Wenn ihr vor sechs Monaten jemand erzählt hätte, dass sie eines Tages mit Jack Gillingham, oder besser gesagt: Forester, Hand in Hand über einen Strand in Martha’s Vineyard spazieren würde, hätte sie …
Gelacht. Ja, gelacht. Laut.
Aber das Gefühl, wie seine Hand in ihrer lag, wie sie da an der Küste von Edgartown entlanggingen, wie sie lachend den eisigen Wellen des Atlantiks auswichen, war perfekt gewesen. Echt. Wahr. Stark.
„Was meinst du?“ Jack legte ihr den Arm um die Taille und zog sie näher. Ihre Schritte erklangen wie aufeinander abgestimmt. „Gefällt dir der Vineyard?“
„Sehr.“ Er hatte sie morgens um fünf geweckt, indem er an die Tür ihres Appartments geklopft und sie mit einem Frühstückskorb mit Gebäck und Kaffee überrascht hatte. Dann entführte er sie zu einer fünfstündigen Autofahrt durch New England an die Küste von Massachusetts, wo sie die Fähre nahmen.
„Ich mag es, wenn du glücklich bist. Du bekommst dann so ein Leuchten in den Augen.“
Taylor drehte sich um und ging rückwärts. Immer noch hielt sie seine Hände und sah ihm forschend in die Augen. „Was siehst du?“ Sie riss die Augen weit auf.
„Jemanden, der bereit ist, etwas zu riskieren.“
„Ja? Was denn riskieren?“
„Mich.“
Sein Tonfall bewegte etwas in ihr. Sie scherzten nicht mehr. „Und was, wenn es so ist?“
„Dann heirate mich.“
Sie hörte auf, rückwärtszugehen, und er lief in sie hinein, umklammerte sie in seiner Umarmung. Sein Seufzen schickte seinen süßen Atem über ihr Gesicht. „Heirate mich.“
„Was? Jack …“
„Ich weiß, es sind erst ein paar Wochen.“
„Acht.“
„Ich weiß, aber …“ Er wich ihrem Blick nicht aus. „Ich will mit dir zusammen sein.“
Sie waren seit ihrem ersten Date verrückt nacheinander. Sie gingen ins Kino, sahen sich Spiele an, sprachen über das Heute und das Morgen, aber niemals über die Vergangenheit, was sie an ihm liebte. Bei ihm ging es immer um den aktuellen Moment, ums Jetzt und um die Zukunft. Jeden Abend, wenn es für ihn an der Zeit war, nach Hause zu gehen und ihre vollgestopfte Wohnung zu verlassen, knutschten sie herum wie Teenager und zerdrückten die Kissen auf dem extragroßen Sofa. Dann zog sich Jack zurück und ging zur Tür. Er hatte nie weitergedrängt. Und Taylor war erleichtert gewesen.
Das war der Punkt, an dem die Sache mit Doug schiefgelaufen war. Also blieb sie bei ihm, weil sie mit ihm „zusammen gewesen“ war. War das nicht das Richtige, das, was man tun sollte?
Aber Jack? Der rüttelte nie an den Grenzen, und Taylor verfiel seiner Ritterlichkeit. Dann überraschte er sie mit dieser spontanen Flucht nach Martha’s Vineyard, wo er zwei Zimmer im Leuchtturmwärtergästehaus gebucht hatte.
Er war ein Gentleman. Und sie brauchte so sehr einen Gentleman. Aber Heirat?
„Ich weiß nicht … Jack. Ich meine … das kannst du doch nicht ernst meinen.“
„Todernst. Genau hier, genau heute. Warum nicht? Wir sind super zusammen.“
„Ich verehre dich. Ich kann mir jetzt gerade nicht vorstellen, je mit jemand anderem außer dir zusammen zu sein. Aber ich bin mir einfach nicht sicher …“
„Bist du es nicht leid, auf Nummer sicher zu gehen? Es gibt massenhaft Geschichten von Paaren, die sich nach ein oder zwei Dates verlobt haben. Eine Woche später haben sie geheiratet, und dann waren sie fünfzig, sechzig, siebzig Jahre lang verheiratet.“
„Es ist kein Wettbewerb, Jack.“
„Nein, das ist es nicht.“ Er ließ seine Hand in ihren Nacken gleiten und streichelte ihre Wange mit seinem Daumen. „Habe ich dir je gesagt, wie schön du bist? Und dass ich noch nie für jemanden so empfunden habe wie für dich? Noch nie?“
„Was ist mit Abby Conrad? Bei unserem Abschlussball hast du wie eine Klette an ihr gehangen.“
„Nicht einmal Abby Conrad.“
„Was ist mit damals, als du mich in der elften Klasse hast fallenlassen? Ein Date, und danach hast du nie wieder mit mir gesprochen. Tut mir leid, aber ich muss das ansprechen. Das hat wehgetan wie verrückt.“
„Ich weiß. Es tut mir leid.“
„Also, was ist das hier alles? Eine Wiedergutmachung? Du brauchst mich nicht zu heiraten, um mir zu beweisen, dass du dich geändert hast.“
Sein Kuss lachte auf ihren Lippen. „Taylor, ich war ein Holzkopf. Ein Vollidiot.“
„Du warst klug, witzig, Kapitän des Footballteams und hast nach deiner eigenen Pfeife getanzt. Alle Mädchen mochten dich.“
„Aber ich habe nur dich gemocht.“
„Und deswegen hast du mich sitzenlassen?“ Sie entzog sich ihm und ging mit einem neckischen Wurf ihrer Haare weiter.
„Ich weiß. Ich weiß.“ Er schob die Hand in ihre Taille, hob sie hoch und wirbelte sie herum. „Ich bin gescheut und durchgegangen. Aber jetzt habe ich die Chance, das zu tun, was ich vor zwölf Jahren wollte. Ich will mit dir zusammen sein.“ Er stellte sie auf den Sand. „In diesem Moment gibt es nur dich und mich.“
Sie sah ihm in die Augen. Suchte, forschte. Dies war jenseits dessen, was zu ihrer Persönlichkeit passte. Ja sagen zu einem spontanen Heiratsantrag, wo sie doch noch nicht einmal wusste, ob sie überhaupt etwas von „Ehe“ und „glücklich bis ans Lebensende“ hielt. Aber in seinem blauen Blick lag eine eifrige Aufrichtigkeit. Das war Liebe.
„Wag den Sprung mit mir.“ Er drückte ihre Hände und sank langsam auf ein Knie. „Taylor … Branson, willst du …“
„Du kennst nicht einmal meinen Zweitnamen.“
„Alice?“
„Nein.“
„Jean?“
„Nein.“
„Drusilla?“
„Nein.“ Mit einem Lachen und einem sanften Klaps auf den Kopf sagte sie ihm: „Jo.“
„Taylor Jo Branson, willst du mich heiraten?“
„Okay, Jack … wie auch immer … Forester …“
„Spratt.“
Sie schnitt eine Grimasse. „Du heißt Jack Spratt Forester?“
„Andrew. Jack Andrew Forester. Aber als ich Gillingham als Nachnamen benutzte, ergaben meine Initialen JAG, daher …“
„Dein Spitzname auf der Highschool.“ Endlich verstand sie. Er stand auf und barg sie in seinen Armen. „Was sagst du? Heiratest du mich?“
„Ja, Jack Andrew Forester, ich wage den Sprung. Ich heirate dich.“
Seine Lippen auf ihren waren dick und hungrig und verlangten nach ihrem Herzen. Und sie reagierte darauf, lehnte sich an ihn und ließ sich wegtreiben von den Zweifeln, die sich in ihrer Seele regten und die ihr sagten, dass Liebe niemals hielt.
Taylor stand auf, zog die Kuscheldecke vom Bett und ging auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. „Jack?“
Aber er schlief. Sein Kopf ruhte auf der Sofalehne, und sein Atem ging schwer und gleichmäßig. Der Sandwichteller lag wackelig in seiner schlaffen Hand.
Taylor stellte ihn auf den Couchtisch, stieg über Jacks ausgestreckte Beine und ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder. Die Luft im Raum war frisch, das Fenster zum Balkon stand offen.
Als sie Mama damals anrief, um ihr zu erzählen, dass sie Jack Forester geheiratet hatte, war die überhaupt nicht begeistert gewesen. Und ihre Schwester Emma auch nicht.
„Was um alles in der Welt …? Bist du bescheuert?“
„Deine Schwester lässt sich scheiden, und du heiratest heimlich?“
Taylor musste eine einstündige Befragung durchstehen, bei der sich ihre seit langem geschiedene Mutter und ihre frischgeschiedene Schwester abwechselten. Sie reichten den Telefonhörer hin und her und fassten all ihr neunmalkluges Wissen in dem Satz „Lass dir bloß nichts gefallen!“ zusammen.
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