Heute wissen wir: Die Kirche hat sich geirrt. Galileo Galilei aber hat damals im Jahr 1633 seinen umstürzlerischen Thesen trotzdem abgeschworen. Aus Angst. Allerdings soll er noch im Hinausgehen gemurmelt haben: »Und sie bewegt sich doch!«
Richtig. Heute feiern die Freunde von Galileo seinen Geburtstag. Zum Glück auch viele Christen, die sich über die falsch verstandene »Rechtgläubigkeit« der damaligen Kirchenoberen nur wundern können.
FEBRUAR
16
Rock ’n’ Roll und Cadillacs, Pferdeschwänze und Partys, Pomade und Petticoats: »Grease« ist eines der erfolgreichsten Musicals der Welt und wahrscheinlich die leidenschaftlichste Liebeserklärung an die 50er-Jahre, die je auf die Bühne kam. Geballte Lebenslust, die bis heute ansteckt.
Vielleicht liegt das ja auch an der Entstehungsgeschichte des Stücks. In einer bierseligen Runde haben ein paar Freunde die verrückte Idee: »Hey, lasst uns mal ein Musical schreiben.« Einer setzt sich mit seiner Gitarre hin. Und dann wird das Machwerk aufgeführt. In einem alten Geräteschuppen in Chicago. Mit einem Budget von 171 Dollar, 18 Laiendarstellern und 120 Zuschauern. Das Ganze passierte Mitte Februar, dauerte fünf Stunden und sollte eigentlich nur ein kleiner Spaß sein. Es wird aber ein ganz großer, der schon ein Jahr später am Broadway Premiere hat.
Klar, das ist eher die Ausnahme. Aber es passiert: Unbekannte Künstler landen plötzlich einen Welthit.
Warum interessiert mich das als Pfarrer? Ganz einfach: weil die Bibel eigentlich andauernd solche Geschichten erzählt. Kleine, bislang nicht besonders prominente Leute verändern die Welt. Plötzlich sind sie große Künstler, Volkshelden, Propheten, Apostel oder Lebensretter. Die Botschaft dahinter ist ganz einfach: In jedem Menschen wohnt die Kraft, die Welt zu verändern – wenn er sich von Gott dazu berufen lässt. Das finde ich unglaublich motivierend. Vielleicht sollte ich mal wieder ein Musical schreiben …
FEBRUAR
17
Das sieht ja nicht gerade gut aus mit der Konjunktur. Gruselige Wirtschaftsprognosen, furchterregende Insolvenzen und schreckliche Arbeitslosenzahlen. Wer auf Horrorliteratur steht, braucht nur eine Börsenzeitung aufzuschlagen. Und wenn ich mit meinen Freunden spreche, dann entdecke ich eines jedenfalls nicht: blühenden Optimismus. Ziemlich flaue Zeiten. Wobei ich mich seit Langem frage: Was ist wohl zuerst da – die miesen Zahlen oder die miese Stimmung? Was meinen Sie?
Wer deprimiert oder wütend auf die Konjunkturdaten guckt, der hat zurzeit natürlich gut schimpfen. Aber: Es ist auch ganz nützlich, sich mithilfe der nervenaufreibenden Entwicklungen vor einer viel dringenderen Frage zu drücken: Wie sieht es eigentlich mit der »privaten Konjunktur« aus?
Haben Sie schon mal daran gedacht, für Ihr Leben Konjunkturdaten aufzustellen? Zufriedenheitsindex, Corporate Identity oder Entwicklungspotenzial? Wäre vielleicht eine Unternehmensberatung dran? Sind Sie gerade im Aufwärts- oder im Abwärtstrend? Ich bin überzeugt: Einige Leute könnten ein Stück Himmel auf Erden erleben, wenn sie die gleiche Energie, die sie in die Wirtschaftsentwicklung stecken, in ihre eigene Entwicklung investieren würden.
Komischerweise sieht Gottes Vorschlag noch mal ganz anders aus! Er sagt: Glück, Geborgenheit, Erfüllung und Sinn sollten völlig unabhängig von allen Konjunkturdaten sein. Wenn das Gelingen eines Lebens von der Konjunktur abhängt, dann stimmt etwas nicht. Wirklich zufrieden ist nur der, dessen Dasein nicht von Äußerlichkeiten bestimmt wird. Die mittelalterlichen Mystiker nannten das »Gelassenheit«. Atmen Sie mal durch!
FEBRUAR
18
»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.«
Tja, das wusste der große Heinrich Heine, der Dichter des Liedes von der »Loreley«, offensichtlich selbst nicht so recht, denn er versuchte sein Leben lang auf immer neue Weise, die eigene Traurigkeit loszuwerden. Und das führte zu einer ganz bizarren Biografie: Heine wird in einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, tritt mit 28 in die evangelische Kirche ein, heiratet mit 44 katholisch und gilt dann lange als Vorreiter des Atheismus.
Und dabei ist er als Autor sogar in der Lage, Jesus liebevoll zu verspotten: »Mit Wehmut erfüllt mich jedes Mal/Dein Anblick, mein armer Vetter./Der Du die Welt erlösen gewollt,/Du Narr, Du Menschheitsretter.« Heine möchte sich und die Welt lieber selbst mit Lust und Leidenschaft retten.
Doch als ihn eine unheilbare Krankheit ans Bett fesselt, ändert sich sein Ton plötzlich: »Das himmlische Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, über die schwindligsten Bergpfade.« Der ewig skeptische Satiriker sucht verzweifelt einen Gesprächspartner, mit dem er über seine anhaltende Traurigkeit reden kann – und landet am Ende doch wieder bei Gott.
Morgen ist Heinrich Heines Todestag. Und die Experten diskutieren immer noch darüber, ob der Dichter seine Traurigkeit durch die Gespräche mit Gott nun tatsächlich losgeworden ist oder nicht. Na, eines ist jedenfalls klar: Heine hat mit Gott so genussvoll gestritten, so herzlich über ihn geflucht und so fröhlich gelästert, wie es ein echter Atheist ja leider nie erleben kann – weil er gar nicht an Gott glaubt. Schade für ihn. »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …«
FEBRUAR
19
Es soll nicht sein. Jedenfalls noch nicht. Und auf keinen Fall offiziell. Katholiken und Evangelische können, dürfen, wollen nicht zusammen Abendmahl feiern. Weil sie die Oblate und den Wein weiterhin unterschiedlich interpretieren.
Ein bisschen absurd ist das schon: Damals bei Jesus durfte sogar Judas mitfeiern – der Mann, der ihn später verraten und verkauft hat und offensichtlich von der Bedeutung des Abendmahls überhaupt nichts begriff –, aber im Hier und Heute darf das nicht sein. Mist …
Moment mal! Jetzt wäre ich fast in genau die gleiche Falle getappt, in die so viele tappen: Ich habe mir einen naheliegenden Streitpunkt geschnappt und rege mich herrlich darüber auf. Und soll ich Ihnen was sagen: Es gibt immer was zum Aufregen. Gerade in der Kirche. Sie könnte doch ganz anders sein: toleranter, feministischer, ökologischer, bunter, heiliger, politischer, ethischer, kirchentagiger … und was weiß ich noch alles.
Manche Menschen haben es sich zur Angewohnheit gemacht, an allem herumzumäkeln. Es lässt sich ja auch viel leichter meckern als loben. Ich sage das deshalb so deutlich, weil ich selbst lange Zeit die Angewohnheit hatte, bei allem erst mal nach den Fehlern zu suchen. Bis mir klar geworden ist, dass Nörgelei ein wunderbarer Weg ist, sich vor der Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Person zu drücken.
Gerade wenn es um die Kirche und den Glauben geht, kann man schnell das Wesentliche verpassen. Man ärgert sich über irgendwelche Randthemen – möglicherweise sogar zu Recht – und verliert dabei Gott aus den Augen. Denn: Kritik schafft immer Distanz. Und das ist schwierig bei einem Gott, der Nähe sucht.
FEBRUAR
20
Eine einsame Nacht, ein enges Tal, ein fast ausgetrockneter Bach. Am Ufer sitzt ein Mann und denkt nach. Als er kurz den Kopf hebt, sieht er plötzlich vor sich eine dunkle Gestalt, die ihn zum Kampf auffordert. Beide haben keine Waffen, und so fangen sie an, mit aller Kraft zu ringen. Stundenlang. Einmal erhält der Mann einen solchen Schlag auf die Hüfte, dass er schwer verletzt wird. Doch er gibt nicht auf.
Irgendwie spürt er, dass die dunkle Gestalt mit Gott zu tun hat. Ja, das ist Gott. Und siehe da: Der Mann ist so ausdauernd, dass Gott ihn in dieser Gestalt nicht besiegen kann. Am Ende stellt er sogar eine Forderung an Gott: »Ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du mich nicht segnest.«
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