1 ...6 7 8 10 11 12 ...30 »Was ist denn los, Liebes?« Marc nahm Janette die Tochter ab und streichelte über deren Haar.
»Schlecht geträumt, Daddy.«
Erstaunt sah Marc seine Frau an. »Was ist passiert?«
»Nicht jetzt, Marc, komm bitte mit hoch. Bitte.«
Währenddessen fand sich der Rest der Gruppe ebenfalls ein. »Ist etwas?«, wollte Fredrik wissen.
»Lea hat schlecht geträumt.« Marc zuckte unwissend die Schultern, legte den Arm um Janette und spürte, wie sie zitterte.
Nachdem sie im Haus angekommen waren, nahm Rachel Lea bei der Hand. »Komm, wir zwei gehen in die Küche und sehen nach dem Kuchen. Da kannst du mir sicher helfen, oder?« Lea grinste und tapste Rachel hinterher. Der Rest ging ins Wohnzimmer.
»So, und nun erzähl«, begann Marc, während er fragend seine Frau ansah.
»Also, ich war gerade auf dem Weg nach oben, als ich Lea schreien hörte. Sie saß aufrecht in ihrem Bett und hat mir von ihrem Traum erzählt. Ein Mann sei da gewesen.« Janette blickte ängstlich zu Sandra.
»Ich glaube, wir können jetzt alle einen Scotch vertragen, was meint ihr?«, fragte Fredrik dazwischen.
»Warum warst du dann so aufgeregt, wenn es doch nur ein Traum war?« Marc grinste.
Janette blickte zu Boden. »Der Mann war schmutzig.«
»Sicher«, schmunzelte Marc, »und er hatte eine rote lange Nase im Gesicht.«
»Nein, Lea sagte, er war schmutzig!«
»Dann schmutzig, ohne Nase.«
»Marc, das ist nicht lustig! Als ich neben dem Bett stand, fand ich dort schlammige Abdrücke auf dem Teppich, wie von Stiefeln. Der Schlamm war noch feucht!«
»Abdrücke meinst du?« Marc wurde von einer Sekunde auf die andere ernst. »Du glaubst, es war jemand im Haus? Dad, komm mit, ihr anderen bleibt hier.«
Marc und Fredrik eilten die Stufen nach oben, hin zum Gästezimmer. Nachdem sie eingetreten waren, betrachteten sie den braunen Matsch, der eindeutig von Sohlen eines großen Schuhs stammte. Marc kniete nieder und befühlte die Erde. Sie war feucht und kalt.
»Es muss jemand hier gewesen sein. Dad, sieh nach den Fenstern.«
Fredrik prüfte jedes einzelne, doch sie waren allesamt verschlossen.
»Sieh in den übrigen Zimmern nach, ich gehe nach unten.« Marc rannte die Treppe hinab und vergewisserte sich, dass alle Fenster im Erdgeschoss verriegelt waren. In der Küche zwinkerte er Rachel und Lea zu, dann kontrollierte er die Hintertür, die in den Garten führte. Auch sie war abgesperrt, der Schlüssel steckte von innen.
»Dad, Kuchen«, gluckste Lea.
»Ja, Maus, toll.«
Rachel spürte, dass etwas nicht stimmte, fragte dennoch im Beisein der kleinen Lea nicht weiter nach.
Im Foyer traf Marc seinen Vater, der die Treppe herunterkam. »Alles in Ordnung. Es ist niemand da.«
Gespannte Blicke lasteten auf ihnen, als sie ins Wohnzimmer traten. »Habt ihr die Abdrücke gesehen?« Marc nickte.
Sandra wurde leichenblass. »Es war also jemand hier?«, flüsterte sie, blickte zu ihrer Tochter Meira, die auf der Babydecke krabbelte, und presste sich das Sofakissen an den Bauch.
»Das wissen wir nicht, aber die Abdrücke scheinen frisch.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Olivia.
»Ich rufe die Polizei.« Fredrik ging entschlossen zum Telefon und wählte die Nummer der USCP. »Hier Fredrik Haskins. Wir sind im Haus meiner Schwiegertochter. So wie es aussieht, wurde soeben eingebrochen. – Nein, es ist niemand mehr im Haus, also niemand Fremdes.« Fredrik diktierte die Adresse, dann legte er auf.
Fünfzehn Minuten später hielt ein Streifenwagen in der Auffahrt. Zwei Officer begrüßten freundlich die Anwesenden mit einem »Merry Christmas«, um sich anschließend in allen Einzelheiten die Geschichte von Janette schildern zu lassen. Wenig später führten Marc und Fredrik die Beamten ins obere Stockwerk.
»Seltsam.« Der Sheriff strich mit dem Finger über den Abdruck. »Ist klamm, Ed. Wie kommt jemand mit feuchten Schuhen bis hier nach oben? Heute hat es weder geregnet noch … Haben Sie im Garten oder vor dem Haus gegossen?«
»Nein, wir sind seit gestern hier. Es ist alles trocken«, gab Marc Auskunft.
»Und Sie sind sicher, dass sämtliche Fenster wie auch Türen verschlossen waren?«
»Wir haben alles geprüft, Officer«, erwiderte Fredrik.
»Der Schuhabdruck ist nur hier am Bett. Keine weiteren am Eingang oder an den Fenstern«, meinte Eds Partner. »Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir uns nochmals umsehen? Wird nicht lange dauern, Sir.«
»Ich bitte darum«, sagte Fredrik ernst und folgte den Polizisten nach draußen.
Die beiden Cops besahen Raum für Raum der Villa. Als einer der Beamten in der Küche anlangte, wimmelte Rachel ihn rasch an der Tür ab und versicherte, dass nichts, schon gar nichts in der Küche zu entdecken sei. Die resolute Dame machte dem Polizisten mit einem Kopfnicken ins Rauminnere klar, dass sie die kleine Lea nicht verängstigen wollte.
Nach zwanzig Minuten kamen die Beamten zu dem Ergebnis: »Alles okay im Haus. Wir konnten nichts feststellen. Weder Einbruchsspuren noch sonstige Hinweise. Könnte es sein, dass Ihre Tochter …«
»… Schuhgröße 48 hat? Sicher nicht«, unterbrach Janette schnippisch, der die Situation immer unheimlicher wurde.
»Gut, wir werden verstärkt Streife um Ihr Grundstück fahren, Ma’am. Bitte prüfen Sie, ob irgendetwas fehlt. Wenn etwas sein sollte, rufen Sie diese Nummer an.« Der Officer legte ein Kärtchen auf den Couchtisch. Danach verabschiedeten sich die Beamten und ließen ihren Wagen langsam die Zufahrt hinunterrollen.
Wenig später schien sich die Aufregung ein wenig gelegt zu haben und so trug Rachel, Lea an ihrer Seite, den Schokoladenkuchen ins Wohnzimmer. Doch außer Lea hatte niemand in der Familie rechten Appetit.
»Warum hast du das getan?« Chris sah Michail verständnislos an. Sie überquerten die Straße, die um diese Zeit ausgesprochen belebt war. Wie immer so kurz vor der Rushhour, versuchte ein jeder, noch vor dem allabendlichen Stau Washingtons rasch nach Hause zu kommen. Die fahrenden Autos kümmerten beide nicht. Ungeachtet derer liefen sie, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, zur anderen Straßenseite.
»Ich dachte, es wäre dir recht, Meister.«
»Wie kommst du darauf?«
Michail schwieg. Er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte.
»Also, wie kommst du darauf, Michail? Du musst dir dabei doch etwas gedacht haben?«
»Ich wollte der Erste sein, der die heilige Mutter zu Gesicht bekommt.«
»Reicht es dir nicht, wenn ich mich dir anvertraue?«
»Doch, Meister, es ist nur …«
»Und dann warst du noch nicht einmal bei Sandra. Nein, du musstest Lea einen Riesenschrecken einjagen.«
»Verzeih mir.«
»Da gibt es nichts zu verzeihen. Aber halte dich zurück, sonst wird es lange dauern.«
»Willst du damit sagen, ich muss noch warten?«
»Was bedeutet Zeit, Michail? Hier ist die Zeit von morgen die von jetzt. Und die Zeit von gestern ebenso. Immerzeit. Du weißt das.«
Michail nickte.
»Lea ist sehend, doch sie ahnt nichts davon. Daher auch dein Erscheinen als ihresgleichen. Deswegen fand Janette auch den Schmutz deiner Stiefel. Du hast die Grenze überschritten.«
»Wann wird meine Zeit sein, Meister?«
»Thron wird entscheiden, es liegt nicht bei mir. Ich werde dich brauchen, das weißt du. Drei Siegel sind gebrochen, seither stehst du nach Jahrtausenden deines Irrweges endlich an meiner Seite. Raphael dagegen nicht. Er und seine Schergen werden die Apokalypse vorantreiben, wenn wir sie nicht aufhalten.«
Neben einem Hotdog-Stand dache Michail, wie gerne er jetzt eines dieser weichen Brötchen mit Wurst, getrockneten Zwiebeln, Ketchup, Senf und extraviel Käsesoße essen würde. Doch der Hotdog-Verkäufer sah ihn nicht.
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