Manchmal sagt oder tut man im richtigen Moment das Richtige. Und die ganze Welt verändert sich. Aber aufgepasst: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«
Er hat im richtigen Moment die Welt verändert: Michail Gorbatschow, der heute Geburtstag feiert. Er war nur eineinhalb Jahre russischer Staatspräsident, doch sein Einsatz für die Wiedervereinigung sorgte im richtigen Augenblick dafür, dass aus zweimal »Deutschland« ohne Blutvergießen wieder eines wurde. Dafür, für seine Entspannungs- und Reformpolitik der »Perestrojka« und für seine neue Offenheit gegenüber den lang verschwiegenen Schwächen der Sowjetgesellschaft wurde Gorbatschow 1990 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Unser Gorbi.
Ich bewundere vor allem seine klaren und im Prinzip schlichten Grundideen: Ehrlichkeit ist besser als die ewigen Vertuschungsversuche, gute Beziehungen sind besser als Aggressionen, und Veränderungen sind besser als Stillstand. Ich weiß natürlich, dass man über Gorbatschows Politik herrlich streiten kann und dass er mit seinen Reformen am Ende gescheitert ist – aber: Seine Ideen haben trotzdem gesiegt. Der Kalte Krieg ist vorüber, und Deutschland konnte die Mauer niederreißen.
Und das zeigt mal wieder: Ideen sind stärker als Waffen. Selbst wenn ihre Väter scheinbar scheitern, setzen sich gute Ideen durch. Das gilt für Gorbatschow wie für Jesus oder Martin Luther King. Insofern war Gorbatschows »Ja« zur Wiedervereinigung eigentlich nur die logische Konsequenz einer viel größeren Vision. Vielleicht brauchen wir mal wieder ein paar Visionäre, die fühlen, wann die richtige Zeit für Veränderungen gekommen ist. Also: Herzlichen Glückwunsch, Michail.
MÄRZ
3
»Und siehe! Das Untier erblickte das Antlitz der Schönheit, und seine Hände ließen ab vom Töten. Und von diesem Tag an war es dem Tod geweiht.«
Mit diesen geheimnisvollen Worten begann Anfang März 1933 der Mythos »King Kong« – und einer der größten Filmerfolge der Kinogeschichte. Es geht darin um Liebe und Tod, um Schönheit und Wildnis und um den riesigen Affen Kong, der auf einer Südseeinsel lebt und von einem Filmteam gefangen und nach New York gebracht wird. Dort bricht er aus, kämpft und wird am Ende auf dem Empire State Building von Jagdfliegern getötet. Allerdings erst, nachdem er die schöne Schauspielerin Ann, in die er sich verliebt hat, voller Zärtlichkeit in Sicherheit bringen konnte. Romantik und Horror in einem.
Viele Experten sagen, dass der Film »King Kong« deshalb so ein Erfolg wurde, weil er Motive aus der Jesusgeschichte übernimmt. Echt? Ja: Da ist ein mächtiges Wesen, das sich in einen Menschen verliebt und deshalb sterben muss. So wie Kong aus Liebe zu Ann nicht einfach kämpft oder flieht, sondern aufhört zu töten und sich selbst opfert, wird auch von Gott erzählt, dass er »seine Macht abgab«, um den Menschen ganz nah sein zu können.
Darf man King Kong wirklich mit Jesus vergleichen? Nun, ein bisschen gewagt ist das schon. Vor allem, weil die biblische Geschichte an Ostern ein Happy End hat. Jesus steht nämlich wieder auf.
MÄRZ
4
Komisch, dass sich das Ganze immer noch Friedensprozess nennt. Denn den entdecke ich leider nirgendwo. Seit ich denken kann, taucht alle paar Jahre ein neuer Friedensplan auf. Aber der Konflikt in Israel und Palästina schwelt nun schon Jahrzehnte vor sich hin – und die Signale, die ich in den Medien wahrnehme, klingen nicht nach einer baldigen Lösung.
Es ändert sich irgendwie nichts: Die einen töten mit Selbstmordattentaten, die anderen mit Soldaten. Einig sind sich die Kontrahenten nur in einem einzigen Punkt, nämlich dem Bewusstsein: »Wir, ja, wir verteidigen uns doch nur! Aggressiv sind die jeweils anderen.«
Ich habe in Israel-Palästina sowohl mit Juden als auch mit Palästinensern gesprochen und war überrascht, dass ich von beiden exakt die gleichen Geschichten gehört habe. Die waren schrecklich, hatten mit persönlichen Verlusten zu tun und mündeten alle in dem Aufschrei: »Unser Verhalten ist nur Notwehr. Wir sind die Opfer!«
Ich kann hier gewiss nicht versuchen, den Nahostkonflikt zu bewerten, aber eines weiß ich aus eigener Erfahrung: Menschen, die sich nur als Opfer sehen, lösen keine Konflikte. Niemals. Ein Opfer fühlt sich in die Ecke gedrängt, unterstellt dem anderen nur noch schlechte Motive und verliert jedes Realitätsgefühl. Wer sich nur als Opfer sieht, glaubt, dass er erst dann gewonnen hat, wenn der andere klein beigibt. So funktioniert Friede aber nicht.
Die Friedenspolitik der Bibel sieht anders aus. Sie sagt erstens: »Du bist niemals nur Opfer. Du bist verantwortlich für dein Tun.« Und zweitens: »Vergiss nie, dass du von Gott geliebt wirst. Ganz gleich, wie widrig die Umstände auch sein mögen: Da ist einer, der dich liebt und achtet. Wenn du dir das bewusst machst, dann kommst du aus der Opferrolle heraus und kannst der Welt friedlicher begegnen.«
MÄRZ
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Demnächst ist wieder die Cebit, die »weltweit größte Messe zur Darstellung digitaler Lösungen aus der Informations- und Kommunikationstechnik«. So heißt das Ding ganz offiziell. Es gibt auf der Cebit also »digitale Lösungen«.
Aber mal ehrlich: Im Augenblick findet man da ja nicht nur Lösungen, sondern auch ganz neue Herausforderungen. Zum Beispiel die Tatsache, dass manche virtuellen Welten inzwischen so realistisch wirken, dass sie immer verlockender werden. Im »Second Life« etwa, der Parallelwelt im Internet, haben viele Millionen Menschen seit Längerem einen Avatar, also eine zweite Identität, mit deren Hilfe sie ein digitales Doppel-Leben führen.
Nur: Je mehr Zeit ich vor dem Bildschirm in einer virtuellen Welt verbringe, desto weniger Zeit habe ich für die reale Welt. Natürlich macht es Spaß, mal mit einem Avatar durch die fantastischen, computergenerierten Dimensionen zu reisen, um dort den Helden zu spielen. Aber es ist eben nur ein Spiel. Die Liebe, die Lust, die Gemeinschaft: Alles nur ein Spiel.
Hey, ich bin Pfarrer, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin schließlich der festen Überzeugung, dass es nicht nur eine Realität gibt – sondern auch noch die Wirklichkeit Gottes, eine überirdische Dimension des Lebens. Aber für die gilt genauso: Wenn Menschen sie nutzen, um aus der Realität zu fliehen, läuft etwas richtig falsch. Wenn sie uns aber hilft, unsere normale Welt mit ganz neuen Augen zu sehen, dann ist das Ganze eben nicht nur ein Spiel, sondern macht den Horizont wirklich weit.
Also: Wenn’s ums Leben geht, bevorzuge ich statt »digitaler« dann doch die »göttlichen Lösungen«.
MÄRZ
6
Oscar. Seit Wochen wird wieder gemunkelt und spekuliert, wen sie dieses Jahr wohl für den weltweit bedeutendsten Filmpreis nominieren. Ist ja auch spannend: Welche Haupt- und Nebendarsteller, welche Regisseure, Kameraleute, Maskenbildner und Filmmusiker können sich demnächst eine der heiß begehrten, goldenen Statuen ins Regal stellen? Nun: Bald werden die potenziellen Kandidaten wieder bekannt gegeben.
Oscar. Also, ich hätte wirklich auch gern mal einen. Muss doch ein klasse Gefühl sein: Ich bin erwählt! Ich bin etwas Besonderes! Ich gehöre zur Elite! Einmal hören: »And the winner is …« Und dann: mein Name. Wahrscheinlich ist das eine der tiefsten menschlichen Sehnsüchte überhaupt, dieses Gefühl, beachtet, ausgezeichnet zu werden. Das Wissen: »Ich bin gut!« Na, zumindest halten mich alle dafür.
Die Logik des christlichen Glaubens sieht komischerweise völlig anders aus. Sie sagt: »Mensch, du bist ohnehin etwas Besonderes, weil es einen Gott gibt, der dich liebt und dich geschaffen hat.« Oder, um es anders auszudrücken: »Wenn du eine Auszeichnung brauchst, um dich gewollt zu fühlen, dann stimmt in deinem Leben etwas nicht.«
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