Josef van Scharrel
Mann werden –
Mann sein
Vier-Türme-Verlag
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2020
ISBN 978-3-7365-0301-4
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2018
ISBN 978-3-7365-0318-2
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr
Lektorat: marlene Fritch
Covergestaltung: wunderlichundweigand
Covermotiv: everst/shutterstock.com
www.vier-tuerme-verlag.de
Inhalt
Vorwort
Väter
Eine prägende Beziehung
Der Segen der Väter
Der große Jakobssegen
Wo sind die Väter heute?
Patriarchen und Patriarchat
Eine »unheilige Gesellschaftsform« – für Männer und Frauen
Rollenbilder
»Der Mann der Zukunft muss ein Liebender sein«
Die Archetypen und die Heldenreise
Der König
Der Krieger
Der Liebhaber
Der Magier
Die Heldenreise
Abschied von alten »Manns-Bildern«
Männer weinen nicht? – Zeig deine Wunden!
Abschied vom Krieger?
Nicht mehr kämpfen müssen
Initiation – eine vergessene Form der Mannwerdung
Der Steinkreis – heiliger Boden
Visionssuche und Walderfahrungen
Sich aushalten, statt nur zu überleben
Neuland!
Leben in Fülle
Post Skriptum, oder: Was noch zu sagen ist
Danke!
Literatur
Vorwort
Noch ein Buch über Männer? Ist nicht schon alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt? Ich glaube, dass viele Männer heute immer noch auf der Suche nach ihrer Identität sind. Und dass man manche Dinge deshalb gar nicht oft genug sagen kann, weil sie wichtig sind, vielleicht sogar lebenswichtig. Denn die Frage, die sich noch immer viele stellen, ist: Wie kann ich ein »richtiger Mann« sein? Daraus ergibt sich gleich die nächste Frage, auf die die Antwort so schwerfällt: Was ist denn ein »richtiger Mann«? Und wer bestimmt, was ein »richtiger« Mann ist?
Mit diesem Buch möchte ich Männern Mut machen, einfach Mann zu sein, ohne irgendeinem Rollenbild oder irgendeiner Erwartung nachzulaufen oder gerecht werden zu wollen. Ich möchte Mut machen, dass sich Männer mit all ihren Gefühlen, den Ängsten und Freuden, mit ihren Stärken und Fehlern zeigen dürfen. Ich möchte dazu aufrufen, dass wir uns von all dem befreien, was wir als Männer »eigentlich« sein sollen, und so das Leben in Fülle leben können. Ich möchte die Freude am Mannsein entfachen und aufzeigen, dass wir mehr sind als »ein Fehler der Natur«, wie es einmal in einem STERN-Artikel zu lesen war. Wir sind aber auch mehr als das, was 7000 Jahre patriarchale Strukturen aus uns immer wieder zu machen versucht haben. Ich möchte Mut machen, dass Männer sich trauen, als Männer zu leben. Dieses Buch will also nicht weniger, als sich auf die Suche nach männlicher Identität und Spiritualität zu machen.
Bis vor wenigen Jahrzehnten existierte in den westlich-europäisch geprägten Ländern noch ein relativ klares Männerbild. Eigenschaften wie Dominanz, Ausdruck, Stärke, verbunden mit einem entsprechenden Auftreten, waren akzeptable Qualitäten für einen »richtigen« Mann. Heute lässt sich ein charakteristisches Männerbild nicht mehr so einfach entwerfen. Männer zeigen heute beispielsweise selbstverständlicher Gefühle und »Schwächen« – und das führt nicht gleich zu einem Knick in ihrer Männlichkeit, weder in ihrem eigenen noch in fremdem Ansehen.
Die traditionelle Männerrolle wird seit Längerem auch in der öffentlichen Diskussion hinterfragt, ist vielleicht sogar lädiert. In Bildung und Beruf droht Jungen und Männern der Abstieg, sie sind oft die Verlierer im schulischen Bereich, aber auch im universitären Umfeld und Ausbildungsberufen. Um die Gesundheit vieler Männer ist es ebenfalls nicht gut bestellt. Um ihrer Rolle oder ihren eigenen und fremden Ansprüchen zu genügen, gehen sie über ihre eigenen Grenzen, was häufig Burnout, Herzinfarkte oder Depressionen zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund soll dieses Buch Männern die Möglichkeit geben, über sich, ihr Verhältnis zum Mannsein und über ihr Rollenverständnis nachzudenken.
Angesprochen sind dabei Männer, die auf der Suche nach Sinn sind – junge Männer auf dem Weg zu ihrer Initiation (Mannwerdung) oder ihrer Berufsfindung ebenso wie Männer in der zweiten Lebenshälfte, die noch einmal vor der Frage stehen, wie es nun für sie weitergehen kann – und natürlich auch ältere Männer auf dem Weg in den Lebensabend.
Väter
Eine prägende Beziehung
Für die meisten Menschen ist der »erste Mann im Leben« der (leibliche) Vater. Er hat als solcher grundlegenden Einfluss auf uns und unsere Persönlichkeit, weil er uns vorlebt, wie wir mit der Welt, mit anderen Menschen, mit unserem eigenen Leben umgehen können. Er ist unser erstes Vorbild, wie wir die Welt betrachten und begreifen, und wahrscheinlich wird es keine andere Bindung – außer die zur Mutter – geben, die für uns so prägend ist, was unser Selbstbild als Mann, aber auch, was generell unser Männerbild angeht.
»Warum nur bleibt ein Schweigen zwischen Vater und Sohn«, heißt es im Refrain eines Liedes von Udo Jürgens – das ist die Rückseite dieser ersten Prägung, die viele Männer ebenfalls erfahren haben. Es ist diese Ambivalenz, die das Verhältnis zu dem Mann, der mir das Leben ermöglicht hat und dafür gesorgt hat, dass ich ein Zuhause habe und auch sonst mit allem Nötigen versorgt wurde, so schwierig und gleichzeitig interessant macht.
In den Männerkursen, die ich in den letzten Jahren gegeben habe, ist das Vaterthema immer wieder aufgekommen. Es ist die Spannung, die viele spüren und in die sie gestellt sind: Einerseits möchten sie sich vom Vater, von der Vaterfigur, lösen, und gleichzeitig wollen sie ihm noch immer gefallen, seine Erwartungen erfüllen. Dahinter steht die Suche nach dem Vater, der mich versteht und zu dem ich aufblicken kann, der mich andererseits aber auch in die Freiheit entlässt, ohne sich von mir zu lösen, und von dem ich mich lösen kann, ohne dass ich ihn verleugnen muss.
Auch für Henri Nouwen, den bekannten niederländischen Priester und Psychologen, war die Auseinandersetzung mit der Vaterfigur ein Thema, das ihn immer wieder beschäftigte. Für ihn steht hinter dieser Auseinandersetzung aber noch etwas anderes Wesentliches, das hier seinen Ausdruck findet. Er sagt: »Hör auf, allen gefallen zu wollen.« Dahinter steckt der unbewusste Wunsch beinahe jedes Mannes, dass der Vater – egal, wie alt man selbst ist – stolz sein kann auf seinen Sohn. Henri Nouwen meint: »Hör auf, dich mit ihren Augen zu sehen. Denn solange du dich erinnern kannst, hast du alles getan, um zu gefallen; hast du deine Identität vom Urteil anderer abhängig gemacht, was du nicht nur negativ zu sehen brauchst. Du wolltest dein Herz anderen geben und hast es leicht und gern getan. Aber jetzt kommt es darauf an, diese vielen selbstgemachten Stützen loszulassen und darauf zu vertrauen, dass Gott für dich genug ist. Du musst aufhören, anderen gefallen zu wollen, und deine Identität als freies Selbst in Anspruch nehmen« (Die innere Stimme der Liebe, S. 21).
Die Suche nach dem Vater ist eine der großen Aufgaben des Mannes und der Mannwerdung. In vielen Märchen und Weisheitsgeschichten finden wir dieses Thema. Sie erzählen uns von Söhnen, die auszogen und Heldentaten vollbrachten, um das Leben des Vaters zu retten oder das Königsreich des Vaters zu befreien, wie wir das zum Beispiel in den Märchen »Der goldene Vogel«, »Eisenhans« oder »Das Wasser des Lebens« von den Brüdern Grimm lesen können. Und auch in der Bibel finden wir das Thema wieder, denn beispielsweise das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist auch ein Gleichnis vom wiedergefundenen Vater.
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