Am 13. Juli 2020 begeben sich zwei Amerikaner auf eine Reise durch ein exotisches und rätselhaftes Land in der Staatenunion Europas: Österreich. Das Land hat keine Armee und in Wien stehen nur noch drei Kirchen. Es gibt kein Geld und keinen Privatbesitz mehr, es herrscht Wohlstand. Die Gütergemeinschaft ist friedlich und sanft. Kaiser und Adel sind glitzernde Statisten einer klassenlosen Gesellschaft. In Österreich herrscht utopischer Kommunismus mit Monarchie. Die beiden Amerikaner kommen aus dem Staunen nicht heraus.
Die Reisenden, ihre wechselnden Reiseleiter und Urlaubsbekanntschaften machen Ausflüge in der Umgebung Wiens, durchstreifen Stadt und Natur, besuchen Feste, Kultur- und Sportereignisse, und lassen sich Schritt für Schritt Österreich erklären. Wir erhalten Einblicke in eine datumsgenau jetzige und völlig fremde Welt. Die Rolle der Frau, die Aufgabe des Künstlers, das Leben und der Wert der Menschen überhaupt – das Panorama, das sich entfaltet, ist so skurril, umständlich und schrullig, wie sonst nur die Wirklichkeit selbst. Und eine plüschig-schmalzige Liebesgeschichte fehlt in diesem Buch natürlich auch nicht. Josef von Neupauers Roman Österreich im Jahre 2020 erschien 1893 im Verlag E. Pierson, Dresden und Leipzig. Eine bizarre Entdeckung, die an der Zeit ist.
JOSEF VON NEUPAUER wurde zur Mitte des 19. Jahrhunderts geboren und wirkte als Anwalt in Wien. Sein Roman Österreich im Jahre 2020 erschien 1893 im Verlag von E. Pierson, Leipzig und Dresden. Dieser Ausgabe folgt das vorliegende Buch; lediglich die Orthographie des Textes wurde behutsam modernisiert, aber die Schrulle nach Möglichkeit beibehalten.
Josef von Neupauer starb 1914 in Innsbruck.
TOBIAS ROTH, * 1985 in München, nach Studien in Freiburg und Berlin lebt er wieder in seiner Heimatstadt. Er debütierte 2013 mit dem Gedichtband Aus Waben (Verlagshaus Berlin) und legte seither über zwei Dutzend eigene Titel, Herausgaben und Übersetzungen vor. Er ist Gründungsgesellschafter des Verlags Das Kulturelle Gedächtnis, dessen erstes Programm 2017 erschien und der 2020 mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurde.
daskulturellegedaechtnis.de
Josef von Neupauer
Roman
Herausgegeben von Tobias Roth
© Luftschacht Verlag – Wien
luftschacht.com
Alle Rechte an der Ausgabe vorbehalten
1. Auflage Juli 2020
Der Verlag dankt:
Tobias Roth für die Entdeckung dieses Textes zur rechten Zeit und seine kompetente, begeisterte und begeisternde Herausgebertätigkeit;
Moritz Müller-Schwefe für die Kontaktherstellung zwischen Herausgeber und Verlag und sein generell großes Wohlwollen uns gegenüber;
Tim Johannsen für seine Recherchen, Textadaptierungen und Korrekturen, die den Text ein Stück weiter nach Österreich im Jahre 2020 gebracht haben.
Umschlaggestaltung: Matthias Kronfuß – matthiaskronfuss.at
Coverfoto: @loravisuals/Unsplash
Satz: Luftschacht
gesetzt aus der Metric, der Noe, der Diversa und der Zapf Dingbats
Druck und Herstellung: Finidr s.r.o.
Papier: Munken Print Cream 100 g/m 2, Surbalin glatt 115 g/m 2,
f.color glatt 125 g/m 2
Portraitphoto Josef von Neupauer: Verlag Richard Lincke.
ISBN: 978-3-903081-50-5
ISBN E-Book: 978-3-903081-79-6
Motto: It is better to fight for the good, than to rail at the ill .
VORWORT
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
NACHWORT
Österreich im Jahre 2020 ist eine klassenlose, kommunistische Gesellschaft, in der es kein Geld und keine Armee gibt, aber dafür einen Habsburger Kaiser, der nicht unangenehm auffällt. Das Land ist eingebettet in einen europäischen Staatenbund, an dem England nicht teilnimmt, und organisiert von einem perfekten, allgegenwärtigen, interesselosen Verwaltungsapparat. Europa bildet einen gemeinsamen Sanitätsbezirk , was die Einschleppung von Krankheiten unmöglich macht. Österreich im Jahre 2020 ist eine Reise in eine längst vergangene Zukunft.
Österreich im Jahre 2020 ist eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts. Das Buch kommt 1893 im Verlag Edgar Pierson, Dresden und Leipzig, heraus. Dort ist 1889 mit Bertha von Suttners Roman Die Waffen nieder! ein österreichischer Klassiker der pazifistischen Literatur erschienen. Auf den Jahreswechsel 1888/89, genau in den Tagen, als Friedrich Nietzsche in Turin ein Pferd umarmt, findet der Einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs in Hainfeld statt.
Wer Österreich im Jahre 2020 hervorgebracht hat, ist gar nicht so einfach zu sagen. Josef Ritter von Neupauer, Doktor der Rechte, hat kaum Spuren in der Überlieferung hinterlassen. Sein Geburtsdatum ist nicht zu ermitteln, aber die Portraitphotographie, die auch dieses Buch ziert und seinem Großwerk Der Kollektivismus und die soziale Monarchie (ausdrücklich die technisch detaillierte, komplettierende Abhandlung zu seinem Roman) von 1909 entnommen ist, lässt an einen Jahrgang der 1840er-Jahre denken. Ab 1906, bereits im Ruhestand, ist Neupauer in Innsbruck belegt, wohnhaft Universitätsstraße Nr. 3/11. Dort vermutlich ist er auch gestorben, zwischen dem 1. Dezember 1913 und dem 1. Dezember 1914. (Ein herzlicher Dank an Thomas Bach von der Universität Jena und Nikolaus Bliem von der Bibliothek des Ferdinandeum, Innsbruck!)
Österreich im Jahre 2020 aber kommt nicht aus dem Nichts. Seinerzeit in Wien erfreut sich Doktor von Neupauer einiger Notorietät. Ein namentlich nicht genannter Autor schreibt in seiner Rezension zu Österreich im Jahre 2020 im Neuen Wiener Tagblatt am 3. Juli 1893: „Der Verfasser dieses Buches, Hof- und Gerichtsadvokat Dr. von Neupauer, ist eine in weiten Kreisen Wiens bekannte Persönlichkeit. Mit aufrichtiger Begeisterung für alles Gute, Edle, Schöne, allerdings in seiner Art, ausgestattet, versäumt er es nicht, sobald irgend eine neue Vereinsgründung in Sicht ist, dem werdenden Unternehmen seine Kraft zur Verfügung zu stellen, wobei es ihm auf tiefgehende Unterschiede von Parteien und Prinzipien nicht sehr ankommt. Das wäre ja sehr löblich, denn neben den Interessen der Menschheit verschwinden ja die Fraktionen und Grundsätze, aber man kommt da oft in Widerspruch mit gewissen hergebrachten Anschauungen und Begriffen, und das passiert Herrn Doktor Neupauer umso häufiger, als seine sehr positiv gemeinten Vorschläge der mehr oder minder nüchternen Auffassung seiner Zuhörer meistens nicht recht verständlich sind. So stellte sich der genannte Herr einer eben in Gründung begriffenen Gesellschaft, welche ein hohes, humanitäres Ziel verfolgt, zur Verfügung, indem er sich ohneweiters zur Herbeischaffung von zehn Millionen Mitgliedern anheischig machte. Als die Gründer der Gesellschaft sich behufs eingehender Beratung dieses sehr verlockenden, aber scheinbar schwer zu verwirklichenden Vorschlages eine dreitägige Bedenkzeit erbaten, entzog der Tiefgekränkte der guten Sache seine Mitwirkung für immer.“
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