Seit 1605 gab sich der Abt Johann Wilhelm I. von Garsten viele Mühe, von dem Magistrat Steyr wenigstens die Bruderhauskirche und die Spitalkirche für die katholische Bevölkerung zu erhalten. Es gelang ihm nicht. Wollten die Katholiken in der Pfarrkirche Gottesdienst halten, so hing das immer von dem guten Willen des Magistrates ab, der fast zur Gänze aus Protestanten bestand. Als der Burggraf Georg Freiherr von Stubenberg, der ein Protestant war, von seinem Posten schied, erhielt Georg Siegmund von Lamberg, des Kaisers Mathias I. geheimer Rat und der Kaiserin Annas Obersthofmeister, das Steyrer Burggrafenamt. Dieser war Katholik, ließ 1616 die Burgkapelle neu herrichten und stellte sie den Katholiken für ihre gottesdienstlichen Handlungen zur Verfügung.
Als Abt Wilhelm 1614 gestorben war, wählten die Garstner 1615 den Benediktiner-Mönch von Melk Abt Anton II. (Spindler von Hofegg). Der war energisch, gewandt, vertraut mit den schwierigsten Geschäften, weise und beredsam; er machte den protestantischen Herren das Leben ein wenig sauer. Er verlangte vom Magistrate energisch die Schlüssel zur Bruderhauskirche und zur Spitalkirche, die ihm auch ausgefolgt wurden. Er fragte nicht lange und richtete beide Kirchen zum Gebrauch des Gottesdienstes ein. Außerdem betrieb er mit Eifer die Errichtung eines Kapuzinerklosters und einer Kirche in Steyr.
Schon am 1. Oktober erschien aus Prag ein kaiserlicher Befehl an den Landeshauptmann Wolf Wilhelm von Volkersdorf, nach welchen den Kapuzinern erlaubt wurde, in Steyr ein Kloster und eine Kirche zu erbauen, mit der Beifügung, die Erbauung derselben nicht zu hindern, sondern zu fördern. Der Landeshauptmann erließ am 16. Jänner 1616 einen Befehl an die Stadt Steyr, demgemäß zu handeln, wogegen sie aber Vorstellungen machte, den Bau aber nicht hindern konnte. Auch die Kaiserin Anna schrieb an den Magistrat, den Kapuzinern bei dem Bau mit Materialien an die Hand zu gehen. Sie schickte selber 4000 Gulden, auch der Burggraf Freiherr von Lamberg und der Abt von Garsten gaben reichlich Beiträge.
Zuerst waren zwei Kapuziner angekommen, denen der Burggraf das Gartenhaus im Hofgarten, dem jetzigen Schlosspark, zur Wohnung einräumte. Nach und nach kamen mehrere, die im Kirnerischen Hause in Pyrach, in der Nähe des Ketzerfreithofes, wohnten. Der Bau des Klostergebäudes, 1615 begonnen, wuchs schnell empor und war 1617 vollendet. Die Grundsteinlegung der Kirche wurde festlich begangen; es donnerten die Kanonen. Außer anderen hohen Persönlichkeiten wurde auch der Magistrat eingeladen, der aber aus begreiflichen Gründen nicht erschien. Der Färbermeister Zetl meinte spottend: »Vermutlich hat ihnen vielleicht die Luft nicht getaugt.«
Als man zum Bau der Kirche den Sand gegenüber dem Pfarrmayrhöfl ausgrub, kamen die Arbeiter auf einen großen Haufen Totengebeine, von denen zur Nachtzeit etliche Karren voll durch den Hundsgraben zur Enns gefahren und dort hineingeworfen wurden. Es waren die Gebeine von Erwachsenen und Kindern jeden Alters. Die Leute ergingen sich in Vermutungen, aus welcher Zeit diese Gebeine wohl stammen könnten. Die einen meinten, sie könnten von Gefallenen eines Krieges sein, während andere meinten, es könnten die Gebeine der zum Tode verurteilten Waldenser oder Wiedertäufer sein. Jakob Zetl aber schreibt in seiner »Steyr’schen Chronik«, dass man in den Krieg Kinder nicht mitzunehmen pflegte und die Wiedertäufer seien »mit Haut und Haar zu Aschen verbrandt und kain Bein übrig geblieben.« Eher glaubte er »dass in Infektions-Zeiten ain Hauffen verstorbener an dissem Orth zusamben in ein Gruaben geworfen worden, deren gebein disse gewesen.« Und lakonisch in seiner damals üblichen, mitunter recht unverständlichen Schreibweise: »Wer Ess aber nicht glauben will, kan am Jüngsten Tag in der Allgemeinen Aufferstehung weither nachfragen und die wahre Uhrkundt (Urkunde) einhollen.« Im Jahre 1620 stand auch der Bau der Kirche fertig da. Sie wurde der hl. Büßerin Magdalena geweiht. Vor der Kirche wurde das hohe hölzerne Ordenskreuz aufgestellt, Kloster und Kirche von einer Mauer umfangen.
Die Kapuziner waren ein Zweig der Franziskaner und hatten den Namen von ihrer Kopfbedeckung, der Kapuze. Sie spielten in den damals recht unruhigen Zeiten im kirchlichen Steyr eine nicht unbedeutende Rolle. Sie wurden sozusagen als Missionäre nach Steyr berufen. Ihre nicht gar große Kirche war eine Zeit lang Mittelpunkt des katholischen Lebens in dieser von religiösen Wirren schwer heimgesuchten Stadt.
Am Karfreitag des Jahres 1621 ging zum ersten Male eine Bußprozession von der Kirche der Kapuziner aus. Sie nahm ihren Weg durch den Hundsgraben, zog durch das Neutor in die Stadt hinein, den Stadtplatz hinunter, wieder herauf und kehrte, den Pfarrberg hinaufziehend und das Gilgentor passierend, zurück zur neuen Kirche, die draußen vor den Toren der Stadt lag. Als nach dem Bauernkrieg im Jahre 1626 und in Durchführung der Gegenreformation die Katholiken wieder das volle Verfügungsrecht über ihre Stadtkirchen bekamen, verlor die Kirche der Kapuziner allmählich ihre Bedeutung. Kaiser Joseph II. hob im Jahre 1786 das Kloster auf, das Gebäude und der Garten wurden an einen Herrn Eberstaler verkauft und die Kirche abgebrochen. Da kann man wohl sagen: Nichts besteht, alles verändert sich und vergeht.
Der abergläubische Müller
Das in Zwischenbrücken über dem Steyrflusse gestandene Objekt XII., das viele Jahre der Steyr-Daimler-Puch AG gehörte und zur Kraftübertragung mittels elektrischen Stromes diente, wurde 1965 abgebrochen. An der Stelle dieses kleinen Elektrizitätswerkes stand über sechshundert Jahre eine uralte, ziemlich große Mühle; sie stand auf der durch den Zusammenfluss der Enns und Steyr gebildeten spitzen Landzunge.
Michael Heindl kaufte im Jahre 1832 diese Mühle, die im Laufe der Zeit viele Besitzer, darunter Adelige, einen Stadtrichter und sogar einen Herzog, gehabt hatte. Die Müllerfamilie Heindl gab der Mühle den bis zum Schluss gebräuchlichen Namen Heindl-Mühle. Die, wie gesagt, ziemlich große Mühle war zum Teil auf mächtigen hölzernen Rammpfählen über dem smaragdgrünen Wasser der Steyr erbaut, wie auf einem alten Bilde noch zu sehen ist. Mehrere große unterschlächtig angetriebene Wasserräder plätscherten und klapperten von früh morgens bis spät abends und auch des Nachts. Diese Mühle mag neben den damals hölzernen Brücken über der Enns und der Steyr eines gewissen romantischen Reizes nicht entbehrt haben.
Neben der Getreidemühle gab es noch eine Schleiferei, an der die unterschiedlichsten Werkzeuge und Waffen geschliffen wurden. Auch war der Mühle noch eine Säge angeschlossen. Da hatten Müllerburschen, Schleifergesellen und Holzarbeiter reichlich Arbeit und Verdienst.
Einst hauste und werkte in der Mühle ein in seinem Wesen ganz eigentümlicher Müller, ein etwas geldgieriger und eigenartiger Kauz. Der Besitz der Mühle und der anderen angeschlossenen Werke brachten ihm nicht wenig Geld ein. So sammelte er blanke Silbergulden und harte Taler, die er in einer mit Eisenbändern beschlagenen, schweren hölzernen Truhe verwahrte. Aber sie wurde nicht voll. Daran waren seiner Meinung nach die schlechten Zeiten schuld und die um vieles ältere Spitalmühle gegenüber am jenseitigen Ufer der Steyr, die ihm so viel Konkurrenz mache; das Klappern des Wasserrades jener Mühle tat ihm in den Ohren wehe. Das war immer seine Klage. Es ist das alte Lied: Wer viel hat, hat noch immer nicht genug; er möchte noch mehr haben. Da hörte er von einem Zaubermittel, das rasch reich mache. Dieses Zaubermittel sei, wie ihm gesagt wurde, eine Holunderstaude, auf die sich einmal ein Bienenschwarm mit jungen Bienen und ihrer Königin zum ersten Male niedergelassen habe. Eine solche Staude müsse er ober der Tür der Mühle anbringen. Geldgierig und abergläubisch, wie der Müller war, verschaffte er sich eine solche Zauberstaude und tat, wie ihm gesagt wurde.
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