Johann-Günther König - Pünktlich wie die deutsche Bahn?

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Ab 1835 entwickelte sich die Eisenbahn in Deutschland zu einem
unverzichtbaren Verkehrsmittel. Sie blieb es bis zu Beginn der 1960er
Jahre, als die Massenmotorisierung die »gute alte Zeit« der Eisenbahn
beendete. Ihr Anteil im Personenverkehr ist seitdem auf nicht einmal ein
Zehntel geschrumpft. Inzwischen konkurriert sie zudem mehr schlecht
als recht mit Billigfliegern und Fernbussen und kann mangels politischer
Weichenstellungen ihre System- und Umweltvorteile nicht ausspielen.
Johann-Günther König erzählt die Geschichte der zunehmend krisenhaften
Beziehung von Mensch, Politik und Eisenbahn. Dabei ist Kritik an der
Bahn nicht erst ein heutiges Phänomen. Bereits 1836 hieß es etwa: »Der
Tritt zum Wagen ist zu hoch, um auf und ab zu gehen.« Gegenwärtig sind
es nicht nur Verspätungen, Zugausfälle und Betriebsstörungen aller Art,
die den den Ruf des Marktführers Deutsche Bahn schädigen. König
zeigt die Probleme und Möglichkeiten des immer komplexeren Eisenbahngeschehens
auf und fragt, wie und inwieweit überhaupt noch die
Weichen für einen Neuanfang gestellt werden können.

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Johann-Günther König

Pünktlich wie die deutsche Bahn?

Eine kulturgeschichtliche Reise

bis in die Gegenwart

Für die VielBahnfahrer Ulrike Heinz und Thomas Hengst Ich danke Clemens - фото 1

Für die Viel-Bahnfahrer Ulrike, Heinz und Thomas Hengst.

Ich danke Clemens Wlokas für die konstruktive Begleitung

des Manuskripts.

© 2018 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe

www.zuklampen.de

Umschlaggestaltung: Stefan Hilden · München · www.hildendesign.de

Bildmotiv: Cover: Lithografie F. Revazzi / © Agile Rabbit Editions

Rückseite: Shutterstock.com/ Zastolskiy Victor, Bild_ID:235428322

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

ISBN 978-3-86674-712-8

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Inhalt

Cover

Titel Johann-Günther König Pünktlich wie die deutsche Bahn? Eine kulturgeschichtliche Reise bis in die Gegenwart

Impressum © 2018 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe www.zuklampen.de Umschlaggestaltung: Stefan Hilden · München · www.hildendesign.de Bildmotiv: Cover: Lithografie F. Revazzi / © Agile Rabbit Editions Rückseite: Shutterstock.com / Zastolskiy Victor, Bild_ID:235428322 E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018 ISBN 978-3-86674-712-8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Es rollen die Räder Es rollen die Räder Der große Dichter Hans Christian Andersen (1805–1875) fuhr am 10. November 1840 zum ersten Mal in seinem Leben mit der Eisenbahn. In deutschen Landen, um genau zu sein, wo sie anders als in seiner Heimat Dänemark bereits in Fahrt gekommen war. Seine durchaus märchenhaften Empfindungen bei der Reise mit dem »Dampfwagen« schilderte Hans Christian Andersen wenig später in einer kleinen Erzählung, die mit der Zeile anhebt: »Da manche meiner Leser keine Eisenbahn gesehen haben, will ich zuerst versuchen, diesen einen Begriff von einer solchen zu machen.« Da ausweislich amtlicher Statistiken eine große Zahl der Bundesbürgerinnen und -bürger nicht mit der Eisenbahn in Berührung kommt, scheint mir Andersens Versuch, »einen Begriff von einer solchen zu machen«, alles andere als obsolet. Wohlan: »Wir wollen uns einen gewöhnlichen Landweg vorstellen, er laufe gerade, er mache eine Biegung, gleichviel, aber eben muß er sein, eben wie eine Stubendiele, daher sprengen wir jeden Berg, der sich in den Weg stellt, bauen auf starken Bogen eine Brücke über Sümpfe und tiefe Thäler, und wenn sich dann der ebne Weg vor uns erstreckt, legen wir da, wo die Räderspur gehen wird, Eisenschienen, welche die Wagenräder erkennen können. Die Dampfmaschine wird vorgespannt mit ihrem Meister darauf, der sie zu lenken und aufzuhalten versteht. Wagen kettet sich an Wagen mit Mensch oder Vieh, und fort fährt man. Auf jedem Punkt des Weges weiß man Stunde und Minute, wann die Wagenreihe eintreffen wird, man hört meilenweit die Signalpfeife, wenn der Zug in Bewegung ist, und ringsumher wo Nebenwege für gewöhnlich Fahrende und Gehende die Eisenbahn durchschneiden, läßt die aufgestellte Wache den Schlagbaum vor ihnen nieder, und die guten Leute müßen warten bis wir passirt sind. […] Seht, das ist eine Eisenbahn!« 1

1. Ihr Reiseplan

2. Ihre nächste Reisemöglichkeit

3. Verzögerte Abfahrt ins Eisenbahnzeitalter

4. Gute alte Zeit?

5. Alles Aussteigen

6. Anschluss an Modernität und Fortschritt

7. Reisen in stets überfüllten Zügen

8. Verspätete Staatsbahn verpasst 21. Jahrhundert

9. Staatsunternehmen im Wettbewerb

10. Bahnhof verstehen

11. Kursbuch ade

12. Pünktlich wie die Eisenbahn

13. Voraussichtliche Ankunftszeit

14. Klimafreundlich auf dem Nebengleis

15. Betriebsstörung bei der Verkehrswende

16. Höchste Eisenbahn für die deutsche Bahn

Anmerkungen / Nachweise

Literaturhinweise

Der Autor

Es rollen die Räder

Der große Dichter Hans Christian Andersen (1805–1875) fuhr am 10. November 1840 zum ersten Mal in seinem Leben mit der Eisenbahn. In deutschen Landen, um genau zu sein, wo sie anders als in seiner Heimat Dänemark bereits in Fahrt gekommen war. Seine durchaus märchenhaften Empfindungen bei der Reise mit dem »Dampfwagen« schilderte Hans Christian Andersen wenig später in einer kleinen Erzählung, die mit der Zeile anhebt: »Da manche meiner Leser keine Eisenbahn gesehen haben, will ich zuerst versuchen, diesen einen Begriff von einer solchen zu machen.«

Da ausweislich amtlicher Statistiken eine große Zahl der Bundesbürgerinnen und -bürger nicht mit der Eisenbahn in Berührung kommt, scheint mir Andersens Versuch, »einen Begriff von einer solchen zu machen«, alles andere als obsolet. Wohlan: »Wir wollen uns einen gewöhnlichen Landweg vorstellen, er laufe gerade, er mache eine Biegung, gleichviel, aber eben muß er sein, eben wie eine Stubendiele, daher sprengen wir jeden Berg, der sich in den Weg stellt, bauen auf starken Bogen eine Brücke über Sümpfe und tiefe Thäler, und wenn sich dann der ebne Weg vor uns erstreckt, legen wir da, wo die Räderspur gehen wird, Eisenschienen, welche die Wagenräder erkennen können. Die Dampfmaschine wird vorgespannt mit ihrem Meister darauf, der sie zu lenken und aufzuhalten versteht. Wagen kettet sich an Wagen mit Mensch oder Vieh, und fort fährt man. Auf jedem Punkt des Weges weiß man Stunde und Minute, wann die Wagenreihe eintreffen wird, man hört meilenweit die Signalpfeife, wenn der Zug in Bewegung ist, und ringsumher wo Nebenwege für gewöhnlich Fahrende und Gehende die Eisenbahn durchschneiden, läßt die aufgestellte Wache den Schlagbaum vor ihnen nieder, und die guten Leute müßen warten bis wir passirt sind. […] Seht, das ist eine Eisenbahn!« 1

1. Ihr Reiseplan

Eingestiegen, abgefahren. Pünktlich angekommen? Nein. Der ICE Berlin–München verspätete sich am 8. Dezember 2017 heftig, und die Anschlusszüge in der bayerischen Metropole waren längst weg. Nichts Besonderes?

Am 8. Dezember 2017 rauschten zu der um mehrere Jahre verspäteten Eröffnung von Deutschlands neuer Schnellfahrstrecke zwei Sonderzüge mit Ehrengästen und Journalisten über die Nord-Süd-Magistrale. Sie liefen bei der von der Deutschen Bahn als Rekordfahrt beworbenen Premierentour pünktlich im Berliner Hauptbahnhof ein und fuhren nach dem prächtigen Festakt auch pünktlich wieder nach München ab. Auf der Rückfahrt nach Bayern kam einer der beiden Sonderzüge jedoch mehrmals nach Zwangsbremsungen auf der mit 29 Tunneln und 22 Brücken gespickten Strecke zum Stehen. »Störung in der Zugbeeinflussungsanlage« hieß es zunächst, dann »in Kürze gleich weiter« und schließlich »es gibt eine wiederkehrende Fahrzeugstörung«. Aus der geplanten Ankunft in München um 23.15 Uhr wurde nichts. Als der ICE gegen 0.30 Uhr nur noch im Schneckentempo »auf Sicht« vorankam und die Zugbegleiter mit der Ausgabe von Taxigutscheinen im Wert von zigtausend Euro begannen, schwante so einigen Fahrgästen aus Oberbayern, dass sie keinen Anschlusszug mehr erreichen würden.

In der Tat endete die glanzvoll begonnene »Rekordfahrt« trostlos um 1.22 Uhr im fast menschenleeren Münchener Hauptbahnhof. Die Verspätung betrug zwei Stunden und sieben Minuten; der Zug war ebenso lange unterwegs gewesen wie vor der Eröffnung der zehn Milliarden Euro teuren Schnellfahrstrecke des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit (inzwischen fährt er mehr oder weniger plangemäß). Für Spott brauchte die Deutsche Bahn AG nicht zu sorgen. »Verspätet – wie üblich«, lautete das ernüchternde Resümee. »Warum soll es Ehrengästen besser gehen als Normalfahrern?« das hämische. 2

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