1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 »Und wie sind die Kollegen?«
»Nett und sehr hilfsbereit. Die Leiterin ist so Mitte fünfzig und sehr ruhig. Sie sagt kein Wort mehr als nötig. Aber die Kinder mögen sie gern. Sie leitet das Frauenturnen am Donnerstagabend. Das findet immer in der Turnhalle statt, in der Heiko Schulsport hat.«
»Dann gehst du also donnerstags jetzt immer aus und lässt uns drei allein?«
»Aber doch nur für zwei Stunden. Und außerdem hat die moderne Frau von heute auch schon mehr Ansprüche und die Gleichstellung ermöglicht es ihr, diesen Bedürfnissen auch nachzugehen.«
»Das war doch Spaß. Und eigentlich freue ich mich ja darüber, dass du unter Leute kommst.«
»Ich weiß und ich bin dir ja auch nicht böse. Aber um mich sorgenfrei dem Sport hingeben zu können, könntest du mir heute gleich mal beweisen, dass du die Kinder ins Bett bekommst, mit Heiko die Schultasche packst und seine Brote schmierst.«
»Wo sind denn die Kinder?«
»Noch auf dem Spielplatz, aber sie kommen gleich hoch.«
*
»Papa, Papa ich gehe morgen mit Mama in einen anderen Kindergarten. Da ist Mama nämlich Erzieherin.«
»Ich habe schon gehört. Und darfst du dann auch mit ihr nach Hause gehen oder musst du noch Mittagsschlaf machen?«
»Mama hat gesagt, wenn ich mich mit den neuen Kindern vertrage, kann ich auch zu Hause Mittagsschlaf machen.«
»Das ist ja schön, kleines Fräulein, aber trotzdem geht es jetzt erst einmal ab in die Badewanne.«
»Kommt Heiko auch mit, denn sonst ist es immer so langweilig.«
»Da kommt er schon. Und wie war es bei dir in der Schule?«
»Die Pausenmilch war sauer und wir durften die dann nicht weitertrinken.«
»Aber saure Milch schmeckt doch sowieso nicht. Stefan hat gesagt, die schmeckt, wie wenn man in eine Zitrone beißt.« Heiko und Jana lachten und planschten im Badewasser. »Wenn ihr was braucht, dann ruft einfach.«
»Geht in Ordnung Käpt´n.« rief Heiko im Ton des folgsamen Schiffsjungen, den er neulich in einem Piratenfilm gesehen hatte. Er würgte das Gekicher ab, indem er die Badezimmertür schloss. Gerda wartete auf dem Flur. »Heiko nimmt zwei Stullen mit Käse in die Schule. Die Brotbüchse liegt in seinem Schulranzen.«
Eine halbe Stunde später hatte er die Kinder abgetrocknet, ihnen das Abendbrot zubereitet, abgeräumt, Jana ins Bett gebracht und saß jetzt mit Heiko vor seinem Schulschrank. »Was habt ihr morgen für Fächer?«
»Zwei Stunden Mathematik, eine Stunde Deutsch und in der vierten Stunde Heimatkunde.«
»Wo hast du deine Bücher?«
»Hier liegen sie.«
»Und deine Hefte?«
»Die habe ich schon eingepackt.«
»Hast du für morgen Hausaufgaben auf?«
»Wir mussten zehnmal das ›G‹ schreiben und eine Seite in der Fibel lesen.«
»Hast du alles gemacht?«
»Ja.«
»Na dann ab in die Tasche mit deinen Büchern und husch ins Bett.«
»Mama fragt mich immer noch mal ab, was in der Fibel stand.«
»Das machen wir dann am Donnerstag. Da haben wir viel Zeit zusammen.« Unter der Aufsicht von Gerda verließ er das Kinderzimmer und ging in die Küche. »Jetzt noch abwaschen und dann habe ich meinen Dienst für heute erledigt.«
»Mit Bravour erledigt.« ergänzte Gerda.
»Mama.« Janas Stimme drang durch die geschlossene Kinderzimmertür in die Küche. »Was hast du denn?«
»Kann ich mir noch ein Gute-Nacht-Lied singen?«
»Ja, aber nur eins und dann schläfst du, versprochen?«
»Versprochen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht mein Schatz.« Axel spülte die Gläser vom Abendbrot, Gerda trocknete ab. Dabei lauschten sie dem Gute-Nacht-Lied ihrer Tochter:
»Kommt ein kleiner Teddybär aus dem Spielzeuglande her …«
*
»Guten Morgen Axel.«
»Guten Morgen Jürgen.« Sie kamen gleichzeitig auf dem Parkplatz an. Kannst du mir am Donnerstag mal eine Stunde helfen, die Steine für den Grill abzubürsten?«
»Am Donnerstag ist schlecht. Ich muss auf die Kinder aufpassen, weil Gerda am Donnerstagabend jetzt zum Frauenturnen gehen will.«
»Ach das ist ja ein Ding. Karin geht da auch immer hin.«
»Die Leiterin ist ihre Chefin im Kindergarten.«
»Ja, Isolde Richter.«
»Ich weiß nicht, ob sie so heißt, aber Gerda versteht sich gut mit ihr.«
»Arbeitet deine Frau jetzt im Kindergarten?«
»Erst einmal nur stundenweise, aber sie freut sich, mal rauszukommen.«
»Das klingt doch immer besser bei euch. Kannst du denn dann am Wochenende mal eine Stunde für mich opfern?«
»Ich denke, das lässt sich einrichten, wenn wir bei der Einweihung des Grills einen Platz in der ersten Reihe bekommen.«
»Ich bin ziemlich sicher, dass wir euch diesen Wunsch erfüllen können. Ich habe übrigens mit Karin gesprochen. Die kennt noch jemanden, der in dem Betrieb arbeitet, wo die Gasbetonsteine hergestellt werden.«
»Kann sie dort mal für uns nachfragen?«
»Ich denke, dass du das selber machen kannst. Es ist nämlich der Mann von Frau Dechsler, der Sekretärin vom Genossen Liedke.«
»Unsere Frau Petersohn?«
»Ja, versuche mal dein Glück.«
»Das werde ich tun.«
*
Das Büro von Frau Petersohn lag gleich neben dem Dienstzimmer des Kombinatsleiters Liedke. Hier war es ruhig und der helle Gang strahlte mehr Gemütlichkeit aus als die verstaubten Werkhallen. Ein schwerer Duft nach Fliederparfüm lag in der Luft. Axel hatte sich extra das Gesicht und die Hände gewaschen, um einen sauberen Eindruck zu machen. Wie sollte er Frau Petersohn fragen? Eher freundlich und diplomatisch? Große Umwege über das Wetter und den gestrigen Fernsehfilm gehen oder direkt auf die Arbeit ihres Mannes ansprechen. Eigentlich war sie bei der Begrüßung nett und hilfsbereit gewesen. Aber da wollte er ja auch nichts Persönliches von ihr.
»Genosse Weber.« Frau Petersohn trat gerade aus dem Büro des Kombinatsleiters und schob ihre Brille gerade. »Wollen Sie zum Chef oder zu mir?« Jetzt blieb keine Zeit mehr, um sich eine Strategie zu überlegen. »Zu Ihnen, wenn es Recht ist.«
»Ich komme geflogen.« Sie deutete einen Laufschritt an und schloss die Tür zu ihrem Büro auf. »Wie kann ich Ihnen denn behilflich sein?«
»Frau Petersohn …« er zögerte » … Ihr Mann arbeitet doch im Betonwerk.«
»Ja.« entgegnete Sie immer noch freundlich. »Wir haben einen Garten gepachtet und würden jetzt gern eine Laube bauen. Aber dafür benötigen wir ein paar Gasbetonsteine.« Ihr interessierter Gesichtsausdruck wich einem mitteilungsbedürftigen Blick: »Das mit dem Garten hat sich schon bis hier oben rumgesprochen. Nur die Idee mit der Laube ist neu.«
»Naja, unsere Entscheidung steht noch auf wackligen Füßen. Meine Frau ist noch nicht restlos von meinem Einfall überzeugt.« Frau Petersohn winkte aufmunternd ab. »Ach Herr Weber, das wird schon. Lassen Sie ihr Zeit. Und wenn Sie dann sieht, wie die Laube wächst, dann wird sie sich schon freuen.«
»Wenn ich ihr zeigen kann, dass ich das Zubehör besorgt bekomme, hilft das?« »Natürlich. Und das mit den Steinen dürfte kein Problem sein. Neue Steine sind allerdings schlecht zu bekommen und kosten zu viel. Die Kombinatsangehörigen können Bruchsteine mit kleinen oder größeren Schönheitsfehlern zu einem Zehntel des normalen Preises bekommen.«
»Aha.«
»Besorgen sie einen Anhänger und ich besorge den Rest.«
»Bekommt Ihr Mann keinen Ärger, wenn er die Steine gar nicht für sich benutzt?«
»Ach Genosse Weber. Erstens müssten die wertlosen Steine zur Müllhalde gebracht werden. Zweitens haben die anderen Kollegen auch viele Freunde und Bekannte. Und drittens könnten wir schon ein Hochhaus mit den Abfallsteinen bauen, die wir alleine in diesem Jahr vom Betonwerk bezogen haben.«
»So einfach geht das?« Er wirkte ungläubig. »Ja genau so einfach kommt man manchmal zu ein paar Gasbetonsteinen.« begegnete sie seinen Bedenken. »Danke Frau Petersohn. Wir sind Ihnen etwas schuldig.«
Читать дальше