1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Nachdem er eine ganze Weile schweigend dagesessen hatte, sagte er: „Hör mal, ich lasse den Laden heute zu und recherchiere im Internet, was mit dir los ist. Je schneller du wieder in dein altes Leben zurückkehrst, desto besser.“
Sie durchbohrte ihn daraufhin mit einem Blick, aber er aß einfach weiter und schaute nur nach unten auf seinen Teller.
„Besser für wen?“, fragte sie. „Ich kann mich an dieses Leben ja nicht einmal erinnern.“
„Es wird dir sicher helfen, wenn du wieder in deiner gewohnten Umgebung und deinem normalen Alltag bist“, sagte er.
„Aber ich habe keine Ahnung, wo ich gewohnt habe.“
„Das finden wir schon heraus“, sagte er und schob sich eine Gabel voll Rührei in den Mund.
Lucy sah ihn jetzt etwas genauer an, aber er wich ihrem Blick aus. Seine Schultern waren verspannt, und seine ganze Haltung war distanziert. Sie dachte noch einmal an Beaus Reaktion, als er sie gesehen hatte. Die war so ganz anders gewesen, als es eigentlich seiner freundlichen und warmherzigen Art entsprach.
Vielleicht arbeitete ihr Gehirn noch nicht wieder im gewohnten Tempo, aber irgendetwas stimmte da nicht. „Was ist los, Zac?“, fragte sie deshalb.
Jetzt blickte er auf und sah sie nur lange schweigend an.
„Warum bist du so? So distanziert und wütend? Und Beau … er hat mich nicht mal begrüßt“, fuhr sie fort.
Zac legte seine Gabel auf den Teller, nahm ihn in die Hand und stand auf, sodass sein Hocker laut über den Fliesenboden schabte.
Er kratzte die Reste von seinem Teller in den Müll und stellte sein Geschirr dann in die Spüle. „Das mit uns ist nicht gutgegangen, das ist alles“, erklärte er schließlich.
„Was ist denn passiert?“, fragte sie.
Zac nahm einen Lappen und begann damit den Tresen abzuwischen. „Du bist einfach gegangen, das ist passiert.“
„Was soll das heißen … ich bin einfach gegangen?“
„Du warst aus heiterem Himmel und ohne eine Erklärung plötzlich weg.“
Ihr Kopf wollte einfach nicht glauben, was er da gerade gesagt hatte. Sie bekam keine Luft und brachte nur ein völlig schockiertes „Nein!“ heraus.
„Doch“, widersprach er. „Ich war übers Wochenende weg, und als ich zurückgekommen bin, warst du nicht mehr da.“ Seine Stimme war jetzt belegt. „Du hast nicht einmal eine Nachricht hinterlassen und sofort deine Handynummer geändert. Ich hatte keine Ahnung, wo du warst. Den Ring hast du allerdings dagelassen. Vielen Dank dafür übrigens.“
Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Unmöglich. So etwas würde ich doch niemals tun.“ Sie liebte Zac, und es war die Art von Liebe, für die man lebte – und die Art, für die man auch bereit war zu sterben. Das musste er doch wissen!
Irgendetwas war passiert. Da musste noch mehr sein. „Was erzählst du mir nicht?“, fragte sie.
Er fixierte sie mit seinem Blick und antwortete: „Ich sage dir alles, was ich weiß. Und mir ist genauso sehr bewusst, dass das herzlich wenig ist.“
Das Essen gerann in ihrem Magen zu einem festen Klumpen, und sie schob ihren Teller von sich weg.
Er stand jetzt am Herd und wählte sorgfältig seine Worte: „Als ich dich nicht mehr erreichen konnte, habe ich gedacht, dass es aus wäre zwischen uns und du nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest. Ich habe die Floristin und den Fotografen wieder abbestellt, und auch die Hochzeitstorte, und dann habe ich jeden der geladenen Gäste von der Gästeliste angerufen und gesagt, dass die Hochzeit abgesagt sei.“
Von ihrer Mitte her breitete sich ein tiefer Schmerz aus, und in ihren Augen brannten Tränen. Wie furchtbar! Aber sie konnte ihn doch unmöglich einfach so abserviert haben. Das hätte sie ihm niemals angetan. Doch nicht Zac!
„Aber das hast du.“
Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte. Ihr Gesicht war inzwischen ganz heiß geworden, so als hätte sie zu lange in der Sonne gesessen.
„Da muss etwas … ich weiß nicht, wie … das ergibt alles irgendwie keinen Sinn.“
„Na, dann sind wir ja schon zwei, die es nicht verstehen“, sagte Zac, warf den Lappen zurück in die Spüle, wandte sich ihr wieder zu und holte einmal tief Luft. Und dann noch einmal. Sein Brustkorb hob und senkte sich, und sie bekam eine Ahnung, wie heftig der Schmerz sein musste, den sie ihm zugefügt hatte.
Kein Wunder, dass er sie so anders behandelte. Kein Wunder, dass sein Bruder so wütend auf sie war. Er wollte Zac nur schützen. Sie hätte am liebsten weitergeleugnet, was er da gesagt hatte. So sehr, wie sie Zac liebte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie ihn so hatte sitzenlassen.
Aber dann erinnerte sie sich an andere Situationen, lange bevor sie Zac kennengelernt hatte, in denen sie sich genauso verhalten hatte – einfach weggegangen war. So war sie gewesen. In anderen Zeiten, als ihre Gefühle für Zac sie bis ins Mark geängstigt hatten.
Sie beobachtete, wie er langsam seine Fassung zurückgewann, und wäre am liebsten zu ihm hinübergegangen, um ihn zu trösten. Sie wünschte sich, dass er sie auf den Tresen hob, als würde sie nichts wiegen. Sie wollte ihn küssen, bis all sein Schmerz weg war, bis sie beide vergessen hatten, was passiert war.
Aber er wollte weder ihren Trost noch ihre Küsse.
„Ich … ich kann gar nicht glauben, dass ich das getan haben soll. Aber wenn es so ist …“
„Das ist so“, unterbrach er sie.
„Dann tut es mir schrecklich leid. Es kommt mir völlig unwirklich vor. Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum ich …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich liebe dich, Zac.“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht, und sein Kinn bebte. „Sag das bitte nicht mehr. Das nützt jetzt niemandem.“
Sie blinzelte ein paar Tränen weg und erklärte: „Aber es ist wahr. Ich fühle mich immer noch, als ob in ein paar Tagen unsere Hochzeit ist. Ich möchte immer noch den Rest meines Lebens nur mit dir verbringen.“
Vor Anspannung wurde sein Mund zu einer dünnen Linie. „Wenn dein Gedächtnis wieder da ist, wirst du das nicht mehr wollen. Du warst nämlich drauf und dran, einen anderen Mann zu heiraten – schon vergessen?“
Die Sehnen an seinem Hals standen vor, sein Unterkiefer war völlig verspannt, und sein Blick war verschlossen. „Hör zu, lass uns jetzt lieber überlegen, wie wir an die Informationen kommen, die wir brauchen, damit du wieder zurückkannst in dein Leben, zu deinem Job und deinem …“
Verlobten.
Seine Lippen wurden noch schmaler, als er ihren Teller und ihr Glas nahm und beides ebenfalls in die Spüle stellte. „Ich bin im Büro. Vielleicht solltest du dich jetzt lieber ein bisschen ausruhen“, sagte er.

Zac legte den Kopf an die Lehne seines Schreibtischstuhls und kämpfte gegen den heftigen Drang, seinen Laptop quer durch den Raum zu schleudern.
Dass die Recherche so schwierig werden würde, hätte er nicht gedacht. Es war doch nur eine Hochzeit, Himmelherrgott. Und Hochzeiten mussten doch öffentlich gemacht werden, weil es sich dabei um einen öffentlichen Akt handelte. Doch er konnte auf keiner einzigen Webseite in ganz Portland irgendeinen Hinweis auf Lucys Hochzeit finden. Er hatte ihren Namen in den beiden großen Tageszeitungen in Portland gesucht, ihn unter den Stichworten Hochzeiten und Verlobungen gegoogelt und auch in den sozialen Netzwerken nachgeschaut, ob sie sich in den vergangenen sieben Monaten irgendwo angemeldet hatte, aber ohne Erfolg.
Natürlich ohne Erfolg! Schließlich war es ja ihre Absicht, nicht von dir gefunden zu werden.
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