„Wegen einer Allergie ihres Frauerls hat die arme Judy einfach alles verloren – wie traurig und verzweifelt muss das kastrierte Pupperl nun sein!“ (Bild: schneeweißer Mischlingshund, halbhoch) / „Bitte schenken Sie Ihr Herz der armen, etwas älteren Cindy, die so furchtbar leidet!“ (Bild: graue, struppige Promenadenmischung, eher klein gewachsen) / „Ihre Welt ist zusammengebrochen, als man die arme Riesenschnauzerdame Anja mit sieben Jahren ins Tierheim gab, wo sie sich unendlich kränkt!“ (Bild: Portrait schwarzer Riesenschnauzer) / „11 Jahre lang war er Frauerls Liebling – dieses ist nun krank und kann ihren treuen Maxi nicht länger umsorgen.“ (Bild: kurzhaariger schwarz-weiß-gefleckter Mischling, sehr trauriger Blick) / „Nur mehr ein Augerl hat der verschmuste Kater Burli, um den sich plötzlich niemand mehr kümmern möchte.“ (Bild: rot-weiß-gescheckte, einäugige Katze) / „Herbert heißt dieses entzückende Meerschweinböckchen, das herzlose Menschen einfach im Wald ausgesetzt haben. Wer nimmt den herzigen Nager bei sich und einigen Artgenossen auf und schenkt ihm all die Liebe, nach der er sich so sehnt?“ (Bild: dreifarbiges Rosettenmeerschweinchen mit pfiffigem Blick in die Kamera)
Er hatte jeder einzelnen verlassenen, ausgestoßenen, verwahrlosten, ungewollten, lästig gewordenen Kreatur ein Paradies bereiten wollen. Wenn sich das für ihn selbst schon nicht mehr ausging, oder für eine Handvoll anderer Menschen, dann eben für diese Tiere. Er wusste, er konnte nicht alle retten, nicht allen helfen, aber doch einigen. Wie es sein Verdienst eben zuließ. Der sich mit ein paar Überstunden noch ab und an ein wenig vermehrte. Aber zu viele Überstunden durften es dann auch wieder nicht sein, sonst blieb für zuhause gar keine Zeit mehr. Und Tiere brauchten doch auch Zeit. Es genügte nicht, sie zu füttern und ihnen ausreichend Spiel- und Schlafplätze zur Verfügung zu stellen. Man musste sich doch auch um sie persönlich kümmern. Um jedes einzelne Tier. Persönlich. Mit den Hunden spazieren gehen. Die Katzen streicheln und auf den Schoß nehmen. Die Nager gewissenhaft beobachten. Ob der Kot in Ordnung war, die Zähne nicht zu lang oder schief vor sich hinwuchsen, die gesamte Nagerperson einen munteren und gesunden Eindruck machte. Die Hasenohren nach etwaigem Milbenbefall absuchen. Auch die Käfige mussten gereinigt werden. Gerade im Sommer drohte allerorten, in der Tonne mit den leeren Futterdosen, im Restmüll beim entsorgten Katzenkot, in den Meerschweinchen- und Kaninchengehegen, besonders in den urindurchtränkten hinteren Winkeln der Schlafhäuschen, Madenbefall. Andererseits. Hatte nicht auch eine Made nie eine Wahl gehabt? Was konnte die Fliege eigentlich dafür, dass sie in ihrem ohnedies so unverschämt kurzen Leben nicht wenigstens noch Nachwuchs in die Welt setzen wollte? Wer weiß, vielleicht wollte auch die weibliche Fliege gern einmal im Leben Mutti sein? Und der viele Unrat, dem regelmäßig und rechtzeitig Herr zu werden ihm ja doch nie gelingen wollte, war letztlich für die Maden auch nichts anderes als – ein Paradies.
„Warum ist die Behörde da nicht schon viel früher eingeschritten?“, fragte der zuständige Sachbearbeiter. „Das muss man doch in der ganzen Gegend gerochen haben! Was ist das denn für ein unsagbar kranker Wahnsinn?“ – „Animal Hoarding lautet der Fachbegriff dafür“, erläuterte die Psychologin in bewusst sachlich gehaltenem Tonfall. „Sei können das durchaus auch so in der Zeitung schreiben“, sagte sie in Richtung des sich soeben einfindenden Reporters einer Lokalgazette. Er schaute sie fragend an. Sie holte tief Atem, während sie das Gesicht zu einer säuerlich-angeekelten Grimasse verzog. „Ja, schreiben Sie das ruhig genau so hinein! Schreiben Sie: ‚Verwahrloste Tiere aus Messi-Haushalt befreit. Elf Hunde, einunddreißig Katzen, zweiundzwanzig Meerschweinchen und siebzehn Hasen konnten gerettet und in die Obhut des örtlichen Tierschutzhauses verbracht werden. Es besteht dringender Seuchenalarm und höchste Verschmutzung! Der verantwortungslose Tierhalter muss aufgrund der katastrophalen Hygienebedingungen zwangsdelogiert werden. Der Mann, der einen geistig verwirrten Eindruck macht, hat lebenslanges Tierhalteverbot und wird vorerst in einer seinem Zustand adäquaten Einrichtung untergebracht. Für die vielen herrenlosen Tiere wird nun ein neues Zuhause gesucht, wo sie endlich artgerecht leben dürfen nach dieser zum Teil jahrelangen Hölle.“
Der Reporter hatte alles, soweit es ihm möglich war, mitgeschrieben. „So, Hölle. – Ich hab’s. Dann drucken wir das.“ „Tun Sie das!“, entgegnete ihm die Psychologin mit einem zufriedenen Kopfnicken, während sie ein zu ihren Füßen sitzendes Kaninchen mit ihren Fingerspitzen berührte, als handle es sich dabei um eine sehr seltene Krankheit, eine ganz und gar fremde Welt. Der Hase machte einen erschrockenen Satz und hoppelte zwischen den Beinen des Reporters hindurch ins Freie.
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