Textland - Made in Germany

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"das gedicht beschwert sich bei der welt, dass sie nicht seinen ansprüchen entspricht.
angemessen wäre: die welt läuft aus dem ruder und das gedicht läuft mit."
Max Czollek
TEXTLAND ist ein Raum voller Geschichten, ist erzähltes Leben und grenzüberschreitend. Was im Alltag schwierig zu sein scheint, gelingt in der Gegenwartsliteratur: Integration.
Die Texte von bi- und multikulturellen, bi- und multilingualen Autorinnen und Autoren bereichern die deutschsprachige Literatur, indem sie sie verändern und prägen. TEXTLAND gibt diesen Entwicklungen eine Bühne, und zwar in Frankfurt, der Geburtsstadt Goethes, der für die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und die Utopie einer literarischen Kommunikation, die Verbindendes erkennt, ohne Trennendes aufzuheben, einen einfachen Namen hatte: Weltliteratur.
Im deutschsprachigen Raum existiert bereits seit langem eine lebendige, hochklassige Literaturszene, repräsentiert durch Autorinnen und Autoren wie Nino Haratischwili, Abbas Khider, Ilija Trojanow, Natascha Wodin, Feridun Zaimoglu und viele andere mehr. In diesem Jahr wurde der bedeutendste deutsche Literaturpreis – der Büchner-Preis – der in Ungarn geborenen Terézia Mora zuerkannt. TEXTLAND stellt die Frage, was deutschsprachige Literatur heute eigentlich ist und widmet dem Austausch individueller Erfahrungen und neuer ästhetischer Positionen Aufmerksamkeit. Denn Literatur ist nicht nur ein äshetisches Erlebnis, sie ist auch eine Form kritischer Praxis und ermöglicht es, sich mit der Welt und den darin lebenden Menschen auseinanderzusetzen.
Erzählungen, Essays und Gedichte von Marjana Gaponenko. Doron Rabinovici, Karosh Taha, Max Czollek, Lena Gorelik, Abbas Khider, Shirin Kumm, Sandra Gugić, Sharon Dodua Otoo, Arta Ramadani, Aleš Šteger, Alexandru Bulucz, Paul-Henri Campbell, Hadija Haruna-Oelker, Jamal Tuschick, Safiye Can, Sudabeh Mohafez und Feridun Zaimoglu.

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Textland Made in Germany - изображение 1
1 Herausgegeben von Riccarda Gleichauf mit Fotografien von Alexander Paul Englert
Textland Made in Germany - изображение 2

Ein Projekt der Faust Kultur Stiftung картинка 3KULTUR STIFTUNG

www.faustkulturstiftung.de

Mit freundlicher Unterstütung von: Kulturfonds Frankfurt RheinMain | Stiftung Polytechnische Gesellschaft | Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main

1 Auflage 2018 Edition Faust Frankfurt am Main 2018 Alle Rechte - фото 4

1. Auflage 2018

© Edition Faust, Frankfurt am Main 2018

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

www.editionfaust.de

Lektorat: Regine Strotbek

Gestaltung: Bayerl & Ost

Illustration: „Textbilder“ von Alexander Paul Englert © Alexander Paul Englert 2018

Druck: druckhaus köthen, Köthen (Anhalt)

Printed in Germany

ISBN 978-3-945400-59-3

eISBN 978-3-945400-60-9

www.textland-online.de

VORWORT

Eine Buchhandlung in einer Kleinstadt Ende der 1990er Jahre. Mit Mühe habe ich mir einen Platz in dem dazugehörigen Café ergattern können, in dem der noch unbekannte Autor Feridun Zaimoglu aus seinem Buch Kanak Sprak lesen würde. Eben hatte ich mir in einem Battle-Rap-Forum im Internet unter männlichem Pseudonym den Ärger über meine weiblich-unterdrückte Existenz in möglichst poetisch klingenden Versen von der Seele geschrieben. Hatte versucht, mein Gegenüber mit den fiesesten Reimen zu disqualifizieren. Nun saß ich eingezwängt zwischen Akademikerinnen und Akademikern aus „meiner“ deutschen Bildungsbürgerschicht und lauschte gebannt einem nicht enden wollenden Wortschwall, einem Hakan, 22, Kfz-Geselle, der sich den Frust über die Zustände in seinem Milieu genauso aus dem Körper sprechen musste, wie ich es vor ein paar Stunden noch getan hatte.

Die halbfiktiven Interviews, die Zaimoglu vorlas, erschienen fremd und gleichzeitig vertraut, erzählten von einer anderen Welt, die doch in meiner existierte, und wirkten ein auf mein bis dahin „biodeutsches“ Bewusstsein, das fortan kein solches mehr war.

Die Frage, ob das auch „deutsche Literatur“ sei, stellte sich mir damals nicht. Diese Texte sprachen mich an und stießen mich in ihrer ungewohnt derben Poesie ab, doch gerade deswegen weckten sie verstärkt mein Interesse.

„Das Fremde ist etwas, das sich zeigt, indem es sich entzieht“, so der Phänomenologe Bernhard Waldenfels, dessen Beobachtung ich Jahre später in einem der wenigen Germanistikseminare an der Frankfurter Goethe-Universität kennenlernte, die sich mit deutschen Autorinnen und Autoren beschäftigten, die nicht Goethe oder Schiller hießen, sondern zum Beispiel Yoko Tawada und Emine Sevgi Özdamar. Anspruchsvolle Literatur galt immer schon als ein Medium für Grenzüberschreitungen. Doch nun war damit vor allem der Begriff „Transkulturalität“ gemeint, der im Jahr 2009, nach der Literaturnobelpreisvergabe an Herta Müller, deutsche Schriftstellerin aus dem rumänischen Banat, in der Forschung vermehrt Beachtung fand.

Doch wie facettenreich ist die vom kulturellen und sprachlichen Reservoir mehrerer Kulturen geprägte deutsche Literatur aktuell eigentlich wirklich? Begleitend zum Literaturprojekt „TEXTLAND – Made in Germany“ erscheint mit diesem ersten Sammelband eine Auswahl an Stimmen, die in Form von Essays, Gedichten und Erzählungen Denkräume eröffnen, die in ihrer literarischen Fiktionalität vor allem starke gesellschaftspolitische Akzente setzen.

Hannah Arendt stellte in ihrer Vita Activa fest: „Eine gemeinsame Welt verschwindet, wenn sie nur noch unter einem Aspekt gesehen wird; sie existiert überhaupt nur in der Vielfalt ihrer Perspektiven.“ Genau das möchte TEXTLAND sein: ein öffentlicher Handlungsraum im Sinne der Philosophin, in dem die Vielfältigkeit der heutigen deutschen Literatur „in Erscheinung treten“ kann, um zu wirken.

Riccarda Gleichauf

INHALT Sudabeh Mohafez Schrille Töne auf engen Bühnen Sudabeh Mohafez - фото 5

INHALT

Sudabeh Mohafez: Schrille Töne auf engen Bühnen Sudabeh Mohafez Schrille Töne auf engen Bühnen Versuch über ein wirkmächtiges Phantom

Marjana Gaponenko: Die Schmuckeremitin Marjana Gaponenko

Doron Rabinovici: Wenn du’s nicht weißt Doron Rabinovici

Karosh Taha: Wenn Saddam zurücklächelt

Max Czollek: Nachrichten aus Marathon

Abbas Khider: Stumm und starr vor Angst

Shirin Kumm: Identitätssuche

Lena Gorelik: Was ist Heimat?

Sandra Gugić: Billy Bana, 1999

Sharon Dodua Otoo: neun

Arta Ramadani: Kleine Stadt, große Sorgen

Aleš Šteger: Schnurrbärte

Alexandru Bulucz: Der Ausländer seine Rose ihr Stein

Hadija Haruna-Oelker: Essay

Paul-Henri Campbell: re:aktor poems i-iii

Feridun Zaimoglu: Den Fremdländer kannst du nimmer aus der Fresse wischen

Jamal Tuschick: Orgasmen im mikrokosmischen Orbit

Safiye Can: „Pianissimo“-Gedichte

Quellen

Essay Sudabeh Mohafez Schrille Töne auf engen Bühnen Versuch über ein - фото 6

Essay

Sudabeh Mohafez

Schrille Töne auf engen Bühnen

Versuch über ein wirkmächtiges Phantom

Foto Markus Kirchgessner SUDABEH MOHAFEZ 1963 in Teheran Stationen in - фото 7

Foto: Markus Kirchgessner

SUDABEH MOHAFEZ (*1963 in Teheran). Stationen in Berlin, Lissabon, Stuttgart und im Schwäbischen Wald. Schreibt Romane, Erzählungen, Essays, Lyrik, Theaterstücke. Arbeitete als Lektorin, Übersetzerin (Englisch, Persisch, Portugiesisch) und Leiterin von Schreibwerkstätten. 2006 erhielt sie den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis. 2017 erschien ihr Erzählband Behalte den Flug im Gedächtnis in der Edition AZUR.

Zunächst war da nur die Bitte um einen Essay zu „mehrsprachiger Literatur“. Ich war angetan, sagte bedenkenlos zu und zupfte sofort Barbara Köhlers neuen Band 42 Ansichten zu Warten auf den Fluss aus dem Regal. In ihm finden sich Passagen wie die folgende:

„Wir werden uns erinnern, werden übersetzen, über den Fluss werden wir sprechen am Kanal, mit Blick auf Sonnenuntergänge und den grünen Saum des Horizonts oder das stille Gewässer da unten im Tal und das Licht auf den Bäumen, Schatten, die wachsen, die am Abend aus der Senke heraufstiegen: It was summer , zomer, der Sommer 2016 und Marja Zomer, die fürs Essen und Trinken sorgte, Wirtin war, Wartin, waitress, waardin en gastvrow (eins dieser Wörter wird auf der zweiten Silbe betont und nennt einen Ort in der Uckermark), Marja kam aus der Küche, lachte, brachte Essen.“

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