– das Kind will sich zeigen,
– das Kind sucht Selbsterhöhung,
– das Kind demonstriert ein Verlangen, sich selbst, die anderen und die Welt – im weitesten Sinne – zu beherrschen.
Ein Weg, Überlegenheit zu gewinnen, ist Perfektionismus
Gott hat den Menschen in die Welt gesetzt, sich die Erde untertan zu machen. Im Paradies hat ihm die Sünde allerdings einen bitteren Streich gespielt. Gute, positive und menschenfreundliche Strategien sind nun mit negativen und destruktiven Verhaltensmustern durchsetzt. Seit der Vertreibung aus dem Paradies hat der Mensch lebensfeindliche, selbstschädigende und krank machende Einstellungsmuster entwickelt, die bis heute dem Mitmenschen und dem Menschen selbst zu schaffen machen.
Dazu zählt auch der Perfektionismus .
Weil dem Leben ein immanentes Streben
– nach Sicherheit,
– nach Überlegenheit,
– nach Vollkommenheit,
– nach Fehlerlosigkeit und
– nach Gottähnlichkeit
innewohnt, entwickeln viele Menschen einen unbeschreiblichen Ehrgeiz, andere durch ein Vollkommenheitsstreben zu übertrumpfen.
Konkurrenzkampf und Perfektionismus
Der Konkurrenzkampf wird gefordert und gefördert, um die Fähigen zu einer größeren Arbeitsleistung anzustacheln. Eine gehobene Stellung wird ihnen versprochen. So wird der Beruf weniger als Beitragsleistung für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft, für den Leib Christi gewertet, sondern vielmehr als Belastung im Prestigekampf gesehen und empfunden.
Je höher die Stellung, desto höher das Ansehen, das Prestige. Und das Ergebnis?
Der Konkurrenzkampf, oft verbunden mit Ehrgeiz und Perfektionismus, treibt viele Menschen an, macht sie krank und unglücklich. Einer glaubt, den anderen überholen zu müssen.
Auf der Strecke bleiben das Gemeinschaftsgefühl und die Nächstenliebe.
– Die Angst zu versagen,
– die Angst, dem Stress nicht gewachsen zu sein,
– die Angst, das Erreichte nicht halten zu können,
– die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren,
treibt viele in den Zusammenbruch, in den Burn-out.
Der bedeutende Psychiater und Psychotherapeut Rudolf Dreikurs konnte schon Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts schreiben:
»Unsere Strafanstalten, unsere Nervenheilanstalten und Spitäler sind mit überehrgeizigen Menschen bevölkert, deren Versagen im Leben direkt auf ihren übermäßigen Ehrgeiz zurückgeführt werden kann.«
Wenn Ehrgeiz sich dann noch mit Perfektionismus verbindet, ist das Maß voll. Die offenen und versteckten Ziele dieses Überanspruchs treiben Menschen in psychosomatische Störungen und Krankheiten, weil das Ziel, einen sinnvollen Arbeitsbeitrag für die Gemeinschaft zu leisten, verfehlt wird.
Was ist der Sinn unseres Lebens?
Wenn wir Gott über alles lieben und unseren Nächsten wie uns selbst. In diesen beiden Bestrebungen kommt der Sinn unseres Lebens zum Ausdruck.
– Jede Übertreibung durch Ehrgeiz und Perfektionismus ist eine Zielverfehlung,
– jede Übertreibung ist Egoismus und Selbstsucht,
– jede Übertreibung untergräbt unsere Gesundheit,
– jede dieser Übertreibungen ist Sünde.
Viele Perfektionisten sind auf Fehlersuche programmiert.
Wie hängt das zusammen?
Wer von Ehrgeiz und Konkurrenzstreben beherrscht wird, hat immer wieder das Gefühl, zu versagen und überrundet zu werden.
Minderwertigkeitsgefühle und Selbstwertstörungen untergraben das Selbstvertrauen. Unzulänglichkeitsgefühle und Selbstanklagen reißen den Menschen in die Depression. Zufriedenheit und Gelassenheit haben diesen Menschen den Rücken gekehrt. Sie stehen ständig unter Dampf und reagieren hektisch.
Warum?
– Sie sehen den Mangel und nicht den Erfolg,
– sie sehen die Probleme und nicht ihre Lösung,
– sie sehen die Größe ihres Versagens und nicht die Größe Gottes.
Es leuchtet ein, dass man sich so krank machen kann. Der Mensch führt Krieg gegen sich. Er zerstört seine Gesundheit und ruiniert sein Leben. Der Sinn seines Lebens ist verfehlt.
Aber was gibt dem Dasein Sinn? Wovon lebt der Mensch?
In seinem Roman »Krebsstation« beschreibt Alexander Solschenizyn den Mann Jefrem, einen ungeschlachten Burschen, der durch den Krankensaal geht und alle Menschen fragt, wovon sie denn nun leben. Schwierige Frage! »Von der Luft«, meint einer.
»Vom Wasser und vom Essen«, ein anderer. »Vom Arbeitslohn oder von der Qualifikation«, meinen wieder andere. Jefrem gibt sich nicht zufrieden. »Von der Heimat«, meint einer, »daheim ist alles leichter.« Jefrem fragt nun den Funktionär, der gerade ein Hühnerbein abnagt. »Darüber kann doch kein Zweifel sein«, erwidert der ohne Zögern, »die Menschen leben von der Ideologie und den gesellschaftlichen Interessen.«
Reicht das aus? Was ist der Sinn des Lebens? Wofür leben wir?
Wenn Ehrgeiz und Perfektion das Leben motivieren
Auf der Krebsstation schauen viele dem Tod ins Auge. Und bei uns? Viele fragen nicht, sie schuften. Und wenn man schuftet, bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Der Ehrgeiz treibt einen vorwärts, wohin auch immer. Man will etwas erreichen, man will überlegen sein, man will Besitz schaffen. Man will dazugehören.
In der Beratung und Seelsorge sind mir immer wieder Menschen begegnet, die sich überarbeitet haben. Sie powern irrealen Zielen entgegen. Wenn dann der Organismus streikt, wenn seelische oder körperliche Krankheiten den so genannten »Fortschritt« stoppen, dann gibt es ein böses Erwachen.
Fragen tauchen auf:
– Was mache ich eigentlich?
– Was will ich zutiefst erreichen?
– Welche sinnvollen Ziele strebe ich an?
– Ist Arbeit der Sinn des Lebens?
Hitler ließ über dem Eingang zu einigen Konzentrationslagern in weithin sichtbaren Buchstaben den provozierenden Satz »Arbeit macht frei!« anbringen. Eine Unverschämtheit!
Wer arbeitet, ist beschäftigt und kommt nicht auf dumme Gedanken. Auch heute gilt:
– Wer schwer arbeitet, hat keine Zeit, über sein Leben nachzudenken.
– Wer schuftet, fragt nicht. Das Tier wird getrieben, der Mensch kann fragen.
– Wer wie ein Besessener arbeitet, verdrängt die existenziellen Fragen nach dem Leben, dem Sinn und dem Warum.
Auch da erscheint der Teufel als geschickter Durcheinanderbringer.
Skepsis und Skeptizismus haben sich als Prinzip weltweit breitgemacht. Skepsis bedeutet in Wirklichkeit: Sich der Wahrheit stellen. Skepsis ist kein Synonym für Unglauben. Der wahre Skeptiker stellt sich der Wahrheit. Und diese Wahrheit ist Christus und der christliche Glaube. Wer Christus vertraut, wird über Arbeit, über Ehrgeiz und Perfektionismus eine veränderte Sicht bekommen.
Darum sollen im nächsten Kapitel die vielen Gesichter des Perfektionismus, um nicht zu sagen die Fratzen des Vollkommenheitsstrebens, untersucht werden.
KAPITEL 2
Perfektionismus hat viele Gesichter
Den Perfektionismus gibt es nicht. Sein Erscheinungsbild ist vielschichtig, seine Ausdrucksformen zahlreich.
Jeder ist seines Stresses Schmied
Perfektionismus ist eine schlechte Angewohnheit. Er kann unser Denken und Handeln bestimmen.
Wie sagte schon der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel vor ein paar tausend Jahren: »Nicht die Tatsachen entscheiden über unser Leben, sondern wie wir sie deuten.«
▪ Unsere Gedanken machen eine Sache gut oder schlecht.
▪ Unsere Gedanken beflügeln oder lähmen uns.
▪ Unsere Gedanken machen uns gelassen oder produzieren einen inneren Aufruhr.
Eine nachdenkliche Geschichte kommentiert diese Aussage:
Es war einmal ein Mann. Man nannte ihn Adam. Er hatte viele Jahre mehr schlecht als recht gelebt. Viele Probleme trieben ihn um, über die er sich Gedanken machte und die ihn über die Maßen stressten. Alle Kleinigkeiten dramatisierte er. Das machte schließlich ein Nervenbündel aus ihm.
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