Rachel Hauck - Memory House

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Beck Holidays Welt scheint plötzlich aus den Fugen zu geraten. Die toughe junge Frau erwartet nicht nur ungewollt ein Kind, sie wird auch wegen eines Fehlverhaltens von ihrem Dienst als New Yorker Polizistin suspendiert. Am Tag ihrer Entlassung erhält sie dann überraschend die Nachricht, sie habe in dem Ort in Florida, wo ihre Familie früher den Sommerurlaub verbracht hat, ein Haus geerbt. Sie reist dorthin, um sich das Haus in der Memory Lane anzuschauen. Doch aufgrund einer Amnesie kehrt ihre Erinnerung einfach nicht zurück. Ihr fehlen seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center, bei denen ihr Vater starb, der ebenfalls Polizist war, große Teile ihrer Kindheit und Jugend. So erkennt sie auch nicht auf der Beerdigung der Erblasserin ihre ehemalige Jugendliebe Bruno. Zwischen der verstorbenen Everleigh Applegate und Becks Lebensgeschichte scheint es etliche Parallelen zu geben. Ein Tornado hatte einst ihre junge Ehe wie auch ihren Traum von Familie zerstört. Notgedrungen gibt sie ihren Säugling zur Adoption frei. Und dann trifft sie einen früheren Mitschüler, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Sie sehnt sich nach Veränderung und steckt doch gefangen in ihrer Erinnerung. Es liegt an ihr, die Vergangenheit und das Trauma zu überwinden, um wieder ein erfülltes Leben zu führen. Ist das auch der Grund, warum Everleigh später das „Memory House“ an Beck vererbt hat?

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Was ist passiert?

Ich muss es wissen.

Ich kann dich sonst nicht decken.

Weiß nicht, ob ich es überhaupt kann.

Sergeant?

AUFWACHEN!

Sie hob Beetle Boo wieder zu sich ins Bett und überlegte, welche Optionen sie hatte.

Von zu Hause ausreißen? Nein, dazu war sie zu alt. Sie wäre liebend gern abgehauen und in ein neues, surreales, perfektes Leben geschlüpft, in dem es vernünftig war und einen Sinn ergab, schwanger zu sein, und in dem ihr Zustand ihr nicht Angst, sondern Hoffnung machte.

In ein Leben, in dem sie ein eigenes Zuhause hatte, einen Mann, der ihrem Baby ein Vater sein würde – wenn sie sich überhaupt dafür entscheiden würde, es zu bekommen –, in dem ihre Kindheitserinnerungen zurückkommen würden, und ein Zuhause, in dem der Schmerz über den Tod ihres Vaters sie nicht von ihrer Mutter trennte, sondern beide verband.

Aber das war nur ein Traum und wahrscheinlich zu viel verlangt vom Leben. Nach achtzehn Jahren machte sie sich keine Hoffnung mehr.

Das war auch der Grund, weshalb sie gern Polizistin war. In dem Job kannte sie sich aus, wusste, was von ihr erwartet wurde und fand sich selbst Tag für Tag in den Routineabläufen wieder.

Durch eigene Dummheit hatte sie sich in dieser einen blöden Nacht selbst in Schwierigkeiten gebracht. Dafür konnte sie niemand anders verantwortlich machen – abgesehen von ihm . Sie waren beide betrunken gewesen, aber wenn ihre ziemlich verschwommene Erinnerung sie nicht trog, war sie es gewesen, die im Rosie’s die Initiative ergriffen hatte.

Inmitten all der Nachrichten von Ingram war auch eine von Hogan.

Wie geht‘s dem Hund? Ruf mich an. Boudreaux‘ Anwalt ist hier schon aufgekreuzt, bevor ich den Bericht fertig hatte.

Sie wollte ihm gerade zurückschreiben, als ihr Handy klingelte. Ah, das war Ingram. Am Klingeln merkte sie, dass er die Geduld verlor.

Trotzdem drückte Beck ihn weg, warf das Handy zwischen die Papiertücher, Papiere, Bücher und Duftöle in der Nachttischschublade und vergrub sich mit ihren Sorgen im Kissen.

Vielen Dank auch für deine Hilfe, Gott.

Sie musste wieder eingeschlafen sein, weil ein Klopfen an der Tür sie aus einem traumlosen Schlaf aufschreckte.

„Ja?“ Sie räusperte sich und warf einen Blick auf ihren Wecker. Es war sieben Uhr abends.

Ihr Stiefvater Flynn betrat in seiner Polizeiuniform mit dem Dienstgrad eines Captains ihr Zimmer. „Du hast wirklich auf Streife deinen Posten verlassen?“

Beck zog jetzt die Bettdecke etwas zurecht, sodass Beetle Boo zum Vorschein kam. „Nein, ich habe nicht den Posten verlassen, sondern ich bin nur mit dem kleinen Kerl hier beim Tierarzt gewesen“, antwortete sie. „Hogan hat den Verdächtigen aufs Revier gebracht – was reine Zeit- und Geldverschwendung war. Gibt es noch Gerechtigkeit auf der Welt, Flynn?“

„Ja, es gibt Gerechtigkeit. Und irgendwann steht jeder vor seinem Richter.“ Er deutete jetzt mit dem Kopf auf den Hund und bemerkte: „Du hättest die Tierrettung verständigen können. Das ist deren Job. Deiner ist es …“

„… ein unschuldiges, verletztes, bettelndes Tier zu ignorieren, um einen Wiederholungstäter festzunehmen? Der, nebenbei bemerkt, schon wieder auf freiem Fuß war, bevor Hogan auch nur den Bericht fertig geschrieben hatte. Nein, Flynn. Ich habe den kleinen Kerl hier gerettet.“ Sie kraulte Beetles Nase, woraufhin der den Kopf hob und ihre Hand mit seiner rosa Zunge berührte.

Flynn starrte sie einen Moment lang an, hin- und hergerissen zwischen seinen Rollen als Polizei-Captain und als Stiefvater.

Flynn und ihr Vater waren seit der Schulzeit beste Freunde gewesen. Mit zweiundzwanzig waren sie beide zusammen zur Polizei gegangen und von da an tagein, tagaus, von Mitternacht bis acht Uhr morgens auf der Jagd nach Straftätern und dem nächsten Kaffee gewesen.

Nach den Anschlägen vom 11. September hatte Flynn oft vorbeigeschaut, um nach „Dales Witwe“ zu schauen, und ein Jahr später hatten er und ihre Mutter dann geheiratet.

„Was ist denn passiert?“, fragte er mit einem tiefen Seufzer.

„Ich hab einen Wiederholungstäter beim Dealen erwischt, und als ich ihn verfolgt habe, hat er einen Beutel fallen lassen, in dem der kleine Kerl hier war. Hat ihn als Drogenkurier missbraucht.“

Flynn beugte sich vor, um einen Blick auf den Hund zu werfen, kam aber nicht näher.

„Der sieht ja zum Erbarmen aus. Was hat denn der Tierarzt gesagt?“

„Er hat gesagt: ,Das macht dann eintausendfünfhundert Dollar.‘“ Beck schlüpfte in ihre Hausschuhe, zog das T-Shirt ein bisschen von ihrem Bauch ab und griff nach ihrem Bademantel. „Dann hat er mich mit Medikamenten, Spezialfutter und Instruktionen nach Hause geschickt. Der Kleine sieht jetzt schon zehn Mal besser aus als gestern Abend.“

„Aber du weißt, dass ich allergisch bin, oder?“

„Jap“, sagte sie nur und ging aus dem Zimmer.

Bitte, bitte, erst mal Kaffee.

Als sie vor etwa sechs Wochen eines Morgens angefangen hatte, koffeinfreien Kaffee zu trinken, hatte ihre Mutter eine Augenbraue hochgezogen. Beck hatte sich damit getröstet, dass sie schon so viel Koffein im Blut gehabt hatte, dass es vermutlich für ein ganzes Leben, wenn nicht gar zwei, reichte.

Aus der Küche duftete es nach Boeuf Stroganoff und einen Moment lang empfand sie einen tiefen Frieden. Beck liebte ihr Zuhause. Das war der gemütliche, geborgene Ort, an den man sich zurückzog, um sich vor den Problemen der Welt zu verkriechen.

Sie wünschte sich das, was ihre Mutter und Flynn hatten, einen Ort, an dem man sich von unliebsamen Überraschungen erholen, sich ein Leben aufbauen und vielleicht ein Kind großziehen konnte.

Es gab da eine Wohnung an der Rockway Avenue, die sie hätte haben können, aber die war längst nicht so gut wie die piekfeine Wohnung in Stuytown, die sie und Sarah sich bis vor Kurzem geteilt hatten.

Flynn ging in der Küche umher, bereitete alles fürs Essen vor, und seine starke Ausstrahlung und sein stabiler Körper bewirkten, dass der Friede noch etwas anhielt.

„Wyatt ist heute zum Essen nicht da“, sagte er, nahm zwei Teller aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch. „Er schaut sich mit ein paar von seinen Jungs die Halbfinals der National Championships an.“

„Wer spielt denn?“, fragte Beck und nahm die leere Kanne aus der Kaffeemaschine. Traurig. Sehr traurig. Sie schob die Kanne wieder auf die Wärmeplatte zurück und entschied sich für Orangensaft. Der war sowieso besser für sie.

„Ohio State gegen Texas.“ Flynn nahm Salat und Bier aus dem Kühlschrank. „Willst du auch eins?“, fragte er und hielt eine Bierflasche hoch.

„Nein danke, ich arbeite heute Nacht.“

Er zog ein Gesicht. „Das tut mir leid. Ich dachte, du hättest frei. Das ist ein frohes neues Jahr, was?“

„Seit ich bei der Polizei bin, habe ich jedes Jahr an Neujahr Dienst gehabt. Ich wüsste gar nicht, was ich an dem Tag mit mir anfangen soll, wenn ich nicht Dienst hätte.“

Sie stürzte den letzten Schluck Orangensaft hinunter und warf dann die Flasche in den Mülleimer. „Ich muss vor dem Essen noch den Hund füttern.“

„Du kannst ihn nicht behalten, Beck, auch ganz abgesehen von meiner Allergie. Wir arbeiten doch alle zu unterschiedlichen Zeiten und haben auch so schon Mühe, Zeit füreinander – geschweige denn für einen Hund – freizuschaufeln.“ Flynn ging zum Thermostat im Esszimmer und sagte: „Deine Mutter ist anscheinend wild entschlossen, diese Wohnung in eine Sauna zu verwandeln.“

„Ich nehme mir eine eigene Wohnung“, erklärte sie und spürte in dem Moment ein ganz leises Flattern in ihrem Bauch. Das war das Baby. Es bewegte sich.

„Wie willst du dich denn bei deinen Arbeitszeiten um einen Hund kümmern? Und dann auch noch um einen kranken Hund?“, fragte Flynn und sah sie an, während er einen Schluck Bier trank. Und dann fragte er ganz unvermittelt: „Geht es dir eigentlich gut in letzter Zeit?“

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