Kontroverse
Amor als Stimme der Minne
Liebende sind im Tarot wie im tatsächlichen Leben immer zu zweit, windiger Anwalt des Teufels - zwei, die sich entschieden haben, ihre persönliche Identität einer verbindenden Zweisamkeit zu opfern, nachdem sie vom Liebespfeil getroffen worden sind. Die Entdeckung des einen, im anderen genau das zu finden, was ihm selbst fehlt, lässt sie mit ihrem Gegenüber verschmelzen. Auch wenn ihre unbefleckten Herzen von den vielen Mühen und Schwierigkeiten im Leben noch nichts ahnen und sie auch nicht wissen, wie schwer der Schritt des Menschen bis zur vollständigen Bewusstwerdung der eigenen Existenz werden wird, so adelt ihre Unschuld das Begehren und erklärt auch die Reinheit ihrer Absichten und die Gutgläubigkeit ihrer Ansinnen. Freilich wird dieser Schmerz hier noch in aller Süße erlebt, wird er doch gelindert vom ungetrübten Vertrauen in sich selbst, das noch nichts von der Qual unerfüllter Hingabe weiß. Deshalb wohnt selbst dem unscheinbarsten Geschöpf der vitale Antrieb sexueller Anziehung inne, sich nach einem Partner zu sehnen und ohne Vorbehalte in die Liebesgrotten einzutauchen. Die Vermählung mit der Sehnsucht findet hier ihre Auferstehung und mit ihr auch der unerschütterliche Wille, in gemeinsamer Zuneigung zur Urquelle der Schöpfung zurückzufinden, aus der das Geläute des Lebens dröhnt. Das Leid des Getrenntseins von dem, was jeder Seele zur Vollständigkeit fehlt, seit der Mensch aus dem Paradiesgarten vertrieben worden ist, gilt es auf dem langen Weg des Lebens ganz von alleine zu erfahren, und dieses unstillbare Sehnen nach dem Ziel der Wiedervereinigung mit dem Ganzen ist der Wesenskern dessen, was dieser Liebeskarte als Antrieb zu Grunde liegt. Sollten Sie nicht lieber auch danach streben, gnadenloser Verdreher emotionaler Gegebenheiten, sich mit der verlorenen Liebe wieder zu verbinden, statt sich nur über die Unerreichbarkeit Ihrer Ziele zu mokieren?
Akronos als Advocatus Diaboli
Glaubt Ihr wirklich zu wissen, was Liebe ist und auf was sich unser aller Streben bezieht, beneidenswerter - oder soll ich lieber sagen bedauernswerter - Fürst Amor? Was wir im Grunde erfahren wollen, ist nicht die Liebe, sondern nur die Erfüllung unserer eigenen Sehnsucht nach Liebe. Sie leben wir in unserem Inneren aus, und dazu benötigen wir oft mehr das Bild des anderen in uns als diesen selbst. In solchen Momenten scheint er uns all das, was wir bei uns vermissen, zurückzugeben, damit wir in uns diese Empfindung von Vollständigkeit, derer wir allein nicht fähig sind, erfahren können. Tatsache ist: Das innere Selbst erschafft die körperliche Anziehung, die das nach außen orientierte Ich in die Energie des anderen hineinzwingt. Die Liebe lässt dem Körper so viele Reize zukommen, damit sich dieser mit der Physis des anderen verschmelzen will. Wird es von starken Gefühlen überrannt, dann droht es sich in sich selbst zu verlieren - es sucht dann das göttliche Gefühl im anderen und verliert das Bewusstsein, selbst Teil dieser Einheit zu sein. Doch mit etwas Übung können wir entdecken, dass die Liebe in uns selbst liegt und dass das Gefühl, sie auf den anderen zu projizieren, dem Wesen der Schöpfung entspricht, unsere Gene mit den Genen der anderen zu vermischen. Im Zustand der Anziehung füllen sich Millionen physischer Zellen mit psychischer von den Instinkten dirigierten Willenskraft. Man könnte auch sagen, dass Liebe Energie in Form elektromagnetischer Ladungen ist, die statt Licht oder Sturmwinden menschliche Gefühle freisetzt. Deshalb liegt dieser Karte der vitale Antrieb des kosmischen Bewusstseins zugrunde, um sich im Bild des anderen schöpferisch zu entfalten. Das Gefühl der Liebe kann aber auch auf geistiger Ebene stattfinden. Wenn der Schüler die Weisheit im Lehrer sucht, also in seine Energiegestalt eindringt, um den essenziellen Gehalt seines Wissens im anderen zu finden, versucht er sich in die Wissensfrequenz des Meisters einzubringen (er zieht sich an die Frequenz des anderen heran), um beide Polaritäten, Suchen und Finden, miteinander zu verbinden, was sich auf geistiger Ebene auch der Kraft sexueller Anziehung bedient. Zusammengefasst ist die Liebe eine Energie, die in die eigene Triebstruktur eingerollt ist und gleichzeitig in die Sphäre des anderen eingreift, indem sie das Bild der Anziehung im Pol des Angezogenen zu verankern sucht. Die Berührungspunkte sind die Frequenzen der Sympathie, die, wenn sie sich miteinander verbinden, sich gegenseitig als Eingänge öffnen, durch die wir in den anderen einströmen können, ohne von uns selbst getrennt zu sein.
Bei den Liebenden treffen wir nach einer Reihe von einzelnen Archetypen zum ersten Mal auf eine Karte, in der zwei Personen in Beziehung zueinander dargestellt werden. Nach der Geburt des Lebens und der Manifestation von Struktur und Glauben taucht nun die Spiegelung in einem Gegenüber auf. Dies setzt voraus, dass wir ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, getrennt zu sein, aus dem mit den Liebenden nun die Sehnsucht nach Vereinigung entsteht, von der wir glauben, dass wir sie nur durch einen anderen Menschen erlangen können. Das Weltbild, das wir uns mit dem Herrscher und Hohepriester aufbauten, wird dadurch erschüttert, denn die Strukturierung und Vergeistigung, die wir in uns und unserer Umwelt erfahren haben, bewirkte zugleich eine deutliche Distanzierung von den Eigenschaften der Hohepriesterin und Herrscherin . Die fehlende Nähe erobern wir nun aber mit den Liebenden zurück, indem wir unsere Sehnsucht entdecken, männlich und weiblich zu vermählen. So stellen sie an sich noch nicht die Verschmelzung und Wiedererlangung der Einheit mit dem anderen dar, sondern in erster Linie das tiefe, emotionale Bedürfnis, unsere Wahrnehmung von uns selbst als einzelnem, unvollständigem Pol aufzuheben. In unserem Alltag symbolisieren sie die berühmten »Schmetterlinge im Bauch«, die Anziehung, die eine andere Person auf uns ausübt, die Freude, die wir am Austausch und Umgang mit Mitmenschen fühlen, die Zufriedenheit und den Glücksrausch, den wir spüren, wenn wir uns selbst im anderen neu entdecken. Ebenso versinnbildlichen sie die Rollenspiele und Spiegelungen, die wir untereinander praktizieren und dabei für wahre Liebe halten.
Die Karte steht für Geschäftspartnerschaften und das Bedürfnis, in einem guten Team zu arbeiten. Wir definieren unsere Zufriedenheit und Erfüllung im Arbeitsalltag nicht in erster Linie nach den Aufgaben, die wir zu bewältigen haben, sondern über das Geschäftsklima und unser Verhältnis zu den Kollegen. Das zwischenmenschliche Umfeld muss stimmen, damit wir uns bei der Arbeit wohl fühlen können, und dieser Tatsache sind wir uns sehr bewusst. Ebenso legen wir sehr großen Wert auf Teamarbeit. Wir sind keine Einzelkämpfer, sondern bevorzugen es, unsere Tätigkeiten in kreativer Zusammenarbeit mit einer anderen Person oder innerhalb einer Gruppe durchzuführen. Wir erfahren viel Unterstützung und neue Impulse durch die Menschen, mit denen wir in unserer Arbeit zu tun haben. Die Liebenden können auch darauf hindeuten, dass sich in unserem Kollegenkreis oder bei Geschäftskontakten ein Mensch befindet, von dem wir uns sexuell angezogen fühlen oder in den wir uns gar verlieben. Gelegentlich zeigt die Karte eine schon bestehende Liebesbeziehung in unserem beruflichen Umfeld an.
Umgekehrt deutet die Karte auf ein sehr schlechtes zwischenmenschliches Arbeitsklima hin. Sie kann eine zerbrochene Liebesaffäre im beruflichen Umfeld anzeigen, die uns jetzt quält, weil wir unserem Ex-Partner auf der Arbeit ständig begegnen, oder eine geschäftliche Partnerschaft, die auseinander gegangen ist, weil wir uns nicht einigen konnten. In jedem Fall haben wir Enttäuschungen erlebt. Hilfe und Unterstützung finden wir in unserer Umgebung nicht. Die Karte kann auf eine oder mehrere Personen hinweisen, die Mobbing betreiben und gegen uns intrigieren. Aber ebenso wie das Opfer der Intrigen können wir auch selbst Täter sein und die Intrigen spinnen. Darüber hinaus können wir uns in manchen Fällen bewusst dafür entschieden haben, gesondert für uns zu vegetieren. Wir schließen uns aus und ziehen uns zurück, weil uns die Rollenspiele, das alltägliche Beziehungsgeflecht Wer mit Wem , das wir bei der Arbeit erleben, abstößt und wir es nicht länger mitmachen möchten.
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