Gibt es Fallen in der Kommunikation?
„Die Sprache der Wahrheit ist einfach.“
Euripides
Jede Menge! Wir haben ja gesehen, dass Kommunikation – mit ihren drei Ebenen – immer auch Interpretation der Botschaften ist; der Empfänger kann mit seiner Deutung auch völlig falsch liegen. Harmlose Sätze führen im Falle solcher Missverständnisse dazu, dass das Gegenüber sich kränkt, obwohl der Partner das keinesfalls beabsichtigt hat. Steht der eine z. B. unter Zeitdruck und der andere bittet ihn just in diesem Moment um einen Gefallen, bekommt er unter Umständen eine Aussage wie „Muss das denn ausgerechnet jetzt sein?“ zu hören, in der alle Nuancen von genervt bis wütend mitklingen. Der Fragende wird das mit großer Wahrscheinlichkeit zutiefst unfair finden, ist er doch selbst jederzeit bereit, seine Aktivitäten zu unterbrechen, wenn die Umstände es erfordern. Nun wird ihm aber offensichtlich zum Vorwurf gemacht, dass er seinen Partner belastet, statt Rücksicht zu nehmen. Dabei hat der unter Zeitdruck Stehende nichts davon gemeint, sondern bloß seine Resignation oder sein Selbstmitleid zum Ausdruck bringen wollen. Wieso sein Gegenüber sich wegen dieses Satzes angegriffen fühlt und den ganzen Tag beleidigt ist, kann er nicht nachvollziehen. Solche Situationen hält der Alltag immer wieder für uns bereit – unter Stress entwickeln wir ein besonderes Talent, die anderen vor den Kopf zu stoßen.
Mit einer positiven Grundeinstellung der Beziehung und dem Partner gegenüber können solche kommunikativen Fallen jedoch umgangen werden. Statt zu schmollen, sollte man gleich nachfragen, wie der kränkende Satz gemeint war. Stellt sich heraus, dass die Beleidigung tatsächlich beabsichtigt war – wenn auch vielleicht nicht in dem Ausmaß, wie es beim Empfänger angekommen ist –, gehört sofort kundgetan, was die Aussage bewirkt hat: nämlich eine Kränkung, eine ungerechtfertigte Schuldzuweisung oder eine unangebrachte Bestrafung. Zweitens ist es dienlich, den Partner oder die Partnerin aufzufordern, sich in Zukunft um freundlichere Formulierungen zu bemühen. Auf diese Weise bekommen die jeweiligen Partner nämlich die Möglichkeit, sich besser auf ihr Gegenüber einzustellen. Denn was für den einen ganz normal klingt und nicht als Beleidigung gemeint ist (Sender sagt: „Ich glaub’s nicht – jetzt hast du schon wieder vergessen, die Post mitzunehmen!“), kann für den anderen kränkend sein (Empfänger versteht: „Du bist einfach unfähig, auch nur das Einfachste hinzukriegen!“). Daher ist es wichtig, dem Partner mitzuteilen, was seine Worte bewirken. Wird er oder sie trotzdem „rückfällig“, sollten Grenzen gesetzt werden, z. B. mit dem kategorischen Satz: „Das kränkt mich jetzt aber sehr!“ Damit beugt man weiteren Missverständnissen vor und lässt Erklärung sowie Kommunikation zu.
Gefährlich sind auch all die kleinen Notlügen und Schwindeleien, deren man sich manchmal ohne jede schlechte Absicht bedient – weil man sich z. B. eine Diskussion ersparen will. Sie sind aber bedenklich, denn meistens fliegen sie auf und sorgen für ganz viel Zores. Sitzt man etwa mit seinen Freunden beim Heurigen und hat sich gerade einen letzten G’spritzten bestellt, obwohl es schon spät geworden ist, sollte man der oder dem Daheimgebliebenen am Telefon nicht weismachen, „dass man eh schon am Heimweg ist“. Der zu Hause Wartende wird sich nämlich erst wundern, wieso der Nachhauseweg so viel Zeit in Anspruch nimmt, dann misstrauisch werden und schließlich ein Wechselbad aus Sorge um den Partner und Wut erleben. Klingelt es dann endlich an der Tür, legt sich zwar die Angst, dass etwas passiert sein könnte, nicht aber die Wut. Auch eifersüchtige Gedanken machen sich dann breit: „Wieso hat er/sie mich angelogen? Da muss doch was dahinterstecken!“ Dass der Haussegen dann eine Weile schief hängen wird, ist nachvollziehbar. Ähnlich irreführend ist bei notorischen Vor-dem-Bildschirm-Sitzenbleibern die Aussage: „Ich mach nur noch das Level fertig und komm dann ins Bett“, denn das heißt, dass man in höchstens zehn Minuten beim Partner ist und nicht erst nach zwei Stunden. Deshalb ist es wesentlich, lieber einen kleinen Konflikt in Kauf zu nehmen („Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert …“) und die Wahrheit zu sagen, als eine gröbere Beziehungskrise auszulösen. Wie heißt es so schön? „Ehrlich währt am längsten.“ Auf der sicheren Seite ist man, wenn man seine Aussagen wortwörtlich meint und sich auch daran hält.
Ist Schweigen dann nicht die bessere Alternative?
Wer glaubt, dem Risiko, den Partner zu kränken, durch Schweigen aus dem Weg zu gehen, irrt gewaltig. Genauso wie jener, der glaubt, Schweigen und Dulden würden eine Beziehung retten. Partnerschaft kann ohne Kommunikation nicht funktionieren. Stirbt die Kommunikation, stirbt langsam auch die Liebe.
Ohne Kommunikation würde eine Partnerschaft gar nicht erst entstehen: Nach dem ersten Blickkontakt, der Hoffnungen aufkeimen lässt, aber noch unverbindlich ist, müssen die künftigen Partner ihrem Interesse aneinander auch verbalen Ausdruck verleihen, um zu wissen, woran sie sind. So intensiv Blicke auch sein können – ohne ein Aussprechen der dahinterstehenden Bindungsabsichten kann sich keine Beziehung entwickeln. Und auch nach der ersten Annäherung braucht man Sprache: Es ist ganz wichtig, dass die Vision eines gemeinsamen Lebens irgendwann im Laufe der ersten gemeinsam verbrachten Zeit angesprochen wird. Genauso können die konkreten Rahmenbedingungen einer Beziehung ohne Kommunikation nicht ausgehandelt werden – diese Rahmenbedingungen bilden aber die Basis einer soliden Partnerschaft.
Wir verändern uns ständig, unser ganzes Leben lang. Wir bleiben in unserer Entwicklung nicht stehen, nur weil wir in einer festen Beziehung sind. Gerade eine Partnerschaft fordert zu tiefgreifenden Änderungen heraus – wir müssen ja das Kunststück vollbringen, uns über längere Zeit an diesen einen, ganz speziellen Menschen anzupassen, ohne uns dabei selbst zu verlieren. Wenn wir über unsere inneren Veränderungen nicht sprechen, werden wir dem Partner fremd – und umgekehrt. Er versteht uns und unsere Bedürfnisse nicht mehr, denn er glaubt ja, unser altes Ich vor sich zu haben. In welchem Bereich wir inzwischen gereift sind, welche unserer Ansichten nicht mehr aktuell ist, inwieweit wir unser Gegenüber auf unserem Weg „mitnehmen“ wollen – all das können wir nur im Gespräch deutlich machen.
Kommunikation bedeutet vor allem, Klarheit zu schaffen. Wenn nicht schon von Anfang an darüber gesprochen wird, welcher Art die Beziehung sein soll (monogam, polygam, mit oder ohne Kinder), wie die verschiedenen Lebensbereiche „gemanaged“ werden sollen (gemeinsames Budget oder getrennte Konten, Aufgabenverteilung im Alltag) und wie die „Lebensskripte“ der Partner aussehen („Ich möchte im Alter unbedingt aufs Land ziehen!“), werden genau diese ungeklärten Punkte immer wieder zu Beziehungskonflikten führen. Auch wenn die romantische Verliebtheit es fast ausschließt, dass man prosaische Alltagsthemen bespricht, sollte man sich trotzdem dazu zwingen. Es ist naiv, zu erwarten, dass sich alles von selbst regelt.
Miteinander reden ist auch das A und O von Nähe und Intimität. Nichts gegen liebevolle Blicke oder zärtliche Berührungen – auch sie können den „Stand der Partnerschaft“ (stabil/instabil, befriedigend/unbefriedigend etc.) anzeigen; aber die momentane Stimmungslage, ob gut oder schlecht, erhellt sich dem Partner nicht immer von alleine – außer vielleicht in Ausnahmefällen: wenn man sich schon ein ganzes Leben lang kennt und z. B. an der Stimme oder am Stirnrunzeln des anderen erkennt, wie es ihm geht. Da eine solche ausgeprägte Feinfühligkeit nicht oft vorkommt und Mimik und Gesten auch missinterpretiert werden können, sollte man seinem Partner einfach mitteilen, dass man sich beispielsweise gerade niedergeschlagen fühlt, am besten mitsamt einem nachvollziehbaren Grund („Ich glaube, ich werd krank, mir geht’s überhaupt nicht gut!“) – so vermeidet man, dass der andere sich selbst als Grund für die schlechte Stimmung seines Partners sieht.
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