Alina Tamasan - Eine verborgene Welt

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Alles beginnt mit einer Lichterscheinung im Wald. Sie berichtet der jungen Noromadi von einer Prophezeiung: Ein Mischling aus Naturwesen und Mensch wird die auseinander gebrochenen Realitäten der Naturwesen und der Menschen wieder vereinen. Außerdem werden Gniri Kontakt zu ihr aufnehmen. Noromadis Leben wird zur Berg- und Talfahrt. Sie landet in der Psychiatrie. Dort beschließt sie ihre Gabe der Hellsicht anzunehmen. Sie durchdringt den Schleier, und das erste Gesicht, das sie sieht, ist jenes von Iefîs. Iefîs ist ein Dhàrdhats, aber gnirische Spuren finden sich in seinem Blut. Ein geheimnisvolles Band eint ihn im Herzen mit dieser Menschenfrau, die als Mittlerin zwischen den Welten fungieren soll. Eine turbulente Reise in das Reich der Naturwesen beginnt!

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Alina Tamasan

Gniri Noromadi

Eine verborgene Welt

Band 1

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Covergestaltung Winfried Dung

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel Alina Tamasan Gniri Noromadi Eine verborgene Welt Band 1 Engelsdorfer Verlag Leipzig 2014

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Covergestaltung Winfried Dung Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

Auf der Wiese (Rì-thìnia-tuth haas)

Tanz am Feuer (Mès-mès-m!-òrit)

In der Psychiatrie (Giri-ù thra-ha)

Im Haus (Ia-ra hì)

Auf dem Weg (Iàk-thon har)

In der Zivilisation (Màr-nok | hoar-hoàriits)

Sieh hin! (Gèrthan-dhaar)

Zu Gast (Mei-niòk)

In der Elfenhöhle (Ir-thra paar | dh’Ililya)

In Liebe (Ktsòthan-dhaar)

Im Maulbeerbaum (Isìk-thaar huur)

In der Hoffnung, dass … (Merk-nour | wàtheri)

Daheim (Èsokth-haar)

Verrückt (Tici-tici)

Im Umbruch (Daar à-i àdar)

Bei Parthion (Sa-ra Parthion)

Die große Versammlung (Chia-hat | za -zàwghri)

Personenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Zeichen der Naturwesensprache

Endnoten

Auf der Wiese (Rì-thìnia-tuth haas)

So sehr sie sich ihre langen spitzen bekrallten Finger auch schrubbte, die braunen Verfärbungen gingen einfach nicht ab. Finilya betrachtete skeptisch ihre sehnigen Hände. Dabei dachte sie an ihre Mutter Irukye, die der Ansicht war, dass nur eine saubere Frau eine gute Frau war. Sie konnte wirklich nichts dafür. Sie arbeitete nun einmal jeden Tag mit Erde, und das, so hatte ihr auch die ortsansässige Heilerin gesagt, sei normal: ‚Die Haut erhält die Farbe dessen, womit du arbeitest.‘

„Ah, was mühe ich mich ab? Es hat doch sowieso keinen Sinn“, murmelte die junge Frau in der Singsangsprache ihres Volkes, einer Spezies von Naturwesen, die sich Gniri nennt. Sie wischte ihre Finger am trockenen Moos ab und fuhr sich durch das Haar. Die schwer definierbare Farbe ihres Haars mit seinen verschieden farbigen Strähnen – auch wieder so etwas, das eine hübsche Gnirifrau im heiratsfähigen Alter nicht haben durfte. Gerade erst vor zwei Tagen hatte ihre Mutter sie dazu überreden wollen, sie sich zu färben. Woher diese schlammige Haarfarbe stammte, das hatte Irukye ihr eisern verschwiegen.

„Finilya, wo bleibst du denn?“ Die junge Frau zuckte zusammen und sah für einen kurzen Moment in ihr erschrockenes Gesicht, das von der Wasserfläche des irdenen Kruges widergespiegelt wurde. Mit einer beiläufigen Bewegung schüttete sie das gebrauchte Wasser, das sie in einer Holzschale für sich abgeschöpft hatte, aus dem Fenster. Draußen machte es laut platsch. Sie richtete kurz ihre großen spitzen Ohren auf und horchte. Als die Stimmen der Beschwerde auslieben, nickte sie und eilte zur Feuerstelle, wo sie sich neben ihrem Vater und ihren zehn Geschwistern niederließ. Inmitten der knisternden Flammen brodelte Suppe in einem Kessel. Aufeinander gestapelte Holzschalen lagen auf der Erde. Finilya verteilte sie schnell. Ihre Mutter fuhrwerkte in einer Ecke des Raums herum, die im Dunklen lag. Aber das machte der alten Frau nichts, auch in ihrem Alter hatte sie noch Augen wie ein Luchs.

„Die Suppe ist fertig“, murmelte sie und trat mit einer Kelle an den Kessel. Sofort hielten ihr alle Familienmitglieder ihre Schalen hin. Irukye befüllte sie nach einem bestimmten System: Zuerst kam ihr Mann an die Reihe, er war das Oberhaupt der Familie, dann waren die Kinder dran, zuerst die Kleinsten. Finilya half, sie zu versorgen. Sie verteilte einen hellen mehligen Brei aus einem Tiegel, den sie von Irukye erhielt.

„Schau, was für ein schönes Mädchen du geworden bist“, lobte ihr Vater Rìa sie stolz.

„Schön?“ Irukye hob skeptisch eine Augenbraue, „wohl eher schön faul, willst du sagen. Eine Tagträumerin ist sie, aber …“, das runzlige Gesicht der alten Frau bekam eine freundlichere Note, „eine Tagträumerin, die einem brauchbaren Mann den Kopf verdreht hat!“ Sie lächelte und leckte sich verschwörerisch über die langen spitzen Zähne. Finilya schüttelte seufzend den Kopf.

„Mama? Was ist da drin?“ Der kleine Pindra war soeben dabei, es heraus zu finden. Irukye konnte gerade noch verhindern, dass er den glühend heißen Kessel anfasste.

„Lass das!“, fuhr sie ihn an und gab ihm eine Backpfeife, worauf der Kleine herzzerreißend zu weinen anfing.

„Naa, nicht weinen“, Finilya nahm ihn in den Schoß und strich sanft über seine nassen runden Wangen, „es gibt lecker Essen!“

„Von wegen Essen! Wieder diese dünne Wurzelsuppe, die wir schon gestern und vorgestern hatten“, hörte sie ihre Schwester Mèfai sagen.

„Sei froh, dass wir etwas haben“, mahnte Finilya ruhig, „andere haben noch nicht einmal das! Außerdem haben wir heute reichlich Zutaten, der Nachbar war sehr freigiebig!“ Rìa seufzte leise, sagte aber nichts. Er war der Ernährer der Familie und was hatte er ihr gebracht? Nichts als Armut, andererseits – so sinnierte der Alte, während er sich durch das graue borstige Haar strich – hatte er seiner Familie, die zunächst noch heimatlos gewesen war, eine Bleibe organisiert: das Geäst einer gesunden jungen Buche, die seine große Familie zwar nur dürftig, aber noch bereitwillig ernährte und beherbergte. Er runzelte die Stirn und seufzte leise. Er war der Heilerin Pythera, die Anführerin des Volkes, zu dem sie gehörten, noch immer dankbar, dass sie ihn, seine Frau und die damals drei Kinder bereitwillig aufgenommen hatte.

‚Drei Kinder …‘, gedankenverloren schweifte sein Blick über seine Sprösslinge und blieb an dem kleinen Pindra hängen, dem Jüngsten. ‚Man sagt, Mutter Natur regle, wie viele Kinder, wann zur Welt kommen. Eine Weile lang wollte ich glauben, dass sie es gut mit uns meint, wenn Irukye wieder schwanger wird, aber …‘, sein Blick wanderte zu der eingefallenen Gestalt seiner Frau, ‚irgendwie verstehe ich sie nicht, die Mutter. Wohlhabende Familien klagen oft über zu wenig Kinder und wir …‘ Der alte Mann senkte betrübt den Kopf. ‚Aber‘, sinnierte er weiter und ein Lächeln erhellte seine Gesichtszüge, ‚ich würde mich schrecklich allein fühlen, ohne sie …‘

Finilya schien seine Gedanken erraten zu haben, denn sie nickte ihm aufmunternd zu. Ihren kleinen Bruder auf dem Schoß haltend, wartete sie geduldig, bis auch Irukye Platz genommen und sich bedient hatte. Finilyas Mutter löste etwas Brei in ihrer Suppe auf, setzte sich die Schale an die Lippen und begann loszuschlürfen. Wann immer ein Stück Wurzel in die Nähe ihrer Zunge schwamm, schnellte diese hervor, umfasste es wie der Frosch eine Fliege und zog es in ihren Mund hinein. Ihr Schlürfen war indes für die anderen das Zeichen, ebenfalls mit dem Essen zu beginnen. Rìa vernahm mit genügsamer Zufriedenheit, wie sich seine Familie schmatzend und schlürfend über die Mahlzeit her machte. Irukye sah ihn stirnrunzelnd an und schob ihm die Schale hin. ‚Iss‘, sagte ihr Blick. Rìa nickte, schob sich langsam einen Bissen Brei in den Mund und leckte sich die dunklen Krallen. Dann spülte er etwas Suppe hinterher. Seine Frau nickte zufrieden und wandte ihre Aufmerksamkeit Finilya zu. ‚Ein Abbild ihres Vaters‘, schoss es ihr durch den Kopf und sie beobachtete, wie ihre Tochter den kleinen Pindra mit mundgerechten Häppchen fütterte, die er gurrend verspeiste.

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