Die weitaus meiste Zeit des Jahres sind das Land und die Pisten mehr als trocken und von der Sonne ausgedörrt. Dann hat man mit dem allgegenwärtigen Staub zu kämpfen, der die Sicht beeinträchtigt und sich seinen Weg ins Fahrzeuginnere sucht – durch offene Fenster und Dichtungen hindurch. Um den leichten Überzug aus feinstem Puder zu vermindern, öffnet man im hinteren Teil des Wagens bzw. in der Gepäckkabine (bei Pick-up-Aufbauten) ein Fenster. Es dringt nicht mehr, sondern deutlich weniger Staub ein, weil so ein Vakuum vermieden wird, das den Staub magisch anziehen würde. Der Staub außen sollte im Normalfall dichter und störender sein als derjenige im Innenraum des Fahrzeuges. Der Staubfahne eines vorausfahrenden Fahrzeuges entgeht man nur durch langsameres Fahren, sicheres Überholen oder einen Windwechsel. Dem Gegenverkehr samt aufkommendem Staub und fliegenden Steinen begegnet man am besten langsamer fahrend auf der ganz linken Seite der Fahrbahn. Zur eigenen Sicherheit sollte bei Gegenverkehr, großem Staubaufkommen und in der Dämmerung das Licht eingeschaltet werden.
In der Hitze Namibias wird das Auge nicht nur vom Staub, sondern auch von der hohen Sonneneinstrahlung und dem damit verbundenen intensiven Schattenschlag gefordert. Mögliche Schlaglöcher, Sandverwehungen, Steine, Rinnen etc. werden oft erst in letzter Sekunde oder zu spät entdeckt. Dann heißt es aber wiederum: Durchfahren und durchrütteln lassen ist allemal besser als das Lenkrad noch schnell ruckartig herumzureißen.
Durchhalten ist auch beim sogenannten „Wellblech“ angesagt. Dabei handelt es sich um unbefestigte Straßen, die quer zur Fahrtrichtung liegende Bodenwellen ähnlich einem Wellblechmuster aufweisen. Voraussetzung für die Entstehung dieser Strukturen sind schwere und schnelle Fahrzeuge und eine schon vorhandene Vertiefung in der Fahrbahnoberfläche. Beim Herausfahren aus der Vertiefung bewegt sich das Rad wie auf einer Rampe nach oben, um nach einem kurzen Sprung eine weitere Bodenvertiefung vorzubereiten. So entsteht nach und nach eine Wellblechpiste, die Mensch und Material vor eine harte Prüfung stellen, zumal es keine gute Lösung gibt. Entweder man fährt langsam über den Streckenabschnitt hinweg, reitet dann aber jede Bodenwelle ab. Oder man fährt bzw. fliegt schneller darüber hinweg, so dass die Räder nicht jede Querrille mitnehmen. Dabei läuft man allerdings Gefahr die Bodenhaftung komplett zu verlieren und ins Schleudern zu geraten.
In Namibia das normalste der Welt: Fahren auf Schotter!
Als guter Vergleich kann die Fahrt auf Schotter mit der auf einer schneebedeckten Bundesstraße verglichen werden. Umsichtiges und vorausschauendes Fahren ist oberstes Gebot! Dies gilt besonders für das Bremsen: Durch abruptes und heftiges Bremsen (Vollbremsung!) kann der Wagen leicht ins Schleudern geraten. Durch gefühlvolles Bremsen und leichte Ausweichmanöver können die meisten schwierigen Situationen wie Wildwechsel, geplatzter Reifen etc. gemeistert werden. Auch der Zeitpunkt des Bremsens ist entscheidend: Bei scharfen Kurven sollte z. B. nie in der Kurve selbst gebremst werden. Vielmehr sollte der Bremsvorgang schon weit vor der Kurve begonnen und die Kurve anschließend mit gedrosselter Geschwindigkeit durchfahren werden.
Über den Zustand der Schotterpisten, mögliche Gefahrenpunkte und etwaig bessere oder schönere Ersatzrouten wissen Einheimische am besten Bescheid. Wer fragt, gewinnt also (Informationen dazu)! Gelegenheiten bieten sich immer: in der Unterkunft beim Ein- oder Auschecken, an der Tankstelle oder beim Einkauf im Shop. Auch die Aussagen anderer Reisender, z. B. entgegenkommender Fahrzeuge, können wichtige Informationen liefern.
Allrad
Einer der häufigsten Fehler ist es, den Allrad erst dann zu benutzen, wenn es schon (fast) zu spät ist. Der Allradantrieb darf aber auch schon gern verwendet werden, bevor man sich festfährt. Sobald das Fahren unsicher und das Gelände rauer werden, sollte ein Allradgang eingelegt werden. Allrad verbessert das Fahrverhalten auch schon auf normalen Schotterstraßen; die vier angetriebenen Räder erhöhen die Bodenhaftung des Fahrzeuges. Einzig der Kraftstoffverbrauch „leidet“ unter dem Einsatz des Allrad.
Doch wie benutzt man den Allrad eigentlich? Und welche Arten des Allrad-Fahrens gibt es?
Ein Großteil der in Namibia zur Verfügung stehenden Mietwagen mit Allrad verfügen über einen zuschaltbaren Allradantrieb und eine automatische Freilaufnabe. Der zuschaltbare Allradantrieb ermöglicht das Wechseln zwischen Zweiradantrieb und Allradbetrieb.
H2 ( high two )
H2 ( high two ) = Zweiradantrieb
Einstellung für das Fahren auf Straßen und hohe Geschwindigkeiten.
Diese Stellung erlaubt wirtschaftlicheres, geräuscharmes Fahren mit dem geringsten Verschleiß.
H4 ( high four )
H4 ( high four ) = Vierradantrieb/Allrad (Untersetzung ausgeschaltet)
Einstellung für Pisten, Schotterstraßen etc., d. h. potenziell rutschigen Untergrund.
Diese Stellung bietet eine stärkere Traktion als der Zweiradantrieb. Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
L4 ( low four )
L4 ( low four ) = Vierradantrieb/Allrad (Untersetzung eingeschaltet)
Geländegang für schwierige, langsam zu befahrende Passagen wie steile Bergauf- oder Bergabfahrten und Geländefahrten in Sand oder Schlamm. Diese Stellung sorgt für mehr Drehmoment und Traktion.
Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h
Sollte der low four (L4) wirklich nicht ausreichen, gibt es auch noch die Differenzialsperre (englisch: differential lock oder kurz diff lock ). Differenziale gleichen Drehzahlunterschiede zwischen den Rädern einer Achse oder zwischen Vorder- und Hinterrädern aus, wie sie in Kurven auftreten. Im Gelände kann es dazu kommen, dass einzelne Räder durchdrehen, während die anderen stillstehen. Die Differenzialsperre bewirkt eine starre Verbindung zwischen den Rädern einer Achse (vordere oder hintere Differenzialsperre) oder zwischen Vorderachse und Hinterachse (zentrale Differenzialsperre) und verhindert so das Durchdrehen der Räder.
Differenzialsperren sollte nur in Ausnahmefällen betätigt werden, z. B. wenn ein Rad in einer Bodenvertiefung oder auf rutschigem oder gewelltem Untergrund durchdreht. Weder beim Zuschalten der Sperre noch beim Entriegeln darf eine Kraft über den Antriebsstrang geleitet werden. Wie man schnell merken wird, bedarf das Fahren mit der Differenzialsperre einem höheren Lenkaufwand und damit größerer Vorsicht in Kurven. Die maximale Geschwindigkeit mit eingerücktem Differenzial liegt bei 8 bis 10 km/h. Differenzialsperren sind nicht für den Dauerbetrieb und dem Gebrauch auf festem Untergrund gefertigt und können dabei beschädigt oder zerstört werden.
Bevor es mit dem zunächst noch fremden Mietwagen auf Pad und ins Gelände geht, sollte dieser ausgiebig getestet werden. Das beinhaltet auch das Verstehen und Ausprobieren der verschiedenen technischen Einstellungen und Antriebsvarianten. Denn auch das Fahrverhalten des Geländewagens ändert sich je nach verwendetem Geländegang. Es ist allemal besser, dies im Vorhinein zu erlernen und zu erfahren, als sich mit der Materie erst zu beschäftigen, wenn das Auto schon fest im Sand eingegraben ist.
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