Gerade schrieb er darüber, wie er einem riesigen Bären gegenüberstand. Der hatte sich die Pfote gebrochen, um den Hals eine Schlinge und bei jeder Bewegung zog sie sich weiter zu. Peter hatte keine Betäubungspfeile mehr in seinem Gewehr. Der Bär ließ ihn ganz nah an sich heran. Er bemerkte die positiven Schwingungen und das beruhigende Flüstern von Peter. Nun ja, das war jetzt schon viele Jahre her.
Dr. Peter Bender war ein sehr erfolgreicher Schönheitschirurg. Täglich sorgte er dafür, dass die Menschen noch besser und schöner aussahen.
Irgendwann saß ein kleines Kätzchen vor der Klinik. Niemand hatte Zeit, außer Bender. Er nahm sich des Tieres an und versorgte es. Der kleine Kater war verletzt und Peter Bender spürte, dass der kleine Stubentiger eine gewisse Liebe zu ihm aufbaute. Er wurde nachdenklich und überlegte, vielleicht doch in die Tiermedizin zu wechseln.
Diesen Gedanken hatte er schon oft verfolgt. Das viele Geld und der Ruhm als Schönheitschirurg machten ihn nicht mehr glücklich. Er konnte einfach diese verrückten und eingebildeten Leute nicht mehr sehen. Seine Kinder waren durch gute Ausbildungen versorgt. Lisa, seine Frau, war sehr früh verstorben.
Peter wollte einen neuen Weg einschlagen und verkaufte alles, was er besaß. Er kaufte neue Ausrüstungen. Und – welch ein Zufall, oder war es etwa eine Fügung – sein Freund, Tierarzt Dr. Jack Lahome, gab seine Praxis aus Altersgründen auf.
Jedoch suchte Lahome noch eine Herausforderung. Beide bauten im Nationalpark schließlich die Animal Home Station auf. Mit weiteren fünf Helfern versorgten sie sämtliche Wildtiere. Oft war es ein sehr gefährliches Unterfangen.
Gerade kam Dan zur Station zurück. Mit seinem Jeep umkreiste er großräumig das Gelände, um herannahende gesunde Tiere zu entdecken, die auf Beutefang waren und meinten, in der Station einen leckeren Happen zu bekommen. Dan übernahm das Funkgerät.
Peter wollte nur eine kurze Zeit am Wasserfall verbringen. Später wollte er an seinem Buch weiterschreiben. Den Jeep tankte er noch voll und verstaute die Betäubungspfeile. Nun fragte er Dan, wo sich die anderen Freunde befänden.
Etwa fünfzehn Meilen entfernt war ein Wasserfall. Es gab keinen befestigten Weg und manchmal mussten Äste und ganze Bäume aus dem Weg geräumt werden. So manche Achse am Jeep musste aus diesem Grund schon gewechselt werden.
Am Wasserfall angekommen, nahm Peter ein Bad. Danach beobachtete er mit dem Fernglas einige Affen. Peter amüsierte sich sehr über ihr Verhalten. Er musste sich zwangsläufig an die Katze erinnern, wie sie die Kissen zerlegt und die Schuhbänder aus den Schuhen gezogen und versteckt hatte.
Allerdings bemerkte er nicht, dass er beobachtet wurde. Tatsächlich bewegte sich im nahe gelegenen Gebüsch etwas. Peter war in Gedanken, denn wenn er seine Umgebung aufmerksamer betrachtet hätte, so hätte er wahrgenommen, dass große, schwere Stiefel und ein Gewehrlauf zu erkennen waren. Aber leider achtete er nicht darauf.
Immer mehr Gewehre und Stiefel wurden sichtbar. Da waren Wilderer unterwegs. Zu spät bemerkte er sie. Sie saßen auf der Motorhaube ihres Jeeps und zerschlugen das Betäubungsgewehr. Peter hatte keine Chance.
„Hands up!“, riefen die Wilderer.
Zu spät. Sie saßen bereits in seinem Jeep.
„Was wollt ihr von mir?“, rief er. „Geld, Elfenbein oder sonstige Reichtümer besitze ich nicht.“
Vor kurzer Zeit waren zwei Wilderer gefangen genommen worden und nun wollten ihre Freunde sie befreien, indem sie versuchten, Peter zu erpressen. Sie wussten, dass er gute Kontakte zum Park Officer hatte. Nur bemerkten die Gauner nicht, dass auch sie beobachtet wurden. Sie waren sich ihrer Sache sehr sicher. Die Vorräte im Jeep wurden geplündert und Peter gefesselt.
Dumpfe Schritte und ein Raunen waren zu hören. Noch ein paar schwere Schritte und die Wilderer lagen am Boden. Die Hiebe waren so kräftig, dass alle Gauner bewusstlos waren. Peter erkannte ihn sofort. Es war der gerettete Bär mit der gebrochenen Pfote und der Schlinge um den Hals. Die Halsabdrücke waren unverkennbar.
Die ganze Aktion wurde vom Officer über das Funkgerät mit angehört. Er lokalisierte den Tatort und fuhr mit seinen Leuten los.
Der Bär und Peter verabschiedeten sich mit einem Augenzwinkern. Wieder war sich Peter sicher, dass er seine Lebenszeit nur der Gesundheit der Tiere widmen wollte, aber nie wieder dem Schönheitswahn der Menschen.
Robert war der Sohn des Bestsellerautors Stan Wenesh. Wer erinnert sich nicht gern an die Kriminalgeschichten mit Inspector Drabens, auch an die Romane „Untergang der Westburns“ und „Der letzte Held“. Robert war immer im Hintertreffen, er verdiente sein Geld als Redakteur, schrieb Gedichte, Kurzgeschichten und Liebesgeschichten. Es hätte aber auch anders kommen können, völlig anders.
In jungen Jahren, Robert war fünfzehn, schrieb er all die Gräueltaten auf, die sein Vater Stan ihm und seiner Mutter Lydia antat. Robert entwickelte eine gewaltige Fantasie. Jeden Abend überlegte er, wie er den Vater zur Rechenschaft ziehen könnte. In seinen Tagebüchern entstand der Killer Drab. Robert sah sich selbst als Killer. Unendliche Geschichten und verschiedenste Mordarten entwickelten sich. Tagsüber – aus Angst vor dem Vater – der Musterschüler, abends der Killer. Robert sah die Qualen seiner Mutter, Schläge, Vergewaltigung, Betrügereien. Die ganze Palette übte der angeblich so saubere Stan Wenesh aus.
Damals war Stan noch ein Nichts, ein kleiner Angestellter der New Day Post. Irgendwann fand er das Tagebuch. Raffiniert, wie er war, kopierte er die Seiten und veröffentlichte sie in etwas geänderter Form in der Zeitung. Der Verlag DDST wurde aufmerksam und wollte ein Buch daraus veröffentlichen, aber nicht aus der Sicht des Killers, sondern eines Inspektors. So entstand Inspector Drabens.
Das Buch wurde ein Bestseller. Je mehr Bücher verkauft wurden, desto gemeiner wurde Stan zu seiner Familie. Immer mehr schrieb Robert, immer spannender wurden die Morde. Stan hielt ihn und seine Mutter an der ganz kurzen Leine. Er hatte Freundinnen, den teuersten Wagen und die modernste Technik. Heimlich nahm er alles in seiner Familie Gesprochene auf, auch bei den Treffen der Autoren, er war einfach immer über alles informiert.
1964 kaufte er eine dieser neuen Errungenschaften, die Kompaktkassette. Es war fast wie ein Agentenkrimi. Stan nahm alles auf, wirklich alles. In seinem Aktenkoffer hatte er stets den Kassettenrekorder zur Aufnahme bereit. Oft ließ er ihn, sozusagen aus Versehen, in Büros stehen. Danach hatte er häufig Buchtitel und Inhalte spioniert. Daher wurden auch seine anderen Bücher Erfolge, denn das Buch „Der Untergang der Westburns“ hieß im Original von Mike Dewenger „Der Untergang einer Dynastie in Dallas“. Nur war Stan mit einer ähnlichen, aber eben gestohlenen Geschichte schneller auf dem Markt. Stan wurde geliebt und gehasst, als Genie bezeichnet. 1968 trennte er sich von seiner Familie.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere verunglückte er mit seinem Sportwagen. Ein Genie war tot, so schrieb man es. Wie viele Konkurrenten und Freunde er aber betrogen hatte, das stand auf einem anderen Blatt Papier.
Dort fanden sich auch Robert und seine Mutter wieder. Sie kämpften zu Stans Lebzeiten nicht um eine große Abfindung, sie waren mit den 1.800 Dollar zufrieden, Hauptsache, sie hatten ihre Freiheit und waren weit weg von diesem Tyrannen.
Robert löste das Büro seines Vaters auf. Er stieß auf die Kassetten, rechnete mit guter Musik. Als er sie kontrollierte hatte, war er wie versteinert. Das Denkmal Stan Wenesh brach zusammen. Der Skandal wuchs. Fairerweise überließ Robert alle Einnahmen der gestohlenen Werke den eigentlichen Eigentümern.
Читать дальше