1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Ich drücke. Wumm! macht die Presse. Die Ecke vom Blech liegt daneben.
»Siehst du, und jetzt das Blech weiterdrehen und die nächste Ecke abschneiden.«
Wumm!
»Weiterdrehen …«
Wumm! Und noch einmal … Wumm!
»Immer schön im 90° Winkel ansetzen, ja. Dann probiere gleich das Nächste …«
Ich jage das Blech durch.
»Gut. Weiter so«, sagt er.
Wumm! – Wumm! – Wumm!
Irgendwie einfach, denke ich. Aber auch irgendwie laut …
»So, du könntest jetzt ebenso mit der Lichtschranke arbeiten, damit es schneller geht. Das sind die beiden rechts und links von dir angebrachten Sensoren. Aber ich denke, für den Anfang machst du so weiter wie bisher. Wenn du gut bist, schaffst du den Auftrag bis zum Mittag.«
»Okay«, sage ich. Wie gut ich in der Sache tatsächlich bin, weiß ich natürlich nicht.
Er geht und ich stecke mir ein paar Ohrstöpsel ein, die in einem Karton auf der Werkbank liegen.
Zwei Stunden später: Ich arbeite in einem gewissen Takt und bilde mir ein, dass ich allmählich immer schneller werde. Ein Drittel, schätze ich, habe ich bereits geschafft. Doch ist mir klar, dass ich jetzt auch nicht allzu sehr nachlassen darf.
Es ist Frühstückspause und ich sehe, dass die Mitarbeiter hier unten lieber unter sich bleiben, als in den Pausenraum nach oben zu gehen. Ich tue dem gleich und frühstücke quasi gleich neben der hydraulischen Presse.
Später: Wumm! – Wumm! – Wumm! – meine Presse.
Tack! – Tack! – Tack! – die Maschine von nebenan.
Zzzzzzt … zzzzzzt … zzzzzzt! – eine Bandsäge sägt sich durch das Blech.
Es ist laut, und auch mit Ohrstöpseln drinnen ist es ziemlich laut. Es ist so ein alles durchdringendes Wummern, das einem die Gehirnmasse erbeben lässt. Doch sage ich mir: Nun muss ich da durch, auch wenn ich heute mit Kopfschmerzen nach Hause gehe.
Der Einrichter schaut nach mir.
»Na, wie ich sehe, bist du ja ganz gut dabei«, sagt er und schaut auf die Einstellungen und Druckanzeigen an der Presse. Seiner Mimik nach scheint alles in Ordnung zu sein.
Ich nehme die Ohrstöpsel heraus und nicke. »Ist halt laut!«, schreie ich fast, weil ich mir selbst so leise vorkomme.
»Das ist reine Gewohnheitssache«, entgegnet er. »Aber du kannst dir auch die großen Ohrschützer hier überstülpen, manch einer findet die besser.«
Er reicht sie mir, und ich setze sie auf.
Wumm! – Wumm! – Wumm! Es kommt mir nicht sonderlich besser vor als mit den Stöpseln. Ich zucke mit den Schultern.
»Na ja, Hauptsache du trägst eines von beiden«, sagt er. »Ich schätze, du schaffst noch den Rest bis zum Feierabend …«
Ich nicke bejahend und mache gleich weiter. Wumm! – Wumm! – Wumm!
Der Einrichter geht, bleibt dann aber stehen und schwatzt kurz mit einem Kollegen. Im Allgemeinen scheinen die Stammmitarbeiter an weit moderneren Maschinen zu arbeiten als ich. Die meisten von denen sind mit einem Computer gekoppelt und somit programmierbar. Die Maschine arbeitet dann fast von alleine. Bei mir hingegen geht es noch rein mechanisch zu. Es ist körperlich harte Arbeit ganz nach der klassischen Art.
Der Kollege kommt zur Spätschicht und ich schaue zur Uhr – Punkt 13 45zeigt sie an. Er ist pünktlich. Ob er aber ein echter Kollege ist, kommt mir nicht wirklich so vor. Er wirkt eher ein wenig seltsam auf mich. Umgekehrt muss es ihm wohl ähnlich vorkommen, wenngleich wir von derselben Firma sind.
»Hallo!«, sage ich.
Er nickt nur unmerklich und sagt nichts.
Die 1.000 Bleche habe ich geschafft und ich fühle mich beinahe gut dabei, auch wenn der Rücken etwas schmerzt und der Schädel brummt, doch als Herausforderung sage ich mir, war es das irgendwie wert. Ich kann also auch noch etwas anderes in Sachen Handwerk leisten.
»Ich habe dir bereits eine neue Palette mitgebracht«, bemerke ich zum Kollegen und ziehe nebenbei die Handschuhe aus.
»Hm …«, brummt er nicht unbedingt begeistert. Dann geht er schnell in Richtung Toilette.
Und nun? frage ich den, der nicht da ist. Ich schnappe mir einen Besen und kehre solange um die Presse herum. Etwas später taucht endlich der Einrichter auf.
»Dein Kollege schon da?«, fragt er.
»Ja, er ist auf dem Klo«, sage ich.
»Gut. Ich werde die Presse jetzt für das Tiefziehen umbauen. Die Palette mit den Blechen steht hier aber im Weg, die muss am besten dort rüber.«
Ich schnappe mir den nächsten Hubwagen und er holt sich einen elektrisch betriebenen Hubwagen (die so genannte Ameise). Er nimmt verschiedene Einstellungen an der Presse vor, während ich ihm über die Schulter schaue. Ich schaue zur Uhr, sehe andere kommen und die Frühschicht bereits gehen, und dann sehe ich den Kollegen wiederkommen.
»Na, fit und munter heute?«, fragt der Einrichter ihn, obwohl es inzwischen fast 14 00Uhr ist.
»Geht so«, lautet die Antwort des Kollegen. Jedoch sagt sein Gesicht so ziemlich alles aus.
»Ach, übrigens, du hast jetzt Feierabend«, erinnert der Einrichter mich.
»Okay. Dann bis morgen«, sage ich und schnappe mir Rucksack und Jacke.
Obwohl gleichzeitig sehr viele aus der Frühschicht gehen, gehe ich gewissermaßen allein. Ich drängle mich den anderen nicht auf, und sie wissen vermutlich, dass ich einer von den Neuen bin, und trotzdem bin ich ganz guter Dinge. Diese Schicht war immerhin besser als die letzte Schicht, denke ich.
Das A und O des Beschneidens:Ich lege das Werkstück präzise ein und drücke: Wumm! macht die Presse. Ich greife das Tablett und löse es vom Werkzeug, drehe das Tablett und setze dann neu an. Wumm! macht wieder die Presse. Ich kann das beschnittene Tablett auf den Tisch zu den anderen legen. Dort staple ich exakt in 10er Türmen, und wenn ich dann fünfzig zusammen habe, staple ich sie alle in die große Gitterbox. Ich soll immer gut aufpassen, dass das Tablett korrekt auf der Form des Werkzeuges sitzt. Die überstehenden Ränder, die ich abschneide, fallen dabei direkt unter den Bodenaufbau vom Werkzeug. Ich muss sie spätestens nach siebzig Beschneidungen entsorgen. Das heißt im eigentlichen Sinne, das hochwertige Material in die entsprechende Wertstofftonne werfen. Es wird später für neue Bleche recycelt. Dabei trage ich dicke Handschuhe, denn die Tablettränder sind nach dem Beschneiden teilweise sehr scharfkantig. Doch im Großen und Ganzen komme ich gut voran. Ich hatte es mir anfangs schlimmer vorgestellt. Das einzige Problem – egal ob mit Gehörschutz oder Ohrstöpsel – ist, dass es ständig laut wummert.
Tack! – tack! macht die Finn-Power-Stanzmaschine gleich um die Ecke. Tack, tack – tack, tack, tack! Ich denke dabei immer an Finnland, wenn ich den Namen auf der Maschine lese. Eine Frau arbeitet daran – eine etwas ältere Dame mit Brille. Ich kenne sie natürlich nicht. Ansonsten bin ich in meiner Ecke überwiegend für mich allein. Ich, der Auftrag und die riesige Presse. Von Zeit zu Zeit wird neues Material an Blechen geliefert. Manchmal laufen irgendwelche Leute vorbei, manchmal auch, den Äußerlichkeiten nach, ein Chef. Ich bin ganz gut im Rennen, denke ich.
Nun ist es bereits fünf vor zwei und es sieht fast so aus, als ob mich heute keiner ablösen will. Doch dann kommt der Einrichter schnellen Schrittes dahergelaufen.
»Sag mal, dein Kollege hat wohl heute keine Lust, oder wie?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Eigentlich müsste er schon längst hier sein …« Sein Blick wandert zu den gestapelten Blechen. »Na ja, wie weit bist du so?«
»Ich bin so weit durch.«
»Gut. Dann ist jetzt Längsseiten beschneiden dran, zumindest theoretisch.« Er geht kurz nach hinten und spricht mit jemand anderem. Wenig später kommt er mit dem Hubwagen zurück und schaut zur Uhr. »Mist!«, sagt er. »Wenn du jetzt keine Leihkraft wärst, könntest du heute auch eine Doppelschicht fahren. Aber du darfst ja nur höchstens zehn Stunden am Stück arbeiten.« Er fährt die Presse hoch und löst das Werkzeug vom Werkzeugtisch. »Sag mal, hast du vielleicht eine Telefonnummer von deinem Kumpel?«
Читать дальше