In eine solche Auseinandersetzung zwischen betrunkenen Indianern waren die Jugendlichen geraten. Julian trank niemals Alkohol, hatte aber seiner Art gemäß helfend und vermittelnd eingreifen wollen und war dabei von einem unzurechnungsfähig betrunkenem Zuni erstochen worden. Er hatte noch Stunden gelebt. Im örtlichen Krankenhaus, wohin ihn seine Freunde gebracht hatten, beeilte man sich aber nicht unbedingt, den vielen betrunkenen oder verwundeten Ureinwohnern zu helfen und so war er dort langsam verblutet.
Mit diesem Schicksal hatte sich ein Schatten auf Franks Familie gelegt. Vorher hatten sie ihr Leben in dem Gefühl gelebt, weit weg zu sein von der verwirrenden und brutalen Welt der Weißen, in der Einsamkeit der größten Indianerreservation der USA. Aber plötzlich hatte die Realität in Form der Welt der bilagaana mit ihren Errungenschaften wie dem Alkohol, sie in ihrer kleinen Welt erreicht und alles mit einem Schlag vernichtet. Man konnte sich nicht verstecken vor dieser Realität, nicht einmal im hintersten Winkel der größten Reservation.
Begay stand auf einem steinigen, mit Silberdisteln und Schlangenkraut bewachsenen Hügel in den Ausläufern der Chuska Mountains und nahm Abschied. Er sah nach Osten. Dort irgendwo lag sie, die Welt der Weißen, die so anders war als die seines Volkes. Als Kind war er nur zweimal aus der Großen Reservation herausgekommen.
Einmal war er mit seinen Eltern hinüber in die Checkerboard Reservation gefahren, um dort Verwandte zu besuchen. Dieses Gebiet hieß so, weil es nicht durchgehend Reservatsland war, sondern schachbrettartig von Bundesland und Privatbesitz unterbrochen wurde. Schon bei dieser Fahrt, bei der er etwa zwölf Jahre alt gewesen war, viel mehr aber noch bei einer späteren Reise zu Verwandten in die Stadt Phoenix, hatte er einen regelrechten Kulturschock durchlebt.
Auf der Navaho Reservation war alles mehr oder weniger im Einklang mit der Natur: Straßen verliefen so, wie das Gelände ihren Bau zugelassen hatte, besonders die Gravel Roads, Wege und Pfade liefen kreuz und quer, um Felsen herum, durch Bachläufe und Wälder, verschwammen zeitweise ganz mit der Umgebung. Zäune gab es nur selten. Die meisten Navaho ließen ihr Vieh frei umherschweifen und suchten es bei Bedarf.
Auch die traditionellen Behausungen, die Hogans, in denen noch viele Menschen lebten, passten sich fast unsichtbar in die Landschaft ein. Gemacht aus der Erde und dem Holz der Umgebung, waren sie archaische, aus dem Geist des Landes entstandene Wohnungen und wirkten oft wie Felsen, die irgendwann, wenn ihre Besitzer verstorben waren, genau wie diese wieder zu dem verwitterten, aus dem sie geschaffen worden waren.
Wie anders die Welt der Weißen war! Alles schien aus geraden Linien zu bestehen. Die Straßen waren schnurgerade, wo immer das Land es zuließ. Alles war mit Zäunen verbaut und die Gebäude, in denen viel zu viele Menschen lebten, waren gerade und eckig, von den Wohnhäusern über die Läden und die Fast-Food-Restaurants mit all dem Plastik und den unnatürlich schreienden Farben bis zu den beängstigenden Hochhäusern mit ihren Beton- und Glasfassaden in der Großstadt. Und während die Menschen seines Volkes die Einsamkeit kannten und liebten, schienen die Weißen Angst vor Alleinsein und Stille zu haben. Überall waren so viele Menschen und es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm! Er war damals heilfroh gewesen, als er wieder zurück im Schutz der Reservation war. Später als Erwachsener war er öfter außerhalb der Big Rez gewesen, aber er sehnte sich immer dorthin zurück und fühlte sich anderswo immer irgendwie fehl am Platz.
Und jetzt war es wieder einmal soweit, Begay verließ seine Familie und seine Heimat, um für die Weißen zu arbeiten. Aber auf eine unerklärliche Weise hatte er das Gefühl, dass es wichtig war, dass er es tat.
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