Ulrich Wißmann
Skalpjagd
Ein Navaho-Cop bei den Sioux
Für Merlin
Ethno-Thriller
Skalpjagd
Ein Navaho-Cop bei den Sioux
Ethno-Thriller
von
Ulrich Wißmann
Impressum
Skalpjagd, Ulrich Wißmann
TraumFänger Verlag Hohenthann, 2015
eBook-ISBN 978-3-941485-37-2
Lektorat: Kerstin Schmäling
Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag
Datenkonvertierung: readbox„ Dortmund
Titelbild: Astrid Gavini
Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG,
Hohenthann
Produced in Germany
Inhalt
PROLOG
SÜDEN / ERSTES RITUAL
NORDEN / ZWEITES RITUAL
OSTEN / DRITTES RITUAL
WESTEN / VIERTES RITUAL
EPILOG
Vorwort
Der wahre Hintergrund dieser Geschichte ist, dass tatsächlich in den letzten Jahren Büffel, die aus dem Yellowstone Nationalpark abwandern, zum Abschuss durch Jäger freigegeben werden. Dies schürt den Protest von Naturschützern und indianischer Bevölkerung, die sich besonders mit den Tieren verbunden fühlt. In dem Buch führt die ausdauernde Ermittlung des Navaho Polizisten, bei der die indianische Kunst des Spurenlesens einhergeht mit moderner Kriminalistik, immer näher an den Täter, der sich zu wehren weiß! Die handelnden Personen des Romans sind frei erfunden, die beschriebenen geschichtlichen, politischen und ethnologischen Fakten sowie die historischen Personen entsprechen der Wahrheit.
PROLOG
Es war der Morgen.
Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Kiefernzweige und erleuchteten den Nebel, der vom Waldboden aufstieg. Das Gras war so von Tautropfen bedeckt, das es im kalten Licht fast wie Schnee wirkte. Durch die tief hängenden Wolkenschleier sah man den klaren, bleiernen Himmel des erwachenden Tages. Kein Laut lastete auf der Stille der Welt. Der Mann schob sich vorsichtig durch einige junge Kiefern, um möglichst kein Geräusch zu verursachen. Der Wald lichtete sich immer mehr zu einer parkartigen Landschaft, in der nur wenige einzeln stehende Bäume die mit Gras und Beifuß bewachsenen Hügel beherrschten.
Will Jennings spürte die Vorfreude in sich aufsteigen. Er war mitten in der Nacht losgefahren, zunächst auf der Interstate 25 nach Norden, die dann zur 90 wurde und sich bei Billings nach Westen wandte. 40 Meilen weiter, bei Columbus, Montana war er auf die Landstraße 419 abgebogen, die in südlicher Richtung circa 50 Meilen auf die Berge der Absaroka Range zuführte, bevor sie in deren nördlichen Ausläufern einfach aufhörte. Von dort war er mit seinem Pickup Truck noch ein ordentliches Stück über unbefestigte Ranch roads weitergekommen, bevor er das Auto stehen lassen musste. Zu Fuß, nur mit dem Gewehr und seinem Proviantrucksack war er kurz vor Sonnenaufgang losgegangen. Bald war er auf die unübersehbaren Spuren gestoßen, die er gesucht hatte. Frische Spuren von Büffeln! Die einzigen frei lebenden Büffel in den USA. So frei, dass sie nicht einmal in dem Schutzgebiet im Yellowstone Nationalpark blieben, sondern immer wieder nach Norden abwanderten.
Es war Anfang Mai und auf den Hochebenen des Parks lag noch Schnee. Deshalb erschienen immer wieder kleine Gruppen von Bisons in den tiefer gelegenen Gebieten. Jennings hatte auf den Rat von ebenfalls jagdbegeisterten Freunden bei der Jagdaufsicht des US Forest Service die Abschussgenehmigung für einen Bison erhalten. Jetzt konnte er die Büffel fast schon riechen!
Er folgte der Spur und als sich hinter einem Hügel der Blick auf eine Senke öffnete, entdeckte er den einsamen Büffelbullen. Im Schutz einiger Felsen schlich Jennings unter einen abgestorbenen Baum, wo er das Gewehr auf einen Aststumpf auflegen konnte, um einen sicheren Schuss zu haben. Der Bulle hatte ihn nicht bemerkt. Er war gegen den Wind gegangen und befand sich jetzt im Schutz des Baumes. Jennings schloss einen Moment die Augen, um seine Aufregung in den Griff zu bekommen und zwang sich, ruhig zu atmen. Keine zweihundert Fuß Schussdistanz. Er stellte das Fernrohr scharf und zielte auf die Herzgegend des riesigen Tieres. Es würde schwer sein, mit dem Truck hierher zu kommen, um das Fleisch des Bullen zu holen, aber es ging ihm sowieso mehr um das Erlebnis und um eine einmalige Trophäe.
Jennings krümmte langsam den Finger. Jetzt bloß kein Fehler! Gleich würde er das gewaltige Tier töten.
Schon seine Vorfahren hatten Büffel gejagt, damals im Auftrag der Regierung, um den Plains-Indianern die Lebensgrundlage zu entziehen und sie so endlich besiegen zu können. Er wusste nicht viel über seine Vorfahren, aber er wusste, dass ein Urahn von ihm mit Tausenden anderen in die Black Hills gezogen war, nachdem General Custer von unermesslichen Goldvorkommen dort berichtet hatte. Er hatte gegen Indianer gekämpft und Bisons gejagt. Reich war er mit all dem nicht geworden, aber schließlich hatte er ein Stück Land kaufen können und eine Ranch aufgebaut.
Keine große Ranch mit angestellten Cowboys, aber genug, um sich und seine Familie zu ernähren. Jennings wohnte noch heute auf dem Land, das sein Urgroßvater vor mehr als einhundert Jahren besiedelt hatte. Sie hatten dieses Land aufgebaut, es der Wildnis abgetrotzt und einer vernünftigen Nutzung zugeführt. Deshalb hasste er diese dämlichen Tierschützer und Grünen, die Bären und Wölfe frei herumlaufen lassen wollten, damit sie ihm und anderen Ranchern das Vieh wegfraßen. Diese Typen kamen alle aus der Stadt und hatten überhaupt keine Ahnung von dem Leben hier draußen! Er jedenfalls hatte das Recht, die Früchte dieses Landes zu ernten und diesmal hatte er dafür sogar eine schriftliche Genehmigung!
Der Büffel hob den Kopf und sah in seine Richtung, als ob er doch irgendetwas bemerkt hatte. Jennings drückte ab.
Im selben Moment wurde er hart nach hinten gerissen. Der Schuss ging nach oben. Jennings fühlte sich von einem starken Arm umklammert. Er wollte schreien, aber eine Hand hielt seinen Mund geschlossen. Plötzlich fühlte er einen furchtbaren Schmerz. Etwas Heißes schoss über seine Brust. Er hörte ein röchelndes Geräusch und erkannte mit grenzenlosem Entsetzen, woher es kam. Der Angreifer hielt ihn gnadenlos gefangen und durchschnitt ihm die Kehle. Einen Moment lang bekam er noch Luft durch seine geöffnete Luftröhre, dann sog sein Atemreflex das aus den zerschnittenen Halsschlagadern strömende Blut ein und er begann zu ersticken. Gleichzeitig erstarb sein Gehirn, das nicht mehr mit frischem Blut versorgt wurde und er fühlte, wie er ohnmächtig wurde.
Eine tödliche Müdigkeit ergriff auf einmal von ihm Besitz. Ein letztes Mal versuchte er sich loszureißen, aber der Mann hielt ihn unerbittlich fest wie ein zappelndes Kaninchen. Das einzige, das Jennings von dem Mann sehen konnte, der ihm das antat, war sein muskulöser Unterarm, der ihn wie in einer Schraubzwinge umklammert hielt. Er glitt zu Boden und spürte, wie der Mann ein Knie auf seinen Rücken setzte. Durch den Nebel seiner schwindenden Wahrnehmung registrierte er, wie sein Kopf an den Haaren nach hinten gezogen wurde und als nächstes fühlte er einen scharfen Schmerz auf dem Kopf.
Will Jennings letzter Gedanke war die grauenvolle Einsicht, dass er skalpiert wurde.
SÜDEN / ERSTES RITUAL
I
Officer Frank Begay von der Navaho Nation Tribal Police nahm eine Hand voll Maispollen aus seinem Beutel und sprach sein Morgengebet. Langsam ließ er die Pollen aus seiner Hand in den sanften Wind gleiten, als Opfer an Dawn Boy, der den neuen Tag brachte. Er reckte sich in der warmen Morgensonne. Er hatte die Nacht in seinem Pick up Truck verbringen müssen und es war schon die zweite Nacht gewesen.
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