1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Apropos Verzinsung: Wussten Sie, dass manche Religionen Zins und Zinseszins für Teufelszeug halten? Aber damit nicht genug – auch etliche Branchen stehen bei so manchen Anlegern, die nach religiös-ethischen Prinzipien veranlagen, auf der schwarzen Liste. Aber was bedeutet Ethik in Zusammenhang mit Investments? Ist der Wunsch, »ethisch anzulegen« gleichbedeutend mit der Idee, »nachhaltig« zu investieren? Reicht es aus, bestimmte Verbote zu befolgen und Themen zu meiden, oder bedeutet Nachhaltigkeit bei Finanzthemen noch mehr, nämlich aktives Engagement? Und – die vielleicht allerwichtigste Frage: Welchen Prinzipien, wollen Sie eigentlich folgen, wenn Sie nachhaltig investieren?
Kapitel 2
Religion und Geldanlage: an Werte glauben
IN DIESEM KAPITEL
Im Namen des Herren – was die katholische Kirche empfiehlt
Protestanten ticken anders – die evangelische Kirche
Inschallah – Was sagt der Islam?
… und noch ein Wort zum Judentum
Wer das Testament und andere religiöse Schriften und deren Prinzipien wörtlich nimmt, könnte zum Schluss kommen, dass man als Gläubiger jedweder Religion von Geldanlagen besser die Finger lässt. Geld, Zins, Zinseszins und Reichtum sind in allen Weltreligionen seit vielen Jahrhunderten ein Zankapfel. Mittlerweile hat sich allerdings in allen Konfessionen die Einsicht, dass es ganz ohne Geld einfach nicht geht, durchgesetzt. Bei den meisten Konfessionen ist auch die Vermehrung von Geld religionskonform, solange Geiz und Gier keine Rolle spielen.
»Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt« ist zwar ein Gleichnis, das Jesus zugesprochen wird, aber inhaltlich sind sich alle Weltreligionen einig: »Geld muss dienen und nicht regieren!«, wie es Papst Franziskus in einem Bulletin 2018 bekräftigte. In diesem Schreiben fordert der Vatikan nichts anderes, als ein vollkommen neues Wirtschaftssystem und liegt damit – Stichwort Nachhaltigkeit – absolut im Trend der Zeit.
Auch die anderen Weltreligionen haben ihre Prinzipien, wenn es ums Investieren geht. Wie diese aussehen und was das genau für konkrete Anlagethemen für Privatinvestoren bedeutet, lesen Sie in diesem Kapitel.
Im Namen des Herrn: was die katholische Kirche empfiehlt
Im Schreiben »Oeconomicae et pecuniariae quaestiones – Erwägungen zu einer ethischen Unterscheidung bezüglich einiger Aspekte des gegenwärtigen Finanzwirtschaftssystems« fordert Papst Franziskus die Ökonomie und das Bankwesen auf, sich auf eine neue Grundlage zu stellen. Nicht mehr »das Recht des Stärkeren« soll Basis wirtschaftlicher Beziehungen sein, sondern die Würde des Menschen. Das hat konkrete und unmittelbare Auswirkungen auf Anlagefragen – sowohl für die katholische Kirche selbst als auch für Sie als Anleger, wenn Sie Katholik sind. Insbesondere kritisiert der Papst Leerverkäufe , bei denen mitunter nicht nur gegen Unternehmen oder Rohstoff- und Lebensmittelpreise spekuliert, sondern sogar gegen ganze Staaten gewettet wird.
Bei Leerverkäufen werden Wertpapiere, die man gar nicht besitzt, zu einem Zeitpunkt in der Zukunft verkauft. Dabei wird auf fallende Kurse spekuliert: Der Investor hofft, dass der Kurs zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Wertpapier verkaufen muss, niedriger ist als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts. Die Differenz zwischen tatsächlichem Einkaufspreis und dem im Voraus ausgemachten Verkaufspreis kann dann als Gewinn verbucht werden. Manchmal werden die Wertpapiere gegen eine kleine Leihgebühr geliehen, in der Hoffnung, dass der Kursverfall des Papiers stark genug ist, um auch die Leihgebühr abzudecken. Echte Leerverkäufer halten das Papier aber gar nicht, sondern verkaufen, was sie gar nicht besitzen. Fazit: Leerverkäufer spekulieren – oder wetten – auf fallende Kurse und erzielen Gewinne in Folge des Verlusts anderer.
Leerverkäufe sind ein mächtiges Instrument und haben nicht nur einmal ganze Wirtschaftssysteme durcheinandergerüttelt. Breite Aufmerksamkeit erlangten sie erstmals rund um die Einführung des Euro.
Der berühmteste Leerverkauf – der Kampf um das britische Pfund
In den frühen Neunzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts bereitete sich Europa auf die Währungsunion vor. Dafür waren die Wechselkurse der EU-Mitglieder auf gewisse Bandbreiten festgelegt. So auch das britische Pfund, das aber in den Vorjahren massiv an Wert zugelegt hatte.
Dieses Niveau sollte, so der Wille der britischen Regierung, auch gehalten werden, um einen guten Pfund-Euro-Wechselkurs zu haben. Als weitere relevante Messlatte diente die Deutsche Mark. Genau zu diesem Zeitpunkt entwickelten sich die beiden Währungen aber diametral entgegen – in Großbritannien brachte die Inflation den Kurs des Pfunds unter Druck, während in Deutschland die starke Wirtschaft die Deutsche Mark antrieb.
Der Investor George Soros erkannte, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis natürliche Marktkräfte den geplanten Wechselkursmechanismus zerreißen würden. Er sowie etliche andere Finanzexperten spekulierten mit Milliardenbeträgen gegen die Bank of England. Sie »wetteten« auf den Zusammenbruch der Bank. Diese wiederum kaufte Milliarden an Pfund, um die Spekulanten auszubremsen und den Kurs zu halten, zog aber am Schluss den Kürzeren – die Spekulanten hatten schlichtweg mehr finanzielle Mittel als die Bank of England. Insgesamt verkaufte Soros britische Pfund für über zehn Milliarden Dollar leer – in der berechtigten Erwartung, sie später billiger zurückkaufen zu können – und heizte damit die Währungs- und in Folge die Wirtschaftskrise an. Dabei verdiente er nebenbei auf einen Schlag eine Milliarde US-Dollar. Im Gegenzug musste er mit der Verantwortung leben, das Seine dazu beigetragen zu haben, dass England damals nicht der Währungsunion beigetreten ist. Mit all den Folgen, die wir heute – Stichwort Brexit – mittragen müssen.
Neben Leerverkäufen prangert Papst Franziskus auch Steueroasen in Offshore-Zentren explizit an. Diese lernen Sie im Kapitel 8noch besser kennen – vorweg gesagt: Hier werden Steuern am Fiskus vorbei geschoben und damit der Allgemeinheit Geld entzogen, um einige wenige noch reicher zu machen.
Die Kritik an Leerverkäufen und Offshore-Steueroasen macht deutlich: Rein quantitatives Wachstum ohne Rücksicht auf Erhaltung der Lebensqualität ist aus Sicht des Vatikans eine klare Fehlentwicklung und Investoren sollten tunlichst ihre Finger davon lassen. Doch was nutzen Ihnen diese theoretischen Tipps für Ihre individuelle Anlagestrategie?
Wer sich als gläubiger Menschen nicht selbst mit den Fragen nach »richtigem Anlegen« auseinandersetzen möchte, hat »Gott sei Dank« die Möglichkeit, sein Gewissen quasi bei der Banktür – vorausgesetzt, es ist die richtige – abzugeben. Dafür müssen Sie sich nur dazu entschließen, Ihr Konto bei einer Bank mit christlicher Wertorientierung zu eröffnen. Die meisten dieser »christlichen« Banken bieten neben der Kontoführung auch eigene Fonds für die Vermögensverwaltung an. Beispielhaft sei hier die Steyler Bank genannt. Fonds werden dort laut Eigenangaben im Sinne christlicher Ethik und Ökologie verwaltet. Dabei wird bei der Aktienselektion mit Ausschlusskriterien gearbeitet.
Ausschlusskriterien, manchmal auch Negativkriterien genannt, sind die symbolischen Türsteher eines Portfolios. Durch sie werden Emittenten herausgefiltert, die vorab definierten Werten und Zielen nicht entsprechen.
Welche konkreten Ausschlusskriterien und welche Möglichkeiten es neben dem Ausschluss ganzer Branchen noch gibt, um nachhaltig zu investieren, erfahren Sie in Kapitel 3genauer.
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