„Tee?“ Frank konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. „Sie brauchen etwas Härteres. Etwas, um mit Ihren neuen Freunden anzustoßen, mein Herr. Eine Runde Bourbon für uns vier!“
Als Frank sein Glas mit dem frisch eingeschenkten Abendgetränk zu einem kurzen Trinkspruch erhob, ahnte er bereits, dass er diesen Abend bereuen würde. Und vielleicht gerade deswegen wollte er diesen Augenblick genießen, als wäre es sein letzter. „Meine Freunde“, begann er, indem er nacheinander jedem zublinzelte. „Dies ist ein besonderer Moment, der Anfang von etwas Neuem, bei dem man das Ende noch nicht erahnen kann. Auf diesen Moment. Skol.“ Dann goss er sich das braune Gesöff abermals mit einem Ruck in die Kehle.
Aufmerksam beobachtete er seine neu gewonnenen Saufkumpane. Schließlich musste man ja wissen, mit wem man es zu tun hatte. Ronaldo verzog das Gesicht bei seinem zweiten Drink schon merklich weniger. Und Susanne schien Wasser im Glas zu haben, da ihr Gesichtsausdruck völlig entspannt blieb.
Hans hingegen reagierte heftig auf das geleerte Glas. Erst stockte ihm der Atem, bis sein Gesicht rot anlief, dann prustete er einen kleinen Rest, den er nicht hatte schlucken können, quer über die Bar. Die darauffolgende Hustattacke dauerte minutenlang. Am Ende stützte er sich auf Frank, der ihm verständnisvoll den Rücken tätschelte.
„Alles in Ordnung, Kumpel. Der Tee hat es in sich, nicht wahr?“ Frank genoss dieses Flair der alkoholisierten Hingabe an ein Gift, das einem die Sinne vernebelte und die seelischen Schmerzen nahm. „Ich bin Frank, und ich hasse das Leben“, begann er, sich und die anderen vorzustellen. „Die junge, hübsche Dame ist Susanne. Sie hasst das Leben zwar nicht, hat aber eine Scheißlaune. Und das hier ist Ronaldo, den sein alter Lover verlassen hat und den jetzt sexuelle Selbstzweifel quälen.“
Hans musterte sie nacheinander und fragte sich insgeheim, wie er diesem Trio Infernale nur entkommen könnte. Natürlich hätte er sich einfach nur umdrehen und verschwinden können, aber es war eine beinahe schicksalhafte Kette, die ihn daran hinderte. „Mein Name ist …“ Er stockte kurz und brachte seine noch sauberen Hände in den Hosentaschen in Sicherheit. „Hans. Hans Burchard. Hans Burchard Immobilien.“
„Hallo Hans“, grüßte Susanne ihn freundlich. „Was Frank wissen will, ist, ob du auch einen schlechten Tag hattest.“
„Na ja, es geht so.“ Sein Erlebnis neben Ronaldo während des Symposiums war sicherlich nicht das Aufbauendste gewesen, aber er vermied es, ihn anzusehen. „Schmutz“, antwortete er schließlich, als er wieder die Bilder seiner Immobilienbesichtigung von heute Morgen vor Augen hatte. „Aber ansonsten war es okay.“ Mehr wollte er dazu nicht sagen.
„Immerhin etwas. Also willkommen im Club der verlorenen Seelen.“ Frank winkte dem Barkeeper wieder zu, die Gläser zu füllen. „Ich habe einfach nur die Nase voll, immer wieder als Fußabtreter benutzt zu werden. Immobilienmakler genießen in Deutschland nicht gerade ein hohes Ansehen.“
Dies musste er nicht weiter erläutern. Ronaldo, Susanne und Hans nickten, da sie wussten, dass er recht hatte. Die meisten Menschen glaubten, Makler würden ihr Geld mit Nichtstun verdienen. Doch das stimmte nicht. Niemand ahnte, wie viel Arbeit hinter einer Immobilienvermarktung stecken konnte. Der Kunde sah nur, wie er nach einer Besichtigung zum Notar geführt wurde und dafür viel Geld an den Makler zu zahlen hatte. Dass er jedoch vielleicht schon der Zehnte oder Zwanzigste war, dem das Objekt gezeigt worden war, wusste er nicht. Die Arbeit des Maklers war vielfältig: Objektaufnahme, endlose Gespräche über die beste Vermarktungsstrategie, Beschaffung aller Unterlagen, Exposéerstellung, Veröffentlichung, Ansprache aller Partner wie Banken, Steuerberater und andere. Dann erst kamen die Besichtigungen. Immer wieder musste man alles von vorne erklären und gegen mit Vorurteilen behaftetes Halbwissen kämpfen. Und wenn dann endlich ein Kunde gefunden war, kamen die Preisverhandlungen und der Notarentwurf. Das alles sah der Kunde nicht und fühlte sich am Ende einfach nur betrogen. Die Lobby der Immobilienmakler war schwach.
„Frank, das geht uns allen so. Was wir verdienen, das nenne ich Schmerzensgeld“, brachte es Ronaldo auf den Punkt. „Ich habe mich schon daran gewöhnt. Jeder kann unbeschadet auf uns herumtrampeln, was besonders Politiker gerne tun, um sich vor ihren Wählern zu profilieren.“
„Es ist nicht nur das.“ Hans schüttelte den Kopf. Er hatte sich wieder im Griff, nachdem er einige Male tief durchgeatmet hatte und das Gift ein wenig nachzulassen begann. „Makler mag keiner, weil die Regierung uns nicht mag und das auch ständig kundtut. Dabei geht es den Politikern um mehr. Natürlich können sie sich in ein gutes Licht stellen, wenn sie uns schaden. Das liegt daran, dass niemand versteht, was da eigentlich wirklich passiert. Immobiliengeschäfte stellen mit die gewaltigste Finanzbewegung eines Staates dar. Wer hier alles kontrolliert, hat den Geldfluss in der Hand. Der Staat baut seinen Überwachungsapparat kontinuierlich aus. Deshalb kommt eine Schikane nach der anderen. Alle sollen gläsern werden, durchschaubar und unmündig. Das Geld wird früher oder später abgeschafft. Dann kann man jeden auf Schritt und Tritt überwachen. Darum geht es. Deswegen versucht man, uns in eine schwache Position zu bringen. Wer schwach ist, kann sich nicht wehren.“
Die Stimmung zwischen ihnen drohte zu kippen. Missmutig schauten sie sich an, da sie verstanden, was geschah. Vielleicht war es einfacher, in einer Matrix zu leben, in der alles nur Illusion war. Das Bild eines Glücks, das nicht existierte.
„Wisst ihr was?“ Frank erhob sein Glas und starrte es einige Sekunden lang an, bevor er fortfuhr. Es lag etwas Lauerndes in seinem Blick, das alle sofort wahrnahmen. „Lasst uns einen Plan schmieden. Ich habe da so eine Idee.“
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