Das Selbst gehört von Natur aus auf den »Sitz des Bewusstseins« (vergleiche Kapitel 3). Wenn Sie mit einem Teil verschmolzen sind, hält dieser statt dem Selbst den Sitz besetzt (Abb. nächste Seite links). Um einen produktiven Kontakt mit dem Teil herzustellen, muss das Selbst sich auf dem Sitz befinden und seine Aufmerksamkeit auf den Teil richten (Abb. nächste Seite rechts).
Wie erwähnt, nennt man den Teil, mit dem man sich momentan beschäftigt, den Ziel-Teil.
ÜBUNG Verschmolzensein
Wählen Sie einen Teil, mit dem Sie momentan verschmolzen sind. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, mit geschlossenen Augen festzustellen, was gerade passiert. Fragen Sie sich: »Was nehme ich jetzt wahr, was denke und fühle ich?« Wie stark empfinden Sie gerade die Gefühle des betreffenden Teils?
Wahrscheinlich handelt es sich um einen Teil, mit dem Sie sich als Aspekt Ihrer Persönlichkeit identifizieren. Das kann ein Teil sein, der Sie dazu motiviert, im Alltag aktiv zu sein, ein Teil, der Sie kritisiert oder andere beurteilt, oder einer, der ärgerlich wird oder eine andere emotionale Reaktion zeigt, wenn bestimmte Dinge passieren, zum Beispiel wenn Sie Kaffee verschütten oder Ihren Schlüsselbund verlegen. Es kann ein Teil sein, der Sie organisiert, der Ihnen Sorgen macht, der etwas von jemand anderem braucht oder irgendein anderer Teil, der sich regelmäßig in Ihrem Leben bemerkbar macht.
Wie fühlt es sich in Ihrem Körper an, wenn dieser Teil präsent ist?
Welche Körperteile sind angespannt? ___________________________
Welche sind entspannt? ______________________________________
Welche Gefühle nehmen Sie wahr? _____________________________
Ist Ihr Blick offen oder verschlossen? ___________________________
Welche Körperteile nehmen Sie nicht wahr? Sind Sie zum Beispiel nur in Ihrem Kopf? Oder spüren Sie nur Ihren Bauch? ____________________
Wie ist Ihr Atem? _____________________________________________
Welche Emotionen sind vorhanden (zum Beispiel Ärger, Frustration, Ungeduld, Liebe, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Dringlichkeit)? ___________
Welche Gedanken haben Sie? ____________________________________
Was sagen Sie zu sich? __________________________________________
Was ist aus der Perspektive dieses Teils zutreffend (zum Beispiel: »Ich habe viele Verpflichtungen und muss mich anstrengen, sie zu erfüllen«; »Ich bekomme von der Person da nie, was ich brauche«; »Es ist nie genug Zeit«)?
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BEISPIEL Verschmolzensein
Welche Körperteile sind angespannt? Kiefer, oberer Brustkorb.
Welche sind entspannt? Beine.
Welche Gefühle nehmen Sie wahr? Kurzatmig, Schultern hochgezogen.
Ist Ihr Blick offen oder verschlossen? Verengt, angestrengt.
Welche Körperteile nehmen Sie nicht wahr? Mittlerer Rücken, Genitalien.
Wie ist Ihr Atem? Eingeschränkt.
Welche Emotionen sind vorhanden? Ärger, Frustration.
Welche Gedanken haben Sie? Bin aufgebracht und wie besessen davon, dass man mir so wehgetan hat.
Was sagen Sie zu sich? So etwas verdiene ich einfach nicht. Wofür halten die sich eigentlich?
Was ist aus der Perspektive dieses Teils zutreffend? Man hat mir Unrecht getan!
Sich lösen
Sie lösen sich von einem Teil, indem Sie Raum zwischen ihm und sich schaffen. Dabei bitten Sie den Ziel-Teil, kooperativ zu sein und gemeinsam mit Ihnen einen emotionalen Abstand zu schaffen, damit Sie den Teil besser wahrnehmen können. Der Teil soll begreifen, dass Sie Interesse haben, ihn kennenzulernen, und dass das am besten möglich ist, wenn Sie ein bisschen Abstand von ihm haben.
Sich von einem Teil lösen, kann sinnvoll sein, wenn Sie merken, dass dieser Teil statt dem Selbst den »Sitz des Bewusstseins« besetzt hat. Dann können Sie versuchen, das Selbst auf diesen Sitz zu bringen, damit es den Ziel-Teil ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit rücken kann (siehe rechte Abbildung auf S. 44).
ÜBUNG Sich von einem Ziel-Teil lösen
Sie können den Teil nehmen, den Sie in der vorhergehenden Übung »Verschmolzensein« erforscht haben; vielleicht wollen Sie aber auch einen anderen Teil kennenlernen. Wenn Letzteres der Fall ist, gehen Sie die angegebenen Schritte durch, bis der betreffende Teil präsent ist. Lassen Sie ihn auf irgendeine Weise wissen, dass Sie Interesse haben, ihn kennenzulernen.
Name oder Rolle des Teils: _____________________________________
Wie Sie wissen, dass Sie mit ihm verschmolzen sind: ________________
Die folgenden Methoden können den Prozess des Lösens unterstützen.
• Bitten Sie den Teil, sich von Ihnen zu lösen, damit Sie ihn kennenlernen können.
• Bitten Sie den Teil, sich aus Ihrem Körper zu entfernen.
• Bitten Sie den Teil, seine Gefühle zu zügeln und Sie nicht damit zu überfluten, während Sie sich auf ihn konzentrieren.
• Treten Sie ein Stück zurück, um sich von dem Teil zu trennen.
• Nehmen Sie wahr, welche Gefühle Sie dem Teil entgegenbringen.
• Rufen Sie ein Bild des Teils auf, wie dieser ein Stück weit von Ihnen entfernt ist.
• Zentrieren/erden Sie sich mit einer kurzen Meditation, um Ihre Trennung von dem Teil zu unterstützen.
Wie Sie den Ziel-Teil gebeten haben, sich von Ihnen zu trennen: _________
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Wenn ein Teil sich trennt, werden Sie das spüren. Infrage kommt eine ganze Reihe feiner Veränderungen, wie Sie den Teil wahrnehmen.
• Sie spüren, wie sich in Ihrem Körper etwas öffnet, wodurch ein Gefühl von Raum und Offenheit entsteht.
• Sie sehen, wie der Teil sich bewegt. Zum Beispiel kann das Bild des Teils ein Stück von Ihnen wegrücken.
• Sie hören, wie der Teil Ihrer Bitte zustimmt.
• Sie fühlen sich emotional leichter oder freier.
Was Sie bemerkt haben, als Sie den Ziel-Teil baten, Ihnen ein bisschen Raum zu lassen: ________________________________________________________
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Was Sie bemerkt haben, wenn der Teil bereit war, sich zu lösen:
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Was der Teil gesagt hat: ___________________________________________
Veränderungen im Körper: _________________________________________
Veränderung dessen, was Sie gesehen haben: __________________________
Emotionale Veränderungen: _________________________________________
Weiteres: ________________________________________________________
BEISPIEL Sich von einem Ziel-Teil lösen
Name oder Rolle des Teils: Aufschieber.
Wie Sie wissen, dass Sie mit ihm verschmolzen sind: Ich bin kribbelig und zerstreut, vermeide Arbeit, die erledigt werden muss, indem ich die Küche putze oder im Internet surfe.
Wie Sie den Ziel-Teil gebeten haben, sich von Ihnen zu trennen: Hab ihm gesagt, mir ist klar, dass er da ist, um mich von meiner Arbeit abzubringen. Hab ihn gefragt, ob er mit mir zusammenarbeiten mag, damit ich was erledigt kriege, bevor wir gemeinsam etwas anderes machen.
Was Sie bemerkt haben, als Sie den Ziel-Teil baten, Ihnen ein bisschen Raum zu lassen: Zuerst war er widerspenstig und hat getan, als würde er gar nicht existieren, so nach dem Motto »Was – wer, ich?« Dann hat er Interesse für mein Versprechen gezeigt, später was mit ihm gemeinsam zu machen.
Was Sie bemerkt haben, wenn der Teil bereit war, sich zu lösen:
Was der Teil gesagt hat: »Vergiss bloß nicht, dass du mir versprochen hast, später was zusammen mit mir zu machen!«
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