1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Ich schaue zur Uhr und bin im Grunde ganz seiner Meinung, und sage dennoch: »Aber es ist doch erst 21 44Uhr.«
»Ach«, sagt er und winkt ab. »Das ist schon okay. Sag, wie viele hast du geschafft?«
»Na ja, 700 vielleicht …?«
»Das reicht. Geh du jetzt mal lieber in den Waschraum und mache dich ein wenig sauber.«
»Waschraum? Wo befindet der sich?«
»Den Mittelgang entlang bis kurz vor die Montagehalle, dann rechts. Du siehst das schon …«
»Okay.« Ich schalte das Werkzeug aus und stapele die restlichen Tabletts beiseite.
»Ach«, fiel ihm noch ein. »Aber ausfegen tust du hier noch, ja.«
»Geht klar«, sage ich und lege endlich die dreckige Schürze ab. Handschuhe und Brille fliegen auf den Tisch. Späne fallen aus meinen Haaren.
Auf dem Weg zum Waschraum grinst mich so ziemlich jeder an, der mir entgegen kommt. Ich frage mich, was die nur haben. Aber ich sage mir: Es ist sicher die gute Feierabendstimmung, die ein bisschen lustig macht.
Ich schaue in den Spiegel und sehe nun, warum die Männer so amüsiert waren. Wo bei mir zuvor die Schutzbrille saß, ist meine Haut hell geblieben. Ansonsten ist mein Gesicht staubig und schwarz. Ich räuspere mich und spucke in das Waschbecken vor mir – meine Spucke sieht ungefähr wie nach 100 Zentnern Kohlenschaufeln aus.
»Na, bist wohl durch den Schornstein gekrochen, oder was?«, fragt ein Typ, der neben mir auftaucht, um sich die Hände zu waschen.
»Nein, ich habe nur gedrehmelt«, gebe ich zu verstehen.
»Na ja, ist ja fast dasselbe«, sagt er und grinst genauso breit wie alle anderen.
Ich bin der Clown zum Feierabend, stelle ich fest und schaue wieder in den Spiegel. Definitiv! Ich kann es ganz deutlich sehen. Was habe ich auch erwartet? frage ich mich. War doch klar, dass ich den Job machen darf, den hier wahrscheinlich keiner sogerne macht.
Mein Kollege von der Zeitarbeit kreuzt auf und hat die Hände in den Taschen. Es sieht nicht so aus, als ob er sich sonderlich tot gemacht hätte.
»Wie war's?«, frage ich.
»Ach, es ging so …«, sagt er.
Ich glaube ihm nicht wirklich und sehe hinter ihm, den Schichtführer auf uns zukommen.
»Wahrscheinlich wisst ihr es noch nicht, aber einer von euch beiden muss gleich morgen die Frühschicht antreten«, teilt er mit. »Die Produktion wurde hochgefahren, und deshalb muss die Laufer-Presse voll ausgelastet werden. Also, wer kommt freiwillig von euch?«
Der Kollege hebt die Brauen.
»Dann werde ich einfach kommen«, biete ich an. »Welche Uhrzeit muss ich da sein?«
»Die Frühschicht beginnt 05 45Uhr. Wenn du zehn Minuten früher da bist, ist das okay. Ja, und du kommst dann wieder zur Spätschicht.«
Der Kollege nickt unmerklich und ich schaue zur Stechuhr rüber, wo sich bereits einige Männer versammelt haben.
»So, Jungs, Feierabend!«, sagt der Schichtführer und lässt uns stehen.
»Gehst du anschließend zum Bahnhof rüber?«, frage ich den Kollegen.
»Man, natürlich gehe ich zum Bahnhof!«
Er weicht meinem Blick aus. Er ist knurrig und offenbar gedanklich weit weg. Ich merke, dass ihm die Arbeit nicht sonderlich schmeckt, und er merkt umgekehrt, dass ich es ihm anmerke. Eigentlich gefällt mir der Job bis jetzt ebenso nicht.
Einsatz an der Presse:Ich stehe neben der großen Hydraulik-Presse im Zuschnitt und warte auf den Einrichter, der mir gleich heute Morgen so einiges zu zeigen hat. Die Presse ist riesig, vielleicht an die vier Meter hoch, und doch kann nur 1 Mann daran arbeiten. Daneben steht eine Gitterbox, in der dieselben gelochten Tabletts liegen, die ich bereits gestern Abend bearbeitet habe. Dann ist das Drehmeln faktisch der nächste Arbeitsschritt, schlussfolgere ich. Und sogleich ist der Gedanke an das Metallstaubmännchen wieder da. Ganz zu schweigen von all dem Schmutz, der bei mir aus sämtlichen Poren kam, als ich dann zu Hause unter der Dusche stand.
Der Einrichter, so heißt der Vorarbeiter und Mechaniker in der Branche, kommt um die Ecke gefegt. »Guten Morgen!«, sagt er.
»Guten Morgen!«, sage auch ich.
»Wie ich sehe, wartest du schon, dass es so richtig losgehen kann.«
»Na ja, ich warte halt nur …«
»Gut.« Er schaut sich kurz um. »Wo stehen wir heute? Ah, am Anfang!«, beantwortet er sich selbst die Frage. »Wir fangen heute wieder mit Ecken beschneiden an.«
»Aha …?!«, sage ich und habe dennoch keine Ahnung. Ich weiß nicht genau, was er damit meint. Aber ich lasse mich gern überraschen.
»Ist die Presse schon an?«
»Nein.«
»Also, hier hinten an der Seite ist der Hauptschalter …«
Ich folge ihm und er legt ihn um.
»Hier dann das Arbeitslicht einschalten und hier daneben die Presse einschalten.«
Frrrummm …, macht die Presse. Dann summt ein gleichmäßiger Ton.
»So, und ganz wichtig«, sagt er, »hier oben das Wasser andrehen! Das ist eine wassergekühlte Presse, und wenn der Hahn zu ist, läuft sie natürlich irgendwann heiß. Zum Feierabend, ich meine nach der Spätschicht, wird das Wasser selbstverständlich wieder abgedreht. Hier oben läuft nicht gerade wenig durch …«
»Okay.« Die Wasserrechnung, denke ich.
»Ja, und hier haben wir noch eine Beleuchtung für die Werkbank. Dort drüben steht eine zweite Werkbank, da kannst du zum Beispiel deine Jacke hinhängen, und wenn du mal das Fenster kippen willst, dann bitte nicht, wenn es draußen regnet. Die Werkzeuge hier sind richtig teuer. Das ist zwar guter Stahl, wenn da aber zuviel Feuchtigkeit rankommt, auch nur hohe Luftfeuchtigkeit, dann fangen die schnell an, zu rosten.«
»Hab verstanden. Also nicht bei Regen.«
»Genau. Dann werde ich jetzt zuerst das Werkzeug auswechseln, und du fährst solange die Gitterbox mit den fertigen Teilen dort rüber und bringst auch gleich wieder eine leere mit zurück. Die neu zugeschnittenen Bleche stehen dort hinten unter dem Regal auf einer Euro-Palette. Die kannst du ebenfalls gleich mit dem Hubwagen herfahren. Der Auftragszettel liegt oben drauf.«
Er fängt an, die Presse hochzufahren, und auch ich setze mich in Bewegung – ich gehe davon aus, dass es nicht ganz so staubig wie in der gestrigen Spätschicht werden wird.
AL Mg 3lese ich. Sicherlich ist dies die Zusammensetzung der Metalllegierung, aus der die Bleche bestehen, um beim Gebrauch gewisse Eigenschaften zu erfüllen. Stückzahl: 1008, steht darunter. Ich frage mich, wie ich 1000 Bleche in einer Schicht schaffen soll. Doch dann verdränge ich das lieber und riskiere hier und da einen Blick, um mich besser mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Andere arbeiten bereits emsig an modernen Maschinen, die ich im Leben noch nie gesehen habe. Eine Laseranlage arbeitet direkt vor meinen Augen, es rumpelt und zischt, und auch ziemlich viele Funken wie bei einer Trenn-Schleifmaschine sprühen nach unten. Ich kann nicht sehen, was der Laser genau zuschneidet, aber ich vermute, dass es ebenso Metallbleche sind.
Hinter einer Maschine hebt ein Mann den Kopf und grinst mich aus breiten Mundwinkeln an. Ich nicke ihm freundlich zu, aber ich sage nichts zu ihm. Auch er sagt nichts zu mir, und ich ziehe dann schnell weiter.
Die Hydraulik-Presse ist eingerichtet: Der Werkzeugblock steht direkt in der Mitte auf der Arbeitsplatte – es ist das Schneidwerkzeug zum Beschneiden der vier Ecken vom Blech. Die Bleche messen 35 x 50 cm und sind 2,5 mm stark.
»So, dann nimm dir gleich mal einen Stoß her und setze dich hier ran«, sagt der Einrichter. »Das Einlegen der Bleche hat genau im rechten Winkel zu erfolgen. Ist eigentlich ganz einfach …«
Ich nehme ein Blech und lege es wie gesagt ein.
»Und jetzt«, verdeutlicht der Einrichter, »mit beiden Händen hier an den Seiten gleichzeitig die roten Knöpfe drücken. So kannst du während des Pressvorgangs niemals die Hände dazwischen haben.«
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