Noch bevor sie der Widerhall der ersten Salve erreichen konnte, hatten die Chokonen ihre Pferde gewendet, galoppierten in Richtung der Ebene davon und schwärmten dabei aus wie aufgescheuchte Wachteln. Bei der sich schnell vergrößernden Distanz wurde das Gewehrfeuer ungenau, trotzdem fanden einige Kugeln ihr Ziel. Ein Packpferd und zwei Reittiere gingen zu Boden. Die Reiter, zwei Frauen, wurden von Männern ergriffen, die kaum ihre Geschwindigkeit drosselten. Auf Tsanas Pferd begann seine Frau Magalena zu schreien. Sie wollte herunterspringen, doch ihr Mann hielt sie mit aller Kraft hinter seinem Rücken fest. Ihr Baby, eine vierzehn Monate alte Tochter, war verloren. Ihr Wiegebrett war am Knauf von Magalenas Sattel befestigt gewesen und mit dem Pferd gefallen.
Außer Reichweite der Gewehre hielten die Apachen an und beruhigten ihre Tiere. Frauen kamen, um Magalena zu trösten. Die Krieger blickten zurück. Niemand folgte ihnen.
„Ein Aufgebot von Zivilisten”, sagte Josanie. „Apachenscouts hätten gewartet, bis wir näher gekommen wären, Soldaten auch. Diese Männer hatten Angst und haben zu früh geschossen.”
Er machte eine Pause. „Es hätte schlimmer kommen können.”
„Ja”, entgegnete Chihuahua grimmig. Er betrachtete die Frauen, die Magalena umringt hatten. Dies war ihnen so vertraut. Sie fielen in den Klagegesang ein, das traurige, erschütternde Lied, das ihre Herzen ergriff.
„Wir können das Kind nicht holen”, sagte Chihuahua.
Tsana versuchte es. Tief auf dem Hals seines Pferdes liegend, ritt er zu den fernen Punkten in der Ebene vor den trostlosen Bergen, den toten oder sterbenden Pferden. Lange bevor er sie erreichte, stiegen Staubwolken um ihn herum auf, und dann war das Echo der Salve zu hören. Sie sahen zu, wie er galoppierte, Haken und Kreise schlug und versuchte, an den Kugeln vorbeizukommen, aber er schaffte es nicht. Schließlich gab er auf. Er und sein Pferd waren unverletzt, aber er hatte Tränen in seinen Augen.
Sie fühlten mit ihm und seiner Frau und ritten traurig weiter, an der verlassenen Station der Butterfield Overland Post vorbei. Das Klagelied umhüllte sie wie eine Wolke. Dann wandten sie sich nach Südosten. In einem raumgreifenden Galopp passierten sie die beiden nördlichen Playas der Salzebenen, grau-weiße, schmutzige Becken unter der Nachmittagssonne. Vom letzten Regen war noch etwas Wasser darin, und einige Blaureiher standen wie Statuen da und betrachteten fragend ihre eigenen Spiegelbilder.
An den Westufern der Playas entlang ritten sie durch das spärliche Gras und über rissige Plättchen getrockneten Schlamms. Unterhalb der zweiten Playa schwenkten sie nach Osten, folgten dem östlichen Ufer der großen Kathrine Playa nach Süden und erreichten den Bahndamm zehn Meilen westlich von Lordsburg. Die Schienen waren leer. Sie ritten darüber hinweg und weiter nach Südosten, ohne die Telegrafenleitung zu durchtrennen. Sie wollten den Ort ihrer Überquerung nicht verraten.
Das Animas Tal lag still und weit vor ihnen, das üppige Gras war so hoch, dass es die Steigbügel berührte. Sie sahen Antilopenherden und einmal ein Wolfsrudel, sieben Augenpaare, die ihren Zug beobachteten. In der Abenddämmerung kamen sie zu einem ihnen bekannten Lagerplatz bei einer Quelle am südlichen Rand der Pyramid Berge. Sie suchten die Umgebung ab, fanden aber keine verdächtigen Zeichen. Eines der Packpferde wurde mit der Lanze getötet, damit sie Essen hatten, und nach Einbruch der Dunkelheit entzündeten sie Kochfeuer in einer mit Piñons bewachsenen Vertiefung, aus der das Licht nicht entweichen konnte. Die Grenze von Mexiko war fünfzig Meilen weit weg.
Während der Nacht drehte sich der Wind, und Wolken zogen aus Südwest heran. Der Morgen enthüllte einen steinfarbenen Himmel ohne Sonne.
Sie saßen in zwei Kreisen da, die Frauen und Kinder im Rücken der Männer. Ramona saß hinter Chihuahua, Jaccali hinter Josanie. Chihuahua räusperte sich.
„Wir haben gestern ein kleines Mädchen verloren”, sagte er leise. „Wir alle… haben sie geliebt. Sie machte uns glücklich in schweren Zeiten.” Er hielt inne. „Wir wissen nicht, ob sie noch lebt. Vielleicht ist sie in die Geisterwelt gegangen. Das denke ich.” Er hielt inne. „So ist es gut. Sie wird nicht allein sein. Viele dort kennt sie, mehr als hier. Wir werden sie wiedersehen. Sie wartet auf uns.”
Er betrachtete einen abgebrochenen Zweig in seiner Hand. Die Stille lastete schwer. Schließlich blickte er auf und versuchte zu lächeln. „Wir sind noch hier und müssen entscheiden, was wir tun wollen.” Die Menschen sahen ihn an und nickten.
Er stand auf und zeichnete einige Linien auf den Boden. Zusammen ergaben sie eine einfache, aber genaue Karte der Region.
„Wir sind hier”, sagte er und zeigte mit dem Stock auf die Stelle. „Südlich, ein klein wenig südöstlich, ist das Tal des großen Playa-Sees. Dort hindurch gibt es auf dem gesamten Weg bis zur Sierra Enmedio ebenen Grund.
Im Süden und Westen sind die Animas Berge, westlich davon die Peloncillos, und weiter in Richtung Westen das San Simon Tal und die Berge, die den Namen unseres Volkes tragen.”
Er machte eine Pause. „Wir könnten durch das Tal des großen Playa-Sees oder durch das Animas Tal gehen. Wir wissen nicht, wo Truppen auf uns warten. Sie werden an vielen Orten sein, um uns am Überqueren der Grenze zu hindern. Ich denke, die gefährlichste Route führt durch das Animas Tal. Einer der Eingänge des Guadelupe Canyon ist dort, auf der Westseite, und ich bin sicher, dass sie ihn gesperrt haben. Es könnten auch Soldaten auf dem Pass in den Animas Berge sein.” Er deutete auf den San Luis-Pass. „Sie könnten das Tal blockieren und versuchen, uns zwischen sich einzukesseln. Ich denke, wir sollten durch das große Playa-Tal gehen. Aber wir müssen sicher sein, dass dort keine Soldaten sind. Wenn doch, müssen wir sie dazu bringen, es zu verlassen.”
Er spähte in die Runde, suchte die Gesichter ab. Sie studierten die Markierungen auf dem Boden oder blickten ihn an.
Nach einer Weile sprach Josanie: „Ja, das denke ich auch. Sie erwarten, dass wir westlich von hier über die Grenze gehen. Es ist der alte Weg, und wir haben ihn früher schon oft benutzt. Wir müssen sie glauben machen, dass wir es dieses Mal wieder tun werden.”
Er überlegte. „Ich könnte es tun. Ich könnte nach Westen gehen und dort viel Schaden anrichten, Siedlungen niederbrennen, Truppen von überall her dorthin locken. Ich könnte sechs Männer nehmen. Wir würden schnell reiten, Orte heimsuchen und weiterreiten, sie denken lassen, wir seien viele, sie verwirren. Sie sollten glauben, dass wir alle dort sind, die ganze Gruppe.”
Ein zustimmendes Murmeln erklang.
„Ja”, sagte Chihuahua. „Wie viel Zeit brauchst du?”
„Vier oder fünf Tage”, antwortete Josanie. „Wir sollten uns in sechs Tagen in Mexiko treffen. Ihr könntet vier Tage lang hier bleiben und am fünften weiterziehen. Am sechsten Tag treffen wir uns dort. Was denkst du?”
Chihuahua nickte. „Ja. Wir sollten es so machen. Ich weiß, wo wir uns treffen können. Bei der Quelle in der kleinen Ebene an der Westseite der Sierra Enmedio, wo wir vor drei Jahren gegen die Kavallerie aus Fort Bowie gekämpft haben. Ich denke nicht, dass sie uns dort vermuten werden.”
Er hielt inne und blickte zu Boden. Es gab viele blutgetränkte Orte wie jenen. Im April 1882 hatten sie sich an dieser Quelle ein Gefecht mit Tuppers Sechster Kavallerie und zwei Kompanien Apachenscouts geliefert und sie zum Rückzug gezwungen. Sie selbst waren während der Nacht in Richtung Sierra Madre abgezogen. In der Morgendämmerung waren sie jedoch neunundzwanzig Meilen weiter südlich in der Janos-Ebene von Garcias beiden mexikanischen Kavallerieeinheiten gestellt worden und hatten schwere Verluste erlitten.
Alle, die sich jetzt bei ihm befanden, waren an jenem verzweifelten Kampf im Arroyo a las Alisos beteiligt gewesen und hatten sich nur durch ihren Mut und sehr viel Munition retten können.
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