestehende Werk Das Gespenst der Freiheit in die Kinos entließ, wurde gleichsam Hand an Röcke, Hosenbünde und allemal das Klo-Tabu gelegt. Zwar bildet das unnachahmliche Toiletten-Dinner keine eigenständige Episode. Aber als Beispiel in einer Rede eines etwas verwirrten Professors, der an der Polizeiakademie ein Seminar über die Relativität des Gesetzes abhält, entfaltet die Szene plötzlich Wirkung. Nachdem der Professor auf Melanesien und die Forscherin Margarete Mead zu sprechen gekommen ist, fährt er fort: »Ja, die Polygamie, bei uns verboten, dort ganz normal. Oder stellen Sie sich vor, meine Frau und ich sind zum Essen eingeladen …« Prompt werden zum Dinner geladene gutbürgerliche Gäste in einem Wohnzimmer an einen Esstisch platziert, dessen Sitzgelegenheiten aus WC-Becken bestehen. Die Gäste klappen folgsam die Klodeckel hoch, ziehen Kleider hoch und Hosen runter und nehmen Platz. Die Hausangestellte reicht Toilettenpapier auf Silbertabletts. Die Spülung rauscht. Als ein Kind vom Essen spricht, folgt umgehend die Ermahnung: »Nicht bei Tisch!« Dann erhebt sich einer der Herren, und bedeutet, er müsse mal austreten. Er sucht eine kleine Kammer auf, in der Baguette und Aufschnitt angerichtet sind.
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