Uwe Schimunek
Die Leiche im Landwehrkanal
Von Gontards sechster Fall
Criminalroman
Jaron Verlag
Uwe Schimunek, Leipziger Journalist und Autor, schreibt Kurzgeschichten und Kriminalromane. Er liest regelmäßig bei den jährlich stattfindenden Ostdeutschen Krimitagen und im Rahmen des Krimi-Kleinkunst-Programms »Killer-Kantate«. Im Jaron Verlag erschienen von ihm in der Reihe »Es geschah in Sachsen« drei Bände, zuletzt »Der ermordete Gärtner« (2013). Für die Reihe »Es geschah in Preußen« verfasste er zusammen mit Jan Eik den Band »Attentat unter den Linden« (2012).
Originalausgabe
1. Auflage 2013
© 2013 Jaron Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
www.jaron-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin
Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
1. digitale Auflage 2013: Zeilenwert GmbH
ISBN 978-3-95552-035-9
Cover
Titel Uwe Schimunek Die Leiche im Landwehrkanal Von Gontards sechster Fall Criminalroman Jaron Verlag
Impressum Uwe Schimunek , Leipziger Journalist und Autor, schreibt Kurzgeschichten und Kriminalromane. Er liest regelmäßig bei den jährlich stattfindenden Ostdeutschen Krimitagen und im Rahmen des Krimi-Kleinkunst-Programms »Killer-Kantate«. Im Jaron Verlag erschienen von ihm in der Reihe »Es geschah in Sachsen« drei Bände, zuletzt »Der ermordete Gärtner« (2013). Für die Reihe »Es geschah in Preußen« verfasste er zusammen mit Jan Eik den Band »Attentat unter den Linden« (2012). Originalausgabe 1. Auflage 2013 © 2013 Jaron Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien. www.jaron-verlag.de Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin 1. digitale Auflage 2013: Zeilenwert GmbH ISBN 978-3-95552-035-9
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Nachbemerkung
Es geschah in Preußen
Donnerstag, 22. August 1850
Christian Philipp von Gontard sah das Dilemma schon von weitem. Kaum hatte er die Schilder passiert, die das Betreten der Baustelle verboten, bemerkte er den Menschenauflauf am Wasser. Die Gruppe von Männern wirkte schon von hier aus so ratlos wie ostpreußische Bauern vor einer algebraischen Gleichung. Ein Mann löste sich aus dem Pulk vorn am Ufer und winkte. Gontard erkannte Peter Joseph Lenné – der Königliche Gartendirektor und Stadtplaner war persönlich zum Unglücksort gekommen. So schlimm stand es also …
Die letzten Meter ritt Gontard im Galopp über die Berliner Wiesen. An einem Baum in Steinwurfweite zum Ufer standen zwei Reitpferde an einer provisorischen Tränke. Gontard stieg von seinem Rappen und band ihn neben den anderen Gäulen fest.
»Guten Tag, Herr Oberst-Lieutenant! Schön, dass Sie so schnell kommen konnten«, empfing ihn Lenné. Aus der Nähe wirkte das Gesicht des Gartendirektors wie eine Karstlandschaft. Gontard wusste von der Pockenerkrankung in Lennés Kindheit, dennoch erschrak er stets ein wenig, wenn er auf den Gartenmeister traf.
»Ich wünsche ebenfalls einen guten Tag«, erwiderte Gontard und zeigte dann zur Unglücksstelle. »Ihre Männer sehen besorgt aus.«
»Wenn Sie das Malheur sehen, werden Sie das verstehen«, sagte Lenné. Er wandte sich zum Ufer und rief im Gehen: »Meister Häußler! Hier ist Oberst-Lieutenant von Gontard!«
Ein Mann mit einem üppigen Vollbart zog seinen Hut. Über seinen kurzen Beinen wirkte der Brustkorb wie aufgeblasen. Wenn der Mann statt des Hutes eine Zipfelmütze trüge, hätte er einen Zwerg in einer Heldensage darstellen können.
Je näher sie dem kleinen Mann und dem Wasser kamen, desto deutlicher wurde Gontard das Ausmaß der Misere: Dort, wo die Uferbefestigung allem Anschein nach im rechten Winkel verlaufen sollte, war die Böschung auf Dutzenden Metern weggebrochen. Das Erdreich schien sich in den Kanal zu ergießen wie Brei, der aus einem Kochtopf quoll.
Häußler stand vor ihnen und sagte: »Die gesamte Verschalung ist abgerutscht, und nicht nur das. Die Befestigung hat es ebenfalls hinweggeschwemmt.« Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Ich kann mir das nicht erklären.«
Die beiden Arbeiter traten beiseite, damit Lenné, Gontard und Häußler zum Erdrutsch treten konnten. Jetzt sah Gontard, dass der Kanal keineswegs im rechten Winkel um die Ecke führte, wie es von der Entfernung ausgesehen hatte. Vielmehr lag eine Art künstlicher Teich vor ihnen, der seitlich zum Kanal in die Wiese gelassen war. Auch an der Einmündung war das Ufer ins Wasser gerutscht: Erdklumpen, Holzbalken und Klinkerziegel hatten sich zu einem einzigen Durcheinander vermischt.
»Welche Funktion soll dieser Teich haben?«, erkundigte sich Gontard.
»Wir nennen es Bassin. Hier können Schiffe wenden oder auch für längere Zeit vor Anker gehen«, erklärte Lenné, »zum Beispiel, wenn die Witterung den Verkehr nicht zulässt. Es gibt noch ein paar solche Anlagen kanalabwärts. Vielleicht bauen wir die Bassins später wieder zurück, wenn es hinreichend Kapazität in den Häfen gibt.«
Gontard schaute über das Bassin. Zwei, vielleicht drei Schleppkähne würden hier Platz finden, schätzte er. Aber bevor das Ufer wieder befestigt war, fuhr sicher kein Schiff durch diesen Kanal, geschweige denn in dieses Bassin.
»Wann ist das Unglück passiert?«, fragte Gontard.
»Vielleicht gestern Abend oder nach dem Gewitter in der Nacht«, sagte Häußler. »Mein Geselle hat den Erdrutsch heute Morgen entdeckt.«
»Ich brauche Proben von allem. Da lernen meine jungen Offiziere in der Ingenieurschule gleich, welche Probleme ihnen später bei den Pioniertrupps unterkommen können. Bringen Sie etwas von da vorn«, Gontard zeigte zum Anfang des Erdrutsches im Kanal und wies dann mit der Hand in das Bassin hinein, »und auch von dort hinten!«
»Wir haben natürlich schon Untersuchungen angestellt«, sagte Häußler. »Ich glaube nicht, dass Sie etwas Ungewöhnliches finden werden.«
Lenné tippte Häußler an die Schulter und zischte: »Es sind nicht einmal mehr zwei Wochen, dann sollen hier Schiffe fahren. Sie werden Herrn Oberst-Lieutenant von Gontard auf jede erdenkliche Art und Weise unterstützen!«
Häußler winkte seine Gesellen herbei und wies sie an, die Bodenproben zu nehmen. Dann sagte er zu Gontard: »Wir haben nur an dieser Stelle des Kanals derartige Schäden an der Befestigung. Ich kann mir dieses Malheur nicht erklären.«
Gontard schaute den Bärtigen an. Häußler hielt seinem Blick stand. Dabei sah er aus wie einer, der genau weiß, dass die Sache schlecht für ihn steht – wie einer, der mit der Schatztruhe unterm Arm neben einer verlassenen Postkutsche steht und behauptet, er sei zufällig vorbeigekommen.
»Meista Häußla! Kieken Se ma, hier blubbat wat!« Einer der Gesellen rief vom Bassinufer herüber. Seine Stimme klang so, als würde er die Worte vor Schreck herauspressen. Gontard sah hinüber – der Junge zählte sicher noch keine achtzehn Jahre und zitterte am ganzen Leib.
Häußler eilte zu seinem Stift, Lenné und Gontard folgten ihm. Der Junge stand inzwischen wie versteinert am abgerutschten Erdreich und blickte auf das Wasser. Dort zerplatzten faustgroße Blasen.
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