Patricia Dohle ist eine junge Buchautorin. Sie lebt mit ihrer Familie im kleinen Landkreis Holzminden.
(Niedersachsen)
Mit Achtzehn veröffentlichte sie ihr erstes Buch.
https://www.facebook.com/PatriciaDAutorin/
Foto: Fischer Foto (Holzminden)
Dieses Buch widme ich all denen, die für mich stark geblieben sind. Diejenigen, die immer hinter mir standen mich gehalten haben, wenn es schwierig wurde und mich nach allem wieder in die richtige Richtung gelenkt haben.
Schlussendlich ist dieses Buch jedoch für meine Leser, die mich ermutigt haben es fertig zu stellen, zu veröffentlichen und natürlich weitere Romane zu verfassen.
Es ist Sommer. Eine schöne Zeit. Ich sitze in einem schicken VW Cabrio. Der Wind weht meine lange Mähne nach hinten und die Sonne wärmt meine Schultern, die bedeckt sind mit kleinen, lachenden Sommersprossen. Er sitzt neben mir. Er fährt nicht zu schnell. Eine Hand lässig auf dem Lenkrad, die andere liegt in meinem Nacken und seine Finger streicheln zart über meine Haut. Es bereitet mir eine Gänsehaut, dann hört er auf und ein kurzer Moment der Trauer überkommt mich, der genauso schnell wieder geht, wie er gekommen war. Er zieht seine gespiegelte Sonnenbrille lässig ein Stück von seiner Nase, die wie alles andere an ihm perfekt ist. Er lugt mit seinen grauen Augen über den Rand hinweg und sieht mich an. Nur für einen Moment. Es ist nicht lange. Doch es reicht, um mich in seinen Bann zu ziehen und da bin ich nun, 22 Jahre jung und er neben mir. Wir könnten machen was wir wollten. Weg fahren, hier bleiben, umherreisen und irgendwann, wenn wir alt und grau sind, sesshaft werden. Er ließ mich all das vergessen, was hinter meiner rauen und grauen Fassade lag. Eine schwere Zeit lag hinter mir. Hinter uns. Die Schule war vorbei und der Sommer sollte nicht mehr allzu lang anhalten. Manche Blätter färbten sich jetzt schon in den schönsten Farben. Ich sah zu ihm rüber. Betrachtete seine wundervolle Silhouette. Er bemerkte mich nicht. Ich hatte keine Angst, wenn er Auto fuhr, so wie früher. Er war es gewesen, der mich zu neuem Leben erweckt hatte. Er sah nur mein Äußeres, nicht die Narben die im Inneren auf ihn warteten und die nur Nachts in aller Stille, wenn alle anderen schon schliefen, zum Vorschein kamen und ich hatte nur einen Gedanken: Ich liebe diesen Mann mehr als alles andere! Eine Wolkenwand zog auf. Wir waren fast da, als der Himmel sich verdunkelte. Es ärgerte mich, dass das Licht, das mich die ganze Zeit über erwärmt hatte, verschwand. Doch hätte ich an diesem Tag gewusst, dass meine Welt für immer so dunkel bleiben sollte, wäre ich niemals aus dem schicken VW Cabrio ausgestiegen.
Es ist schon spät. Ich sitze seit Stunden auf dem Stuhl. Dem Stuhl, der mein Zimmer schmückt. Wie lange muss ich wohl noch hier bleiben bis sie kommen? Wie lange lassen sie mich warten? Es ist Winter, draußen vor dem Fenster erkenne ich Schnee. Ich weiß nicht so recht, welchen Monat wir haben. Später Oktober, November, Dezember oder sogar schon Januar? Ich weiß es nicht. Zeit ist auch nicht wichtig. Wichtig ist: Ich bin hier. In meinem Zimmer. Auf meinem Stuhl und kann nach draußen sehen. Er ist weg und er kommt auch nicht wieder. Das ist gut so, denke ich mir und grinse. Draußen rieselt der Schnee und es ist schon eine Weile dunkel. Bald müsste Nena kommen und mir mein Essen bringen. „Hackbraten“, sagte sie gestern. Ich glaube, sie hat Angst vor mir. Doch warum sollte sie? Sie ist nicht er. Niemand ist so wie er zu mir gewesen. Meine Handgelenke jucken. Gestern habe ich versucht, mir mit dem stumpfen Abendbrotmesser die Adern meiner linken Hand zu entblößen. Die Ärzte waren schneller. Ich mag die Ärzte hier nicht. Sie reden wirres Zeug und geben mir Medikamente, die mich müde machen. Ziemlich müde. Meist schlafe ich schnell ein, dann träume ich von ihm. Ich starre nach draußen. Betrachte den Schnee. Ich ziehe meine Beine an meinen Oberkörper und lege meinen schweren Kopf an meine Knie. Meine Arme fest um meine Beine geschlungen. Langsam wiege ich mich hin und her, hin und her. Meine Gedanken schweifen ab und dann bin ich dort, da wo ich hin möchte. Bei ihm. In unserer Wohnung…
Ich sehe in den Spiegel und streife mein rotes Kleid hinab zu meinen Beinen. Er wird sich freuen, kommt es mir in den Sinn. Ich gehe zurück in die Küche, wo mein Wochenendbraten langsam im Ofen zu garen beginnt. Ich stelle Teller und Weingläser auf den schön geschmückten Tisch. Draußen ist es kalt und der Wind pustet einzelne Schneeflocken umher. Ich ziehe die Gardinen zu und schaue, ob noch etwas Holz in den Ofen muss. Es ist abends kurz nach sieben. Maik müsste bald hier sein. Es ist alles etwas schwierig geworden, seitdem ich meinen Job in der Näherei kurz vor Weihnachten verloren habe. Maik arbeitet in einer Autowerkstatt, von morgens bis abends. Ich möchte ihm heute eine Freude bereiten und habe edles Essen gekocht und mich etwas heißer als nötig angezogen. Nach der Arbeit ist er immer ziemlich geschafft. Verständlich. Es ist kein leichter Job. Ich bemühe mich trotz alldem ihn glücklich zu machen. Die Tür geht auf und ein kalter Wind macht unsere kleinen vier Wände unsicher. Maik steht mit dicken Winterschuhen, einer alten verwaschenen Jeans, einem dreckigen weißen Shirt und einer dicken, gefütterten Jacke vor mir. In seinem Gesicht sind schwarze schmierige Abdrücke vom Öl zuerkennen. Seine etwas fettigen Haare haben schon etwas länger keine Schere oder ein Bad gesehen. Sein Blick ist hart und kalt, wie draußen die Eiszapfen, die von unserem Dach herunter hängen. Unter seinen Augen sehe ich dunkle Ringe. Der Schlaf fehlt ihm seit Tagen. Die Kälte hält ihn wach. Ich gehe zu ihm. Nehme ihm die Jacke, die er ausgezogen hatte, aus der Hand und hauche ihm flüchtig einen Kuss auf die dreckige Wange. „Wie war dein Tag Baby? War viel zu tun?“ frage ich besorgt. In der Hoffnung ihm ein kleines Lächeln entlocken zu können. Sein Blick wandert über meinen Körper. Er zieht eine Augenbraue in Richtung Decke und schaut etwas verwirrt in der Gegend umher. Er kratzt sich am Kopf und antwortet in einem mürrischen Tonfall: „Äh… nein, war ganz ruhig heute. Nur viele Autos abgeschleppt, die bei dem Sauwetter stecken oder sogar ganz stehen geblieben sind.“ Wieder ein musternder Blick. Ich stehe ein wenig verlegen da und weiß selbst noch nicht ganz genau, was ich eigentlich von ihm erwarte. Ich sehe ihn an und überlege mir was schief gelaufen ist. Er ist nicht mehr der junge Mann, mit dem ich letztes Jahr im Sommer nach der Schule abgehauen bin. Wir fuhren eine Zeit lang durchs Land. Genossen die verschiedenen Jahreszeiten und Städte und liebten uns fast jede Nacht. Niemand hätte uns aufhalten können. Wäre nicht irgendwann unser ganzes Erspartes leer gewesen. Mit dem letzten Rest mieteten wir uns eine Wohnung in einem kleinen fast unbewohnten Teil von Los Angeles. Wir suchten uns beide einen Job, den wir beide nicht wirklich leiden konnten. Ich arbeitete in einer Näherei und verdiente nicht viel. Nebenbei schmiss ich den Haushalt und verwaltete unsere Rechnungen, die von Tag zu Tag mehr zu werden schienen. Wir hatten uns überschätzt, dachte ich. Das muss es gewesen sein. Doch unsere Liebe verlor nicht an Stärke. Wir hatten nicht mehr so viel Zeit für Sex und zärtliche Zweisamkeit, doch trotzdem liebte ich diesen Mann bis aufs Knochenmark und er mich. Vor einem halben Jahr kniete er dann vor mir nieder und kurz darauf heirateten wir still und heimlich in unserer örtlichen Kirche.
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