– § 37 VwVfG: Bestimmtheitsgrundsatz und Form von Verwaltungsakten
Verwaltungsakte müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Der betroffene Bürger soll auf Anhieb erkennen können, was ihm aufgegeben wird bzw. was er zu tun hat. Mangelt es einer polizeilichen Anordnung an Bestimmtheit, so hat dies ihre Rechtswidrigkeit zur Folge. Diese kann jedoch durch eine Klarstellung nachträglich geheilt werden. 119
– § 39 VwVfG: Begründung von Verwaltungsakten
Die Begründung des Verwaltungsakts hat für den Bürger eine Rechtsschutz- und Akzeptanzfunktion; der Behörde ermöglicht sie eine Selbstkontrolle ihrer Entscheidung. Denn dem Betroffenen werden die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung mitgeteilt. 120Das gilt gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG prinzipiell für alle schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakte. Einer Begründung bedarf es jedoch nicht, wenn dem Adressaten die Auffassung der Behörde zur Sach- und Rechtslage bekannt oder dies auch ohne Begründung ohne weiteres erkennbar ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Gleiches gilt für öffentlich bekanntgegebene Allgemeinverfügungen wie z. B. Verkehrszeichen (§ 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG). Mündliche Verwaltungsakte bedürfen grundsätzlich keiner Begründung. 121Wird die Begründungspflicht verletzt, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Allerdings handelt es sich auch hierbei um einen heilbaren Form- und Verfahrensfehler (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Jenseits des einfachen Rechts ergibt sich die Begründungspflicht bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip. 122
– §§ 48, 49 VwVfG: Aufhebung von Verwaltungsakten
Unter den Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG können Verwaltungsakte auch nach Eintritt der Bestandskraft ganz oder teilweise zurückgenommen werden.
3. Handlungsmittel der Polizei bei der Strafverfolgung
Soweit die Polizei strafverfolgend tätig wird, ist sie funktional Teil der Justizbehörde. 123Anordnungen, Verfügungen oder sonstige regelnde Maßnahmen der Justizbehörden auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bezeichnet man als Justizverwaltungsakte(§ 23 EGGVG). Zunächst sind damit z. B. alle regelnden Maßnahmen der Polizei im Rahmen des Strafverfahrens Justizverwaltungsakte. Anders als im Verwaltungsrecht stellen aber auch sonstige Maßnahmen einer Justizbehörde (z. B. Realakte) Justizverwaltungsakte i. S. von § 23 EGGVG dar, wenn sie eine unmittelbare rechtliche Wirkung entfalten und geeignet sind, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen. 124Den Justizverwaltungsakten werden die Prozesshandlungengegenüber gestellt. Damit sind alle prozessgestaltenden, also auf prozessrechtliche Wirkung abzielenden Betätigungen eines Beteiligten am Strafverfahren gemeint, z. B. der Strafantrag des Verletzten bzw. dessen Rücknahme oder die Einleitung eines Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. 125Zu den Prozesshandlungen werden daher insbesondere alle sonstigen Handlungen bzw. Maßnahmen im Rahmen des Strafverfahrens gezählt, die keine Justizverwaltungsakte sind. 126
VI. Rechtsgrundlagen für polizeiliche Eingriffe
1. Aufgabennormen und Befugnisnormen
Die oben erläuterten Zuständigkeitsnormen klären lediglich die Frage, welche Aufgabe die Polizei zu erledigen hat. Daher werden sie auch Aufgabennormen genannt. Gleichzeitig bilden sie die rechtliche Grundlage für alle Maßnahmen, die sie zur Erfüllung der Aufgaben ohne Eingriffe in die Grundrechte der Bürger vornimmt, z. B. Kontrollfahrten (Streifen) oder schlichte Auskünfte. Wenn die Polizei jedoch in die Grundrechte der Bürger eingreift, um ihre Aufgaben zu erfüllen, benötigt sie hierfür wegen des Vorbehaltsgrundsatzes Befugnis- oder Eingriffsnormen: Grundrechtseingreifende Maßnahmen zur Gefahrenabwehrstützt die Polizei insbesondere auf das brandenburgische Polizeigesetz, wenn nicht spezielle Normen, z. B. aus dem Waffen-, Straßenverkehrs- oder Versammlungsrecht einschlägig sind. Die Anzahl der speziellen Gefahrenabwehrgesetze ist groß und hier nicht abschließend aufzählbar. Maßnahmen zur Strafverfolgungergehen vor allem aufgrund der Strafprozessordnung. Maßnahmen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeitenwerden ebenfalls auf die Strafprozessordnung gestützt. Dies ergibt sich aus verschiedenen Verweisungsnormen, auch Transmissionsklauseln genannt: 127
– § 46 Abs. 1 OWiGregelt, dass für das Verfahrenu. a. die Strafprozessordnung, das Jugendgerichtsgesetz und das Gerichtsverfassungsgesetz gelten, soweit nichts anderes geregelt ist (man könnte diese Norm daher auch verfahrensrechtliche Transmissionsklausel nennen);
– handelt die Polizei als Ermittlungs-/Feststellungsbehörde, stützt sie ihre Maßnahmen auf die StPO i. V. mit § 53 Abs. 1 Satz 2 oder § 53 Abs. 2 OWiG, je nach dem, ob sie von einer Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft angeordnet werden müssen oder nicht; 128
– handelt die Polizei als Ahndungs-/Verfolgungsbehörde, hat sie dieselben Befugnisse wie die Staatsanwaltschaft gemäß § 46 Abs. 2 StPO.
Zu beachten ist, dass § 46 OWiG für bestimmte Befugnisse Ausnahmen vorsieht, so z. B. in Bezug auf freiheitsentziehende Maßnahmen oder die körperliche Untersuchung. 129
2. Generalklauseln und Spezialbefugnisse
Hinsichtlich der Befugnisnormen, die der Polizei gestatten, zur Erfüllung ihrer Aufgaben bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen in die Grundrechte der Bürger einzugreifen, wird zwischen Generalklauseln und Spezialermächtigungen bzw. Standardmaßnahmen unterschieden.
Im Bereich der Gefahrenabwehrist die polizeiliche Generalklausel in § 10 Abs. 1 BbgPolGenthalten. 130Danach kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 11 bis 49 BbgPolG die Befugnisse der Polizei besonders regeln. Tatbestandlich wird lediglich eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorausgesetzt. Notwendigi. S. dieser Vorschrift heißt „erforderlich“ i. S. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 131Es darf also kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Abwehr der konkreten Gefahr geben.
Die in den §§ 11 ff. BbgPolG gesondert geregelten Befugnisse werden als Standardmaßnahmenbezeichnet, weil sie – wie bspw. Identitätsfeststellung, Durchsuchung oder Gewahrsam – in der polizeilichen Praxis regelmäßig vorkommen und somit zum „Standardrepertoire“ der Polizei gehören. 132Sie dürfen aber nur ergriffen werden, wenn die jeweils genannten Voraussetzungen vorliegen. Daher darf die Polizei z. B. eine Person zur Gefahrenabwehr nur dann durchsuchen, wenn die Voraussetzungen von § 21 BbgPolG erfüllt sind. Auf die Generalklauseldarf eine Standardmaßnahme hingegen nicht gestützt werden, denn für sie hat der Gesetzgeber die jeweiligen Voraussetzungen abschließend normiert. Standardmaßnahmen entfalten also innerhalb ihres Anwendungsbereichs eine Sperrwirkunggegenüber der Generalklausel, der lediglich eine (beschränkte) Auffangwirkungzukommt: Es können nämlich nur solche Maßnahmen auf § 10 Abs. 1 BbgPolG gestützt werden, die in ihrer Eingriffsintensität milder sind als die Standardmaßnahmen, es sei denn, sie sollen seltene, atypische oder neuartige Gefahren abwehren, die vom Gesetzgeber noch nicht als Standardmaßnahmen geregelt werden konnten bzw. innerhalb einer angemessenen Übergangszeit noch nicht geregelt wurden. 133
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