1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Aber damit war es jetzt vorbei. Beau und Zac hatten es nur noch schlimmer gemacht, indem sie so taten, als könnte er einfach eine Prothese anschnallen und dann wieder aufs Boot steigen.
Selbst für einen starken und gesunden Mann war der Job schon schwer und nicht ungefährlich. Er hatte schon Stiefel und Handschuhe verloren, wenn er sich in den Leinen und Schnüren der Takelage verheddert hatte, das passierte den meisten Hummerfischern hin und wieder. Zum Glück hatte er sich noch nie mit einem ganzen Körperteil verheddert und war über Bord gegangen, aber mit einer Prothese würde er niemals die Gewandtheit und Schnelligkeit haben, die er an Bord brauchte. Zumindest würde es sicher Jahre brauchen, um sie zu erlangen.
Jetzt weckte etwas am Gespräch der Mädels seine Aufmerksamkeit, und er hörte genauer hin, den Blick aber immer noch fest auf den Fernsehbildschirm gerichtet.
„Ist das nicht der, der letztes Jahr im Sommer bei der Auktion deinen Picknickkorb ersteigert hat?“, fragte Lucy gerade.
„Ja, genau der“, bestätigte Paige. „Wir sind danach noch einmal miteinander ausgegangen, aber er hatte gerade eine längere Beziehung hinter sich und hat gesagt, dass er noch Zeit bräuchte. Vor einem Monat hat er mich dann wieder zu einem Date eingeladen. Freitag ist jetzt schon unser fünftes.“
Das fünfte? Er warf Zac einen finsteren Blick zu, aber der war so mit dem Footballspiel im Fernsehen beschäftigt, dass er nicht reagierte. Vielen Dank auch, dass du mir Bescheid gesagt hast, Kumpel.
„Und wohin geht ihr?“, fragte Lucy.
„Keine Ahnung. Er will mich überraschen.“
„Er hat so schön verträumte braune Augen“, meinte Eden jetzt.
„Wie ein Welpe“, fügte Lucy hinzu. „Hat er dich denn schon geküsst?“
Riley zerknüllte die Serviette auf seinem Schoß und kämpfte gegen den Impuls, sich die Ohren zuzuhalten. Er war froh, als die Red Sox in diesem Moment den Ausgleich erzielten und die anderen Gäste laut applaudierten und jubelten, sodass er Paiges Antwort nicht mitbekam. Er wollte sich nicht vorstellen, wie dieser andere Kerl sie küsste. Dieses Privileg hatte er nur ein einziges Mal gehabt. Er erinnerte sich daran noch ganz genau, und diese Erinnerung wollte er sich nicht verderben lassen.
„Seine Schultern sind wie gemacht, um sich daran auszuheulen“, sagte Lucy jetzt gerade. „Er ist doch auch in unserer Gemeinde, oder?“
Braune Augen, ihre Gemeinde … er hatte immer noch keine Vorstellung, um wen es da ging.
„Starker Glaube, starke Schultern … was will man als Mädel mehr?“, sagte Lucy.
Riley biss die Zähne zusammen und starrte auf den Fernseher.
„Gehört seiner Mutter nicht das Mangy Moose?“, fragte Eden. „Ich war im Frühjahr mal dort, als ich nach einer Kleinigkeit für Micah gesucht habe. Wir haben eine Weile geplaudert.“
„Ja, genau.“
Dann war also von Dylan Moore die Rede. Er war Hummerfischer wie Riley und stammte ebenfalls aus einer Familie, die schon seit Generationen vom Hummerfang lebte. Aber er hatte noch beide Beine. Und offenbar verträumte braune Augen.
„Du musst uns hinterher unbedingt von dem Date erzählen“, sagte Lucy jetzt.
Dann ging es in dem Gespräch um die anstehende Hochzeit von Eden und Beau, und Rileys Gedanken schweiften ab. Es war schwer gewesen, mit anzusehen, wie Paiges Beziehung zu seinem Bruder immer ernster wurde. Doch kurz vor seiner Abreise zur Army hatten sich die beiden getrennt, und er hatte sie für endlos lange Monate zurücklassen müssen, ohne zu wissen, ob sie bei seiner Rückkehr vielleicht mit jemand anderem zusammen sein würde. Doch in all den Szenarien, die er sich ausgemalt hatte, hatte es wenigstens immer einen Hoffnungsschimmer für ihn gegeben.
Jetzt musste er mit ansehen, wie dieser Schwachkopf mit ihr ausging, und das auch noch in dem Wissen, dass es für ihn selbst und Paige keine Hoffnung gab. Denn selbst wenn sich ihre Gefühle für ihn änderten – und das war ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sonnenaufgang um Mitternacht –, würde er ihr niemals den Mann zumuten, der er jetzt war.
Irgendwie musste er sich an die Vorstellung gewöhnen, dass sie mit jemand anderem zusammen war, denn wenn es eine Frau gab, die die Liebe eines guten Mannes verdient hatte, dann war das Paige.
Schon allein der Anblick, wie Paige in Yogahose und T-Shirt im Haus herumflitzte, machte Riley schwindelig. In der Küche holte sie ein Glas Wasser, das er gar nicht brauchte, dann rannte sie halb die Treppe hinauf, wo sie mit gerunzelter Stirn stehen blieb und murmelte: „Was wollte ich hier noch gleich? Ach ja, meine Klamotten! Du liebe Güte, ich bin ja völlig durch den Wind.“ Dann weiter die Treppe hinauf, von wo aus sie über die Schulter nach unten rief: „Brauchst du eine Decke? Es ist ein bisschen kühl hier drinnen. Ich mache die Fenster lieber zu. Wenn es dir zu kalt ist, kannst du später auch gern die Heizung einschalten.“
Es war völlig sinnlos, darauf etwas zu entgegnen, denn sie war wie die Dunlop-Häschen, seit sie von der Arbeit nach Hause gekommen war. Dylan sollte in – er schaute auf seine Uhr – fünf Minuten da sein, um sie zu ihrem Date abzuholen. Er hielt ein Sofakissen fest umklammert. Das hier war wirklich hart.
Über ihm knarrte jetzt der Fußboden unter den eiligen Schritten. Ein paar Minuten später kam sie mit ihren sonnengebräunten Beinen wieder die Treppe heruntergesaust. Sie trug ein hellblaues Shirt, das genau die Farbe ihrer Augen hatte, Shorts, die viel zu viel Bein zeigten, und ihr Haar fiel ihr wie gesponnenes Gold glatt über die Schultern. Umwerfend sah sie aus, einfach atemberaubend.
Sein Herz schlug zu schnell, und beinah hätte er ausgesprochen, was er dachte, aber dann würzte er das Ganze mit einer guten Dosis Kumpelhaftigkeit und sagte: „Hey, gut siehst du aus.“
„Danke. Habe ich dir schon gesagt, dass Zac eine Portion Chickenwings vorbeigebracht hat? Außerdem ist auch noch deine Lieblingspizza im Tiefkühlfach und natürlich die zwölf verschiedenen Aufläufe von deinem Fanclub.“
„Alles klar.“
„Ich wollte dir eigentlich noch einen frischen Obstsalat machen“, rief sie jetzt aus der Küche. „Aber das habe ich nicht mehr geschafft.“
„Den kann ich mir nachher auch selbst machen.“
„Manchmal hört die Toilettenspülung nicht auf zu laufen. Weißt du, was du dann machen musst?“
„Natürlich weiß ich das. Ich bin doch nicht blöd.“ Es gelang ihm nicht, seine beginnende Gereiztheit zu verbergen.
Sie blieb in der Tür zur Küche stehen, sah ihn kurz stirnrunzelnd an und fragte: „Was ist denn?“
„Nichts.“
Doch sie blieb dort stehen, verschränkte die Arme vorm Körper und sah ihm fest in die Augen.
Also gut, wenn sie wollte, dass er es sagte, dann sagte er es eben. „Du gluckst auf mir herum, und ich brauche keinen Babysitter.“
„Ich bin doch gar nicht dein Babysitter, Callahan, sondern deine Freundin.“
Ja klar, sie war seine beste Freundin – mehr nicht. Daran brauchte sie ihn nicht extra zu erinnern. Aber vielleicht ja doch. Vielleicht war das ja der Grund für seine miese Stimmung. Dieses blöde Date wühlte alle möglichen dummen Gedanken und Gefühle bei ihm auf.
Er biss die Zähne zusammen, um den Müll bei sich zu behalten, der sich in seinem Kopf angesammelt hatte und ihm jetzt auf der Zunge lag. Aber das wurde immer schwerer.
Paige stand an den Türrahmen gelehnt da und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich tue nichts für dich, was du nicht auch für mich tun würdest, Riley. Wenn ich mich recht erinnere, ist es sogar das erste Mal, dass du derjenige bist, der etwas annehmen muss. Bis jetzt war es immer so, dass du dich um mich gekümmert hast. Du hast mich umsorgt, als Caspar angefahren wurde, hast meine Heizung repariert und meinen Ölwechsel erledigt. Erinnerst du dich noch an den Abend, als ich siebzehn war und dummes Zeug gemacht hatte, weil mein Vater gestorben war? Auch da bist du für mich da gewesen und hast dich um mich gekümmert.“
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