➤ Neue Arbeit ist
• eine Utopie, wie durch ein neues Verhältnis zur Arbeit einige die Menschheit existentiell bedrohende Probleme
• des 21. Jahrhunderts gelöst werden könnten;
• die Utopie von einer Gesellschaft, in der Arbeit den Menschen nicht mehr belastet, sondern ihm Freude und Bedürfnis ist;
• eine Art, zu arbeiten, die Kreativität und Produktivität wieder freisetzt, die Utopie einer Gesellschaft, in der es wieder Freude und Fröhlichkeit gibt;
• eine Art, die Gesellschaft zu organisieren, in der es keine „überflüssigen“ arbeitslosen Menschen mehr gibt;
• eine Art, zu produzieren, die Schluss macht mit der sinn- und ziellosen Warenproduktion, die Ressourcen verschleißt und unser Leben überflutet;
• eine Art, zu leben und zu arbeiten, die Schluss macht mit der Fremdbestimmung durch eine profitorientierte Wirtschaft und einer ihr hörigen Politik;
• ein Konzept, das zum Ausgleich zwischen Erster und Dritter Welt beitragen könnte;
• ein offenes Konzept, das es jedem ermöglicht, Teile davon zu erproben, neu zu kombinieren, zu ergänzen und zu modifizieren.
Beim Schreiben des Buches hat Frithjof Bergmann doch gelegentlich seine Verweigerungshaltung gegenüber Definitionen aufgegeben und einige Sätze geschrieben, die man durchaus als Definition lesen kann:
„Das Ziel der Neuen Arbeit besteht nicht darin, die Menschen von der Arbeit zu befreien, sondern die Arbeit so zu transformieren, damit sie freie, selbstbestimmte, menschliche Wesen hervorbringt. Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit, die wir leisten, sollte nicht all unsere Kräfte aufzehren und uns erschöpfen. Sie sollte uns stattdessen mehr Kraft und Energie verleihen, sie sollte uns bei unserer Entwicklung unterstützen, lebendigere, vollständigere, stärkere Menschen zu werden.“
Frithjof Bergman hat in den vergangenen 20 Jahren das Konzept der Neuen Arbeit immer wieder weiterentwickelt. Das Konzept, so wie es jetzt vorliegt, ist aus einem langen Prozess heraus entstanden, aus einem Wechselspiel von Projekten, den dabei gewonnenen Erfahrungen, erneutem Nachdenken und Modifizierungen des Konzepts. Wenn man so will, ein Wechselspiel von Theorie und Praxis.
Das Ziel der Neuen Arbeit sind jedoch nicht nur die Projekte, wie sie Frithjof Bergmann in den letzten Jahren weltweit mit vorangetrieben hat. Es geht in jeder Hinsicht um eine neue Gesellschaft.
In dieser Gesellschaft, in der Menschen sich mehr daran orientieren, das zu tun, was sie wirklich tun möchten, gäbe es mehr Freude und Fröhlichkeit, mehr Kreativität und Erfindungsreichtum. Eine Gesellschaft, in der ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung einer „sinnvollen Beschäftigung“ nachgeht, hätte erheblich mehr Energieressourcen zur Verfügung als in der heutigen Zeit, wo in den Köpfen vieler Menschen Hoffnungslosigkeit und Resignation herrschen.
Wie fangen wir damit an?
Von unten.
Als Graswurzelbewegung.
Im Kopf.
Weiterdenken.
Weitersagen.
Der Feminismus hat dazu geführt, das Verhältnis der Geschlechter zueinander zu überdenken. Die ökologische Bewegung hat dazu geführt, dass wir über unser Verhältnis zur Natur gründlich nachgedacht haben. Die Neue Arbeit will der Arbeit einen neuen Stellenwert im menschlichen Leben geben.
Frithjof Bergmann und seine Mitstreiter und Sympathisanten sind seit Jahren damit beschäftigt, immer neue Beispiele dafür zu finden, wie Selbstversorgung möglich ist, ohne Verzicht üben zu müssen. Anders gesagt, sie sind auf der Suche nach Möglichkeiten, wie man dem Teufelskreis namens Arbeiten-müssen-um–Geld-zu-verdienen entkommen könnte.
Dabei ist er einer Tendenz auf die Spur gekommen, die bei der Etablierung der Neuen Arbeit sehr hilfreich sein könnte. Der Trend geht dank Mikroelektronik und Informationstechnologien dahin, immer mehr Dinge selber zu machen. Die Konsumenten werden selbst zu Produzenten. Zum Beispiel bei der Erzeugung von Solarenergie oder dem Ausdrucken digitaler Bilder. Oder der Mitarbeit an einer Open-Source-Software. Oder dem Mitschreiben an einer digitalen Enzyklopädie. Oder, perspektivisch, bei der Nutzung des Personal Fabricators.
Im Sinne der Wiederaneignung der Produktionsmittel bekommt eine sehr alte Utopie noch einmal eine Chance. Dem Sozialismus lag das Marx’sche Konzept der angeeigneten Produktionsmittel zugrunde. Es hat nicht funktioniert. Nicht als Revolution, nicht als Diktatur des Proletariats, nicht durch die Enteignung der Besitzenden. Vielleicht funktioniert es ohne das große ideologische Getöse und ohne Gewalt. Einfach weil es die bessere Idee ist, für die man keine revolutionäre Klasse braucht, sondern nur den Mut, sein Leben zu ändern, und ein paar Gleichgesinnte. Weil die „wieder angeeigneten Produktionsmittel“ ein autonomes, von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zwängen befreites Leben möglich machen. Weil sie die Globalisierung und die Macht der weltbeherrschenden großen Konzerne unterlaufen können.
Die Neue Arbeit ist eine Idee, die Menschen verbinden kann. Jeder hat die Möglichkeit, mit der Neuen Arbeit zu beginnen, besser geht es in Gemeinschaften. Wenn Menschen sich bei der Selbstversorgung vernetzen, zum Zwecke der Teilung von Erwerbsarbeit oder bei dem Erkenntnisprozess des wirklich, wirklich Wollens.
Ja, aber …
Genau. Es gibt Arbeit, die keinem menschlichen Bedürfnis entspricht. Wird es jemanden geben, der wirklich, wirklich Müll sortieren will? Die Kanalisation reinigen? Wer zahlt dann noch Steuern? Was wird aus dem Staat? Wie bekommt man Rente? Wie kann man sich krankenversichern?
Darauf antwortet der Philosoph, wie es ihm seine Profession gebietet: „Für mich geht es darum, eine Utopie in die Welt zu setzen. Ich habe nicht die Vorstellung, dass sich das genau so umsetzen lässt wie in meiner Theorie. Meine Absicht ist also die Verbreitung einer Idee. Ich will nur den Samen streuen, und an vielen verschiedenen Plätzen soll der Samen aufgehen. Das Bisherige ist nur der Auftakt zu einem Vorspiel für eine Ouvertüre, begleitet von der Hoffnung, dass viele unterschiedliche Menschen in vielen Ländern diesen Anfang weiterentwickeln.“
Dieses Buch gibt einen Überblick über das Konzept, wie es von Frithjof Bergmann auf 420 Seiten Neue Arbeit – Neue Kultur entworfen wurde. Im Interviewteil stellen wir die Erfahrungen derjenigen vor, die sich für Neue Arbeit interessieren, über Neue Arbeit nachdenken oder Projekte organisieren.
Also dann:
Weiterdenken.
Keime pflegen.
Die Welt im 21. Jahrhundert
Wohin geht die Fahrt?
Hatten Sie auch schon einmal das Gefühl, dass etwas nicht stimmt damit, wie der Mensch auf der Erde lebt? Dass es nicht mehr lange gut gehen kann? Das es zur Katastrophe kommen wird, wenn sich nichts ändert?
Dass es Möglichkeiten geben sollte, glücklicher zu leben?
Frithjof Bergmann vergleicht dieses Gefühl mit dem der Insassen eines führerlosen Zuges, der seine Fahrt höchstwahrscheinlich anders beenden wird, als es Züge normalerweise tun.
Die Passagiere haben das Gefühl, dass der Zug nicht bremsen und im Zielbahnhof anhalten, sondern diesen deutlich verfehlen wird.
„Wir fühlen uns ohnmächtig, im Lauf der Dinge gefangen als Fahrgäste im Zug unseres Erdendaseins. Wir sehen eine Geschichte sich entfalten, der wir nicht entrinnen können. Die Situation ist unheilschwanger und wird immer erschreckender. Und was alles noch furchtbarer macht: Wir haben nicht die allerleiseste Ahnung, wie diese Fahrt anzuhalten oder umzukehren wäre. Natürlich laufen Leute gestikulierend und laut rufend durch die Waggons, aber jeder weiß mit schreckensstarrer Überzeugung, dass das nur ein Ablenkungsmanöver ist. Was früher oder später unausweichlich geschehen wird, geschehen muss, ist inzwischen allen klar geworden: Der Zug wird entgleisen, gegen eine Felswand prallen oder auf eine Brücke kippen und in die Tiefe stürzen.“
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